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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Schlingen.

Die Zusammenziehung der einzelnen Muskelstücke*) des Schling-
apparates ist in die eigenthümliche Beziehung gebracht, dass beim Be-
stehen einer normalen Erregbarkeit auf die Verkürzung eines höher ge-
legenen Stückes jedesmal die der tiefer gelegenen bis zum Magen hin
nachfolgt, während niemals auf die eines tieferen die Zusammenziehung
eines höheren folgt. Man drückt dieses gewöhnlich so aus, dass dem
Schlingapparate eine peristaltische, aber keine antiperistaltische Bewe-
gung zukomme. -- Das Fortlaufen der peristaltischen Bewegung ge-
schieht allmählig und ist namentlich abhängig von der Zeitdauer, welche
jedes einzelne Stück zur Vollendung seiner Zusammenziehung verbraucht,
da die nächst tiefer gelegenen Partieen nicht eher in den Zug der Be-
wegung eintreten, bevor nicht die höheren wieder zu der Erschlaffung
gekommen sind. -- Die Einleitung der Bewegung ist, wie es scheint,
nur bedingt vom Willen abhängig; dagegen kann sie ohne äussere Ur-
sache unwillkürlich (v. I. Bd. p. 173 u. 174) und auf reflektorischem Wege
zu Stande kommen. Die sensiblen Orte, deren Erregung das Schlingen
einleitet, scheinen für gewöhnlich auf die hintere Fläche des Gaumens
und den Schlundkopf beschränkt zu sein; nur zuweilen gelingt es, die
fortlaufende Bewegung durch einen Anspruch der Speiseröhrenschleim-
haut aufzulösen. Einmal eingeleitet schreitet die Bewegung unaufhalt-
sam bis zum Magen fort, so lange Nerv und Muskel erregbar und un-
versehrt sind, und so lange sich der fortschreitenden Bewegung kein
Hinderniss entgegenstellt. Durchschneidet man aber die Muskeln oder
Nerven des Oesophagus, oder presst man ein beschränktes Stück des
letzteren durch einen umgelegten Faden zusammen, so überschreitet die
von oben herkommende Zusammenziehung den verletzten oder gedrück-
ten Ort nicht (Wild).

Der Wille vermag die Schlingbewegung nur dadurch einzuleiten, dass er den festen
oder flüssigen Inhalt der Mundhöhle in den Rachen schiebt, welcher dann die dort vorhan-
denen sensiblen Nerven erregt; dieses geht am deutlichsten daraus hervor, dass man auf
Geheiss des Willens nur bis zum Verschwinden allen Speichels (drei-, vier- bis fünfmal
unmittelbar hintereinander) schlingen kann, dass sich aber die Fähigkeit dazu sogleich
wieder einstellt, so wie sich wieder Speichel in der Mundhöhle ansammelt oder ein Bissen
in sie eingebracht wird. -- Die Angabe, dass die einmal eingeleitete Schlingbewegung
zu ihrer Fortführung der reflektorischen Erregungen nicht bedarf, und namentlich
nicht in Abhängigkeit steht von den Erregungen, die der weiter geführte Bissen in
der Schleimhaut hervorbringt, stützt sich darauf, dass sich die Bewegung selbst
dann fortsetzt, wenn der Fortgang des Bisses, z. B. durch einen angezogenen und
festgehaltenen Faden, aufgehalten wird. Siehe das Genauere bei Wild.

2. Magen.

Dieser geräumige Behälter ist im leeren Zustande so aufgehängt,
dass er seine grosse Curvatur nach unten wendet; im gefüllten dreht er
sich dagegen nach vorn, und somit stellt er seine kleine Krümmung

*) Wild, Henle's u. Pfeufer's Zeitschrift. V. Bd. 76.
Schlingen.

Die Zusammenziehung der einzelnen Muskelstücke*) des Schling-
apparates ist in die eigenthümliche Beziehung gebracht, dass beim Be-
stehen einer normalen Erregbarkeit auf die Verkürzung eines höher ge-
legenen Stückes jedesmal die der tiefer gelegenen bis zum Magen hin
nachfolgt, während niemals auf die eines tieferen die Zusammenziehung
eines höheren folgt. Man drückt dieses gewöhnlich so aus, dass dem
Schlingapparate eine peristaltische, aber keine antiperistaltische Bewe-
gung zukomme. — Das Fortlaufen der peristaltischen Bewegung ge-
schieht allmählig und ist namentlich abhängig von der Zeitdauer, welche
jedes einzelne Stück zur Vollendung seiner Zusammenziehung verbraucht,
da die nächst tiefer gelegenen Partieen nicht eher in den Zug der Be-
wegung eintreten, bevor nicht die höheren wieder zu der Erschlaffung
gekommen sind. — Die Einleitung der Bewegung ist, wie es scheint,
nur bedingt vom Willen abhängig; dagegen kann sie ohne äussere Ur-
sache unwillkürlich (v. I. Bd. p. 173 u. 174) und auf reflektorischem Wege
zu Stande kommen. Die sensiblen Orte, deren Erregung das Schlingen
einleitet, scheinen für gewöhnlich auf die hintere Fläche des Gaumens
und den Schlundkopf beschränkt zu sein; nur zuweilen gelingt es, die
fortlaufende Bewegung durch einen Anspruch der Speiseröhrenschleim-
haut aufzulösen. Einmal eingeleitet schreitet die Bewegung unaufhalt-
sam bis zum Magen fort, so lange Nerv und Muskel erregbar und un-
versehrt sind, und so lange sich der fortschreitenden Bewegung kein
Hinderniss entgegenstellt. Durchschneidet man aber die Muskeln oder
Nerven des Oesophagus, oder presst man ein beschränktes Stück des
letzteren durch einen umgelegten Faden zusammen, so überschreitet die
von oben herkommende Zusammenziehung den verletzten oder gedrück-
ten Ort nicht (Wild).

Der Wille vermag die Schlingbewegung nur dadurch einzuleiten, dass er den festen
oder flüssigen Inhalt der Mundhöhle in den Rachen schiebt, welcher dann die dort vorhan-
denen sensiblen Nerven erregt; dieses geht am deutlichsten daraus hervor, dass man auf
Geheiss des Willens nur bis zum Verschwinden allen Speichels (drei-, vier- bis fünfmal
unmittelbar hintereinander) schlingen kann, dass sich aber die Fähigkeit dazu sogleich
wieder einstellt, so wie sich wieder Speichel in der Mundhöhle ansammelt oder ein Bissen
in sie eingebracht wird. — Die Angabe, dass die einmal eingeleitete Schlingbewegung
zu ihrer Fortführung der reflektorischen Erregungen nicht bedarf, und namentlich
nicht in Abhängigkeit steht von den Erregungen, die der weiter geführte Bissen in
der Schleimhaut hervorbringt, stützt sich darauf, dass sich die Bewegung selbst
dann fortsetzt, wenn der Fortgang des Bisses, z. B. durch einen angezogenen und
festgehaltenen Faden, aufgehalten wird. Siehe das Genauere bei Wild.

2. Magen.

Dieser geräumige Behälter ist im leeren Zustande so aufgehängt,
dass er seine grosse Curvatur nach unten wendet; im gefüllten dreht er
sich dagegen nach vorn, und somit stellt er seine kleine Krümmung

*) Wild, Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. V. Bd. 76.
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[395/0411] Schlingen. Die Zusammenziehung der einzelnen Muskelstücke *) des Schling- apparates ist in die eigenthümliche Beziehung gebracht, dass beim Be- stehen einer normalen Erregbarkeit auf die Verkürzung eines höher ge- legenen Stückes jedesmal die der tiefer gelegenen bis zum Magen hin nachfolgt, während niemals auf die eines tieferen die Zusammenziehung eines höheren folgt. Man drückt dieses gewöhnlich so aus, dass dem Schlingapparate eine peristaltische, aber keine antiperistaltische Bewe- gung zukomme. — Das Fortlaufen der peristaltischen Bewegung ge- schieht allmählig und ist namentlich abhängig von der Zeitdauer, welche jedes einzelne Stück zur Vollendung seiner Zusammenziehung verbraucht, da die nächst tiefer gelegenen Partieen nicht eher in den Zug der Be- wegung eintreten, bevor nicht die höheren wieder zu der Erschlaffung gekommen sind. — Die Einleitung der Bewegung ist, wie es scheint, nur bedingt vom Willen abhängig; dagegen kann sie ohne äussere Ur- sache unwillkürlich (v. I. Bd. p. 173 u. 174) und auf reflektorischem Wege zu Stande kommen. Die sensiblen Orte, deren Erregung das Schlingen einleitet, scheinen für gewöhnlich auf die hintere Fläche des Gaumens und den Schlundkopf beschränkt zu sein; nur zuweilen gelingt es, die fortlaufende Bewegung durch einen Anspruch der Speiseröhrenschleim- haut aufzulösen. Einmal eingeleitet schreitet die Bewegung unaufhalt- sam bis zum Magen fort, so lange Nerv und Muskel erregbar und un- versehrt sind, und so lange sich der fortschreitenden Bewegung kein Hinderniss entgegenstellt. Durchschneidet man aber die Muskeln oder Nerven des Oesophagus, oder presst man ein beschränktes Stück des letzteren durch einen umgelegten Faden zusammen, so überschreitet die von oben herkommende Zusammenziehung den verletzten oder gedrück- ten Ort nicht (Wild). Der Wille vermag die Schlingbewegung nur dadurch einzuleiten, dass er den festen oder flüssigen Inhalt der Mundhöhle in den Rachen schiebt, welcher dann die dort vorhan- denen sensiblen Nerven erregt; dieses geht am deutlichsten daraus hervor, dass man auf Geheiss des Willens nur bis zum Verschwinden allen Speichels (drei-, vier- bis fünfmal unmittelbar hintereinander) schlingen kann, dass sich aber die Fähigkeit dazu sogleich wieder einstellt, so wie sich wieder Speichel in der Mundhöhle ansammelt oder ein Bissen in sie eingebracht wird. — Die Angabe, dass die einmal eingeleitete Schlingbewegung zu ihrer Fortführung der reflektorischen Erregungen nicht bedarf, und namentlich nicht in Abhängigkeit steht von den Erregungen, die der weiter geführte Bissen in der Schleimhaut hervorbringt, stützt sich darauf, dass sich die Bewegung selbst dann fortsetzt, wenn der Fortgang des Bisses, z. B. durch einen angezogenen und festgehaltenen Faden, aufgehalten wird. Siehe das Genauere bei Wild. 2. Magen. Dieser geräumige Behälter ist im leeren Zustande so aufgehängt, dass er seine grosse Curvatur nach unten wendet; im gefüllten dreht er sich dagegen nach vorn, und somit stellt er seine kleine Krümmung *) Wild, Henle’s u. Pfeufer’s Zeitschrift. V. Bd. 76.

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/411>, abgerufen am 21.11.2024.