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Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796.

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Rechte d. Völker in Ans. d. einzelnen Hoheitsrechte.
französische National-Versammlung hat durch das oben ange-
führte Decret vom 6. Aug. 1790 auch das Abzugsrecht abge-
schaft; ob darunter aber auch die Nachsteuer zu versteben sey,
scheint zweifelhaft.
d) Da in Teutschland das Abzugsrecht nicht selten selbst Munici-
palstädten und adelichen Gerichtsherrn eingeräumt worden, so
fehlt es nicht an Beyspielen, wo es selbst gegen solche geübt
wird, die nur ihren Wohnort verändern, ohne das Territorium
zu verlassen. Aus eben diesem Grunde beschränken sich auch oft
die Verträge, Reversales u. s. f. der teutschen Landesherrn
bloß auch die Fälle, wo ihr Fiscus zur Erhebung berechtiget
seyn würde.
§. 92.
Richterliche Gewalt.

Eines der wichtigsten inneren Hoheitsrechte ist die
richterliche Gewalt. Sie erstreckt sich der Regel nach auf
alle Güter und Personen innerhalb des Gebiets des Staats,
sie seyn Eingebohrne oder Fremde, und steht in demselben
niemandem als dem Staat selbst, oder dem welchem er sie
anvertrauet zu. Doch giebt es 1) Fremde welche Kraft
der ihnen beygelegten Exterritorialität von der Gerichtbar-
keit des Landes befreyet sind, wie fremde Souveraine, Ge-
sandte, und beider Gefolge. Auch wird 2) zuweilen frem-
den Unterthanen erlaubt sich von ihren eigenen Richtern,
als Consuln, ius Conservador u. s. f. richten zu lassen.

§. 93.
Rechte und Verbindlichkeiten der Ausländer in Hinsicht
der Landesgerichte.

Daß fremde Einwohner vor den Landesgerichten der
Regel nach Recht nehmen und geben müssen, leidet keinen
Zweifel. Aber auch Auswärtige, wenn sie über einen Un-
terthanen Klage zu erheben haben, sind, ob sie gleich gegen
diesen im Naturstande fortleben, schuldig statt Gewalt zu
gebrauchen ihn vor seinem competenten Richter zu belan-
gen; dies erfordert nicht nur die Erhaltung der Ruhe ihres
eigenen Staats und die Beobachtung der hierüber, zumahl

seit
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Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
franzoͤſiſche National-Verſammlung hat durch das oben ange-
fuͤhrte Decret vom 6. Aug. 1790 auch das Abzugsrecht abge-
ſchaft; ob darunter aber auch die Nachſteuer zu verſteben ſey,
ſcheint zweifelhaft.
d) Da in Teutſchland das Abzugsrecht nicht ſelten ſelbſt Munici-
palſtaͤdten und adelichen Gerichtsherrn eingeraͤumt worden, ſo
fehlt es nicht an Beyſpielen, wo es ſelbſt gegen ſolche geuͤbt
wird, die nur ihren Wohnort veraͤndern, ohne das Territorium
zu verlaſſen. Aus eben dieſem Grunde beſchraͤnken ſich auch oft
die Vertraͤge, Reverſales u. ſ. f. der teutſchen Landesherrn
bloß auch die Faͤlle, wo ihr Fiſcus zur Erhebung berechtiget
ſeyn wuͤrde.
§. 92.
Richterliche Gewalt.

Eines der wichtigſten inneren Hoheitsrechte iſt die
richterliche Gewalt. Sie erſtreckt ſich der Regel nach auf
alle Guͤter und Perſonen innerhalb des Gebiets des Staats,
ſie ſeyn Eingebohrne oder Fremde, und ſteht in demſelben
niemandem als dem Staat ſelbſt, oder dem welchem er ſie
anvertrauet zu. Doch giebt es 1) Fremde welche Kraft
der ihnen beygelegten Exterritorialitaͤt von der Gerichtbar-
keit des Landes befreyet ſind, wie fremde Souveraine, Ge-
ſandte, und beider Gefolge. Auch wird 2) zuweilen frem-
den Unterthanen erlaubt ſich von ihren eigenen Richtern,
als Conſuln, ius Conſervador u. ſ. f. richten zu laſſen.

§. 93.
Rechte und Verbindlichkeiten der Auslaͤnder in Hinſicht
der Landesgerichte.

Daß fremde Einwohner vor den Landesgerichten der
Regel nach Recht nehmen und geben muͤſſen, leidet keinen
Zweifel. Aber auch Auswaͤrtige, wenn ſie uͤber einen Un-
terthanen Klage zu erheben haben, ſind, ob ſie gleich gegen
dieſen im Naturſtande fortleben, ſchuldig ſtatt Gewalt zu
gebrauchen ihn vor ſeinem competenten Richter zu belan-
gen; dies erfordert nicht nur die Erhaltung der Ruhe ihres
eigenen Staats und die Beobachtung der hieruͤber, zumahl

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[115/0143] Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte. c⁾ franzoͤſiſche National-Verſammlung hat durch das oben ange- fuͤhrte Decret vom 6. Aug. 1790 auch das Abzugsrecht abge- ſchaft; ob darunter aber auch die Nachſteuer zu verſteben ſey, ſcheint zweifelhaft. d⁾ Da in Teutſchland das Abzugsrecht nicht ſelten ſelbſt Munici- palſtaͤdten und adelichen Gerichtsherrn eingeraͤumt worden, ſo fehlt es nicht an Beyſpielen, wo es ſelbſt gegen ſolche geuͤbt wird, die nur ihren Wohnort veraͤndern, ohne das Territorium zu verlaſſen. Aus eben dieſem Grunde beſchraͤnken ſich auch oft die Vertraͤge, Reverſales u. ſ. f. der teutſchen Landesherrn bloß auch die Faͤlle, wo ihr Fiſcus zur Erhebung berechtiget ſeyn wuͤrde. §. 92. Richterliche Gewalt. Eines der wichtigſten inneren Hoheitsrechte iſt die richterliche Gewalt. Sie erſtreckt ſich der Regel nach auf alle Guͤter und Perſonen innerhalb des Gebiets des Staats, ſie ſeyn Eingebohrne oder Fremde, und ſteht in demſelben niemandem als dem Staat ſelbſt, oder dem welchem er ſie anvertrauet zu. Doch giebt es 1) Fremde welche Kraft der ihnen beygelegten Exterritorialitaͤt von der Gerichtbar- keit des Landes befreyet ſind, wie fremde Souveraine, Ge- ſandte, und beider Gefolge. Auch wird 2) zuweilen frem- den Unterthanen erlaubt ſich von ihren eigenen Richtern, als Conſuln, ius Conſervador u. ſ. f. richten zu laſſen. §. 93. Rechte und Verbindlichkeiten der Auslaͤnder in Hinſicht der Landesgerichte. Daß fremde Einwohner vor den Landesgerichten der Regel nach Recht nehmen und geben muͤſſen, leidet keinen Zweifel. Aber auch Auswaͤrtige, wenn ſie uͤber einen Un- terthanen Klage zu erheben haben, ſind, ob ſie gleich gegen dieſen im Naturſtande fortleben, ſchuldig ſtatt Gewalt zu gebrauchen ihn vor ſeinem competenten Richter zu belan- gen; dies erfordert nicht nur die Erhaltung der Ruhe ihres eigenen Staats und die Beobachtung der hieruͤber, zumahl ſeit H 2

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Zitationshilfe: Martens, Georg Friedrich von: Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Göttingen, 1796, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/martens_voelkerrecht_1796/143>, abgerufen am 03.12.2024.