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Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855.

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in welchem sich ein Volk befindet, auf den Umfang jenes im-
materiellen Theiles des Unternehmergewinns ausüben muß. Bei
einem noch auf den ersten Stufen der Entwickelung stehenden
Volke ist nothwendig die Arbeitstheilung gering. Die Folge
davon ist, daß auch die freien Arbeiter, insoweit solche existiren,
nicht einzelne bestimmte Leistungen, sondern ihre gesammte Ar-
beitskraft verdingen, so daß die Aufsicht und das Befehlsrecht
des Arbeitsgebers durchschnittlich weit tiefer in ihre persönliche
Freiheit eingreifen, als unter weiter vorgerückten Culturverhält-
nissen. Die Annehmlichkeit, Unternehmer zu sein, ist demnach
dort, mit der Lage eines bloßen Arbeiters verglichen, eine weit
größere, wie hier. Im Vergleich mit dem Zinsen beziehenden
Capitalisten scheint die Lage des Unternehmers in den niedrigeren
Culturperioden weniger annehmlich zu sein, wie in den höheren,
weil sich der Sinn für die Würde der eigenen Willenskraft, der
Stolz auf die Selbständigkeit der Leistung erst später entwickelt;
nur tritt überhaupt die Classe der Rentner erst bei einigermaßen
vorgeschrittener Entwicklung und auch dann im Anfang noch sehr
vereinzelt auf. Noch in mittelalterlichen Zuständen hat das Aus-
leihen auf Zins vielfach selbst den Charakter einer und nicht
selten sehr gewagten Unternehmung. Was dagegen die mit der
Stellung eines Unternehmers verbundenen Vortheile betrifft, so
sind sie der Stellung eines Arbeiters gegenüber um so größer,
je niedriger die Art der zu verdingen möglichen Arbeit steht, je
hervorragender die persönliche Thätigkeit des Unternehmers ist.
Sie sind deshalb auf den mittlern Culturstufen am größten.
Auf den niedrigsten steht der freie Lohnarbeiter nicht viel tiefer
als der Unternehmer; auf den höchsten werden so hervorragende
persönliche Leistungen um Lohn gesucht, die Leichtigkeit, aus
einem Lohnverhältnisse in das andere überzugehen, und damit
die Selbständigkeit der Lohnarbeiter ist so vergrößert, daß die

in welchem ſich ein Volk befindet, auf den Umfang jenes im-
materiellen Theiles des Unternehmergewinns ausuͤben muß. Bei
einem noch auf den erſten Stufen der Entwickelung ſtehenden
Volke iſt nothwendig die Arbeitstheilung gering. Die Folge
davon iſt, daß auch die freien Arbeiter, inſoweit ſolche exiſtiren,
nicht einzelne beſtimmte Leiſtungen, ſondern ihre geſammte Ar-
beitskraft verdingen, ſo daß die Aufſicht und das Befehlsrecht
des Arbeitsgebers durchſchnittlich weit tiefer in ihre perſoͤnliche
Freiheit eingreifen, als unter weiter vorgeruͤckten Culturverhaͤlt-
niſſen. Die Annehmlichkeit, Unternehmer zu ſein, iſt demnach
dort, mit der Lage eines bloßen Arbeiters verglichen, eine weit
groͤßere, wie hier. Im Vergleich mit dem Zinſen beziehenden
Capitaliſten ſcheint die Lage des Unternehmers in den niedrigeren
Culturperioden weniger annehmlich zu ſein, wie in den hoͤheren,
weil ſich der Sinn fuͤr die Wuͤrde der eigenen Willenskraft, der
Stolz auf die Selbſtaͤndigkeit der Leiſtung erſt ſpaͤter entwickelt;
nur tritt uͤberhaupt die Claſſe der Rentner erſt bei einigermaßen
vorgeſchrittener Entwicklung und auch dann im Anfang noch ſehr
vereinzelt auf. Noch in mittelalterlichen Zuſtaͤnden hat das Aus-
leihen auf Zins vielfach ſelbſt den Charakter einer und nicht
ſelten ſehr gewagten Unternehmung. Was dagegen die mit der
Stellung eines Unternehmers verbundenen Vortheile betrifft, ſo
ſind ſie der Stellung eines Arbeiters gegenuͤber um ſo groͤßer,
je niedriger die Art der zu verdingen moͤglichen Arbeit ſteht, je
hervorragender die perſoͤnliche Thaͤtigkeit des Unternehmers iſt.
Sie ſind deshalb auf den mittlern Culturſtufen am groͤßten.
Auf den niedrigſten ſteht der freie Lohnarbeiter nicht viel tiefer
als der Unternehmer; auf den hoͤchſten werden ſo hervorragende
perſoͤnliche Leiſtungen um Lohn geſucht, die Leichtigkeit, aus
einem Lohnverhaͤltniſſe in das andere uͤberzugehen, und damit
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[158/0170] in welchem ſich ein Volk befindet, auf den Umfang jenes im- materiellen Theiles des Unternehmergewinns ausuͤben muß. Bei einem noch auf den erſten Stufen der Entwickelung ſtehenden Volke iſt nothwendig die Arbeitstheilung gering. Die Folge davon iſt, daß auch die freien Arbeiter, inſoweit ſolche exiſtiren, nicht einzelne beſtimmte Leiſtungen, ſondern ihre geſammte Ar- beitskraft verdingen, ſo daß die Aufſicht und das Befehlsrecht des Arbeitsgebers durchſchnittlich weit tiefer in ihre perſoͤnliche Freiheit eingreifen, als unter weiter vorgeruͤckten Culturverhaͤlt- niſſen. Die Annehmlichkeit, Unternehmer zu ſein, iſt demnach dort, mit der Lage eines bloßen Arbeiters verglichen, eine weit groͤßere, wie hier. Im Vergleich mit dem Zinſen beziehenden Capitaliſten ſcheint die Lage des Unternehmers in den niedrigeren Culturperioden weniger annehmlich zu ſein, wie in den hoͤheren, weil ſich der Sinn fuͤr die Wuͤrde der eigenen Willenskraft, der Stolz auf die Selbſtaͤndigkeit der Leiſtung erſt ſpaͤter entwickelt; nur tritt uͤberhaupt die Claſſe der Rentner erſt bei einigermaßen vorgeſchrittener Entwicklung und auch dann im Anfang noch ſehr vereinzelt auf. Noch in mittelalterlichen Zuſtaͤnden hat das Aus- leihen auf Zins vielfach ſelbſt den Charakter einer und nicht ſelten ſehr gewagten Unternehmung. Was dagegen die mit der Stellung eines Unternehmers verbundenen Vortheile betrifft, ſo ſind ſie der Stellung eines Arbeiters gegenuͤber um ſo groͤßer, je niedriger die Art der zu verdingen moͤglichen Arbeit ſteht, je hervorragender die perſoͤnliche Thaͤtigkeit des Unternehmers iſt. Sie ſind deshalb auf den mittlern Culturſtufen am groͤßten. Auf den niedrigſten ſteht der freie Lohnarbeiter nicht viel tiefer als der Unternehmer; auf den hoͤchſten werden ſo hervorragende perſoͤnliche Leiſtungen um Lohn geſucht, die Leichtigkeit, aus einem Lohnverhaͤltniſſe in das andere uͤberzugehen, und damit die Selbſtaͤndigkeit der Lohnarbeiter iſt ſo vergroͤßert, daß die

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Zitationshilfe: Mangoldt, Hans von: Die Lehre vom Unternehmergewinn. Leipzig, 1855, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mangoldt_unternehmergewinn_1855/170>, abgerufen am 26.04.2024.