Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dünndarm.
unzweifelhaft es ist, dass der Magen Bewegungen zeigt, eben so schwie- rig ist es aber auch anzugeben, wann dieselben eintreten. Denn es ist Thatsache, dass der Magen nach Eröffnung der Unterleibshöhle bei le- benden und eben getödteten Thieren meist nicht nur vollkommen ruhig angetroffen wird, sondern auch, dass die gewöhnlichen Erregungsmittel muskulöser Apparate ihn nur zu Zusammenziehungen veranlassen kön- nen, welche sich auf den Ort ihrer Anwendung beschränken. Diese Zei- ten der relativen Unthätigkeit der Muskeln des Magens scheinen nur nach der Anfüllung desselben mit Speisen eine Unterbrechung zu erfahren. -- Die den peristaltischen Modus erweckenden und unterhaltenden Nerven sind unbekannt.
3. Dünndarm.
Als ein Rohr von beträchtlicher Länge, dessen Wandungen bis zum Verschwinden der Höhle von den gespannten Bauchdecken zusammen- gepresst werden, bietet er ein ganz anderes Verhältniss zwischen Bin- nenraum und Wandungsfläche, als der Magen. -- Die Anheftung durch das Peritonäum zwingt das Ileum und Jejunum in Schlingen zu hängen, die wechselnd auf- und absteigen können; das festgeheftete Duodenum wechselt seinen Ort niemals zu Gunsten der Gallen- und Pankreasgänge, welche seine Wand schräg durchbohren. -- Die Falten der Schleimhaut des Jejunum sind so gelegt, dass sie das Gleiten des Inhaltes in der Richtung von oben nach unten erlauben, während sie durch einen Stoss im umgekehrten Sinne aufgestellt werden.
Die Längs- und Quermuskeln, welche den Darm verkürzen und ver- engern können, zeigen sehr eigenthümliche Bewegungserscheinungen. Am lebenden oder eben getödteten Thiere, dessen Unterleibshöhle man er- öffnet hat, gewahrt man drei besondere Arten derselben. -- 1) Die Dünn- därme liegen im Ganzen vollkommen ruhig, nur hin und wieder zeigt sich eine Einschnürung mit gleichzeitiger Verkürzung eines Darmstückes, welches längere Zeit unverändert in seiner veränderten Gestalt verharrt. -- 2) Ein beschränktes Darmstück verengert und verkürzt sich; diese Zu- sammenziehung der Quer- oder Längsmuskeln löst sich und beginnt nach kürzerer Zeit von Neuem, so dass ein wogendes und pendelndes Hin und Wieder der Bewegung zu Stande kommt. -- 3) In dem Darme schreitet eine Bewegung peristaltisch (von oben nach unten) oder anti- peristaltisch (von unten nach oben) weiter, so dass von zwei unmittel- bar aneinander grenzenden Abschnitten des Darmes das eine in Zusam- menziehung geräth, während das andere im Begriff ist, in Erschlaffung überzugehen. -- Es lassen sich weder Kennzeichen, noch Gründe ange- ben, wann und warum der eine oder der andere Modus der Bewegung eintritt. Allerdings hat es aber den Anschein, als ob zur peristaltischen und pendelnden Bewegung ein höherer Grad von Erregbarkeit gehöre, da kurze Zeit vor dem Absterben der Beweglichkeit überhaupt nur noch
Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dünndarm.
unzweifelhaft es ist, dass der Magen Bewegungen zeigt, eben so schwie- rig ist es aber auch anzugeben, wann dieselben eintreten. Denn es ist Thatsache, dass der Magen nach Eröffnung der Unterleibshöhle bei le- benden und eben getödteten Thieren meist nicht nur vollkommen ruhig angetroffen wird, sondern auch, dass die gewöhnlichen Erregungsmittel muskulöser Apparate ihn nur zu Zusammenziehungen veranlassen kön- nen, welche sich auf den Ort ihrer Anwendung beschränken. Diese Zei- ten der relativen Unthätigkeit der Muskeln des Magens scheinen nur nach der Anfüllung desselben mit Speisen eine Unterbrechung zu erfahren. — Die den peristaltischen Modus erweckenden und unterhaltenden Nerven sind unbekannt.
3. Dünndarm.
Als ein Rohr von beträchtlicher Länge, dessen Wandungen bis zum Verschwinden der Höhle von den gespannten Bauchdecken zusammen- gepresst werden, bietet er ein ganz anderes Verhältniss zwischen Bin- nenraum und Wandungsfläche, als der Magen. — Die Anheftung durch das Peritonäum zwingt das Ileum und Jejunum in Schlingen zu hängen, die wechselnd auf- und absteigen können; das festgeheftete Duodenum wechselt seinen Ort niemals zu Gunsten der Gallen- und Pankreasgänge, welche seine Wand schräg durchbohren. — Die Falten der Schleimhaut des Jejunum sind so gelegt, dass sie das Gleiten des Inhaltes in der Richtung von oben nach unten erlauben, während sie durch einen Stoss im umgekehrten Sinne aufgestellt werden.
Die Längs- und Quermuskeln, welche den Darm verkürzen und ver- engern können, zeigen sehr eigenthümliche Bewegungserscheinungen. Am lebenden oder eben getödteten Thiere, dessen Unterleibshöhle man er- öffnet hat, gewahrt man drei besondere Arten derselben. — 1) Die Dünn- därme liegen im Ganzen vollkommen ruhig, nur hin und wieder zeigt sich eine Einschnürung mit gleichzeitiger Verkürzung eines Darmstückes, welches längere Zeit unverändert in seiner veränderten Gestalt verharrt. — 2) Ein beschränktes Darmstück verengert und verkürzt sich; diese Zu- sammenziehung der Quer- oder Längsmuskeln löst sich und beginnt nach kürzerer Zeit von Neuem, so dass ein wogendes und pendelndes Hin und Wieder der Bewegung zu Stande kommt. — 3) In dem Darme schreitet eine Bewegung peristaltisch (von oben nach unten) oder anti- peristaltisch (von unten nach oben) weiter, so dass von zwei unmittel- bar aneinander grenzenden Abschnitten des Darmes das eine in Zusam- menziehung geräth, während das andere im Begriff ist, in Erschlaffung überzugehen. — Es lassen sich weder Kennzeichen, noch Gründe ange- ben, wann und warum der eine oder der andere Modus der Bewegung eintritt. Allerdings hat es aber den Anschein, als ob zur peristaltischen und pendelnden Bewegung ein höherer Grad von Erregbarkeit gehöre, da kurze Zeit vor dem Absterben der Beweglichkeit überhaupt nur noch
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Mechanische Arbeit der Verdauungswerkzeuge; Dünndarm.
unzweifelhaft es ist, dass der Magen Bewegungen zeigt, eben so schwie-
rig ist es aber auch anzugeben, wann dieselben eintreten. Denn es ist
Thatsache, dass der Magen nach Eröffnung der Unterleibshöhle bei le-
benden und eben getödteten Thieren meist nicht nur vollkommen ruhig
angetroffen wird, sondern auch, dass die gewöhnlichen Erregungsmittel
muskulöser Apparate ihn nur zu Zusammenziehungen veranlassen kön-
nen, welche sich auf den Ort ihrer Anwendung beschränken. Diese Zei-
ten der relativen Unthätigkeit der Muskeln des Magens scheinen nur nach
der Anfüllung desselben mit Speisen eine Unterbrechung zu erfahren. —
Die den peristaltischen Modus erweckenden und unterhaltenden Nerven
sind unbekannt.
3. Dünndarm.
Als ein Rohr von beträchtlicher Länge, dessen Wandungen bis zum
Verschwinden der Höhle von den gespannten Bauchdecken zusammen-
gepresst werden, bietet er ein ganz anderes Verhältniss zwischen Bin-
nenraum und Wandungsfläche, als der Magen. — Die Anheftung durch
das Peritonäum zwingt das Ileum und Jejunum in Schlingen zu hängen,
die wechselnd auf- und absteigen können; das festgeheftete Duodenum
wechselt seinen Ort niemals zu Gunsten der Gallen- und Pankreasgänge,
welche seine Wand schräg durchbohren. — Die Falten der Schleimhaut
des Jejunum sind so gelegt, dass sie das Gleiten des Inhaltes in der
Richtung von oben nach unten erlauben, während sie durch einen Stoss
im umgekehrten Sinne aufgestellt werden.
Die Längs- und Quermuskeln, welche den Darm verkürzen und ver-
engern können, zeigen sehr eigenthümliche Bewegungserscheinungen. Am
lebenden oder eben getödteten Thiere, dessen Unterleibshöhle man er-
öffnet hat, gewahrt man drei besondere Arten derselben. — 1) Die Dünn-
därme liegen im Ganzen vollkommen ruhig, nur hin und wieder zeigt
sich eine Einschnürung mit gleichzeitiger Verkürzung eines Darmstückes,
welches längere Zeit unverändert in seiner veränderten Gestalt verharrt. —
2) Ein beschränktes Darmstück verengert und verkürzt sich; diese Zu-
sammenziehung der Quer- oder Längsmuskeln löst sich und beginnt
nach kürzerer Zeit von Neuem, so dass ein wogendes und pendelndes
Hin und Wieder der Bewegung zu Stande kommt. — 3) In dem Darme
schreitet eine Bewegung peristaltisch (von oben nach unten) oder anti-
peristaltisch (von unten nach oben) weiter, so dass von zwei unmittel-
bar aneinander grenzenden Abschnitten des Darmes das eine in Zusam-
menziehung geräth, während das andere im Begriff ist, in Erschlaffung
überzugehen. — Es lassen sich weder Kennzeichen, noch Gründe ange-
ben, wann und warum der eine oder der andere Modus der Bewegung
eintritt. Allerdings hat es aber den Anschein, als ob zur peristaltischen
und pendelnden Bewegung ein höherer Grad von Erregbarkeit gehöre,
da kurze Zeit vor dem Absterben der Beweglichkeit überhaupt nur noch
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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/413>, abgerufen am 22.02.2025.
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