Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Spannung der Stimmhäute.
zwischen ihnen bleibende Ritze eng ist, während der hintere drei-
eckige Raum so gut wie vollkommen geschlossen sein muss; J. Müller.

Rudolphi, Mende, Mayo, Bell etc. *) zeigten an lebenden Menschen deren
Stimmhäute durch eine Verwundung des Kehlkopfs blosgelegt waren, und Magen-
die
durch Versuche an Thieren, dass beim Stimmangeben die Stimmbänder zur Bil-
dung einer Stimmritze sich nähern müssen; Kempelens (ibid) Behauptung, dass die
Stimmritze nicht breiter als eine Linie sein dürfe, wenn ein Ton entstehen solle, bestä-
tigte J. Müller durch Untersuchungen am todten Kehlkopf in so fern er zeigte, dass
ein Luftstoss, der durch eine beträchlich erweiterte Stimmritze fährt, ein blasendes Ge-
räusch aber keinen Ton erzielt. Ferner lehrte J. Müller, dass das Stimmorgan
ungewöhnlich schwer anspricht, wenn die Athemritze offen geblieben, seien auch
sonst die Stimmhäute noch so günstig gelagert. -- R. Willis **) machte darauf auf-
merksam, wie es wohl nicht genügen möchte, wenn überhaupt die Bäuder sich zur
Bildung einer Spalte zusammenlegen, sondern dass die Band ränder, die die Spalte
einschliessen, eine besondere Form besitzen müssen. -- Die Mechanismen zur Bildung
der Stimmritze sind übrigens ausserordentlich mangelhaft untersucht. --

e. Zu den Bedingungen, unter denen ein Kehlkopf Töne erzeugen
kann, gehören ferner bestimmte Grenzen von Spannung in den Stimm-
häuten. Uebersteigt ihr Spannungsgrad dieselben, so spricht, selbst
wenn alle andern Umstände noch so günstig, der Ton nur sehr unvoll-
kommen und schreiend an; befindet sich der Spannungswerth dagegen
unterhalb derselben, so wird nur ein undeutliches Brummen möglich.
-- Die Einrichtungen aber und Umstände, durch welche die Stimm-
häute in ihrer Spannung verändert werden können, sind verschiedener
Natur. -- a) Es können die Stimmhäute durch Vergrösserung oder
Verringerung der Entfernung zwischen cartil. thyreoidea und der cart.
arytenoidea in ihrer Länge verändert und damit verschiedentlich ge-
spannt werden. Zur Veränderung der genannten Entfernung tragen
zwei Muskelpaare bei, in dem sie (Fig. 130) die cartilago thyreoidea um

[Abbildung] Fig. 130.
ihr Gelenk bei C drehen, und zwar
verkürzen die mm. thyreoarytenoidei
den genannten Abstand, während die
mm. cricothyreoidei ihn vergrössern. --
Eine mittlere Stellung der cart. thyreoi-
dea wird endlich durch das lig, crico-
thyreoideum L gegeben. Ein Theil die-
ses Spannungsapparats die mm. crico-
thyreoidei nemlich kann begreiflich in Wirksamkeit treten, mag die
Stimmritze durch die mm. cricoarytenoidei laterales oder durch die mm.
thyreoarytenoidei gestellt sein; im letztern Fall, wo den mm. cricothy-
reoidei Antagonisten entgegentreten, wird dann nur die Differenz der
gerade verwendeten Kräfte beider Muskelpaare der Längenausdehnung
der Stimmhäute zu Gute kommen, so dass also wenn mm. cricothyreoidei
überwiegen die mm. thyreoarytenoidei die Stellung aber nicht die Span-

*) Magendie's Physiologie ed. Heusinger I. 243.
**) Magendie l. c p. 265.

Spannung der Stimmhäute.
zwischen ihnen bleibende Ritze eng ist, während der hintere drei-
eckige Raum so gut wie vollkommen geschlossen sein muss; J. Müller.

Rudolphi, Mende, Mayo, Bell etc. *) zeigten an lebenden Menschen deren
Stimmhäute durch eine Verwundung des Kehlkopfs blosgelegt waren, und Magen-
die
durch Versuche an Thieren, dass beim Stimmangeben die Stimmbänder zur Bil-
dung einer Stimmritze sich nähern müssen; Kempelens (ibid) Behauptung, dass die
Stimmritze nicht breiter als eine Linie sein dürfe, wenn ein Ton entstehen solle, bestä-
tigte J. Müller durch Untersuchungen am todten Kehlkopf in so fern er zeigte, dass
ein Luftstoss, der durch eine beträchlich erweiterte Stimmritze fährt, ein blasendes Ge-
räusch aber keinen Ton erzielt. Ferner lehrte J. Müller, dass das Stimmorgan
ungewöhnlich schwer anspricht, wenn die Athemritze offen geblieben, seien auch
sonst die Stimmhäute noch so günstig gelagert. — R. Willis **) machte darauf auf-
merksam, wie es wohl nicht genügen möchte, wenn überhaupt die Bäuder sich zur
Bildung einer Spalte zusammenlegen, sondern dass die Band ränder, die die Spalte
einschliessen, eine besondere Form besitzen müssen. — Die Mechanismen zur Bildung
der Stimmritze sind übrigens ausserordentlich mangelhaft untersucht. —

e. Zu den Bedingungen, unter denen ein Kehlkopf Töne erzeugen
kann, gehören ferner bestimmte Grenzen von Spannung in den Stimm-
häuten. Uebersteigt ihr Spannungsgrad dieselben, so spricht, selbst
wenn alle andern Umstände noch so günstig, der Ton nur sehr unvoll-
kommen und schreiend an; befindet sich der Spannungswerth dagegen
unterhalb derselben, so wird nur ein undeutliches Brummen möglich.
— Die Einrichtungen aber und Umstände, durch welche die Stimm-
häute in ihrer Spannung verändert werden können, sind verschiedener
Natur. — α) Es können die Stimmhäute durch Vergrösserung oder
Verringerung der Entfernung zwischen cartil. thyreoidea und der cart.
arytenoidea in ihrer Länge verändert und damit verschiedentlich ge-
spannt werden. Zur Veränderung der genannten Entfernung tragen
zwei Muskelpaare bei, in dem sie (Fig. 130) die cartilago thyreoidea um

[Abbildung] Fig. 130.
ihr Gelenk bei C drehen, und zwar
verkürzen die mm. thyreoarytenoidei
den genannten Abstand, während die
mm. cricothyreoidei ihn vergrössern. —
Eine mittlere Stellung der cart. thyreoi-
dea wird endlich durch das lig, crico-
thyreoideum L gegeben. Ein Theil die-
ses Spannungsapparats die mm. crico-
thyreoidei nemlich kann begreiflich in Wirksamkeit treten, mag die
Stimmritze durch die mm. cricoarytenoidei laterales oder durch die mm.
thyreoarytenoidei gestellt sein; im letztern Fall, wo den mm. cricothy-
reoidei Antagonisten entgegentreten, wird dann nur die Differenz der
gerade verwendeten Kräfte beider Muskelpaare der Längenausdehnung
der Stimmhäute zu Gute kommen, so dass also wenn mm. cricothyreoidei
überwiegen die mm. thyreoarytenoidei die Stellung aber nicht die Span-

*) Magendie’s Physiologie ed. Heusinger I. 243.
**) Magendie l. c p. 265.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0435" n="421"/><fw place="top" type="header">Spannung der Stimmhäute.</fw><lb/>
zwischen ihnen bleibende Ritze eng ist, während der hintere drei-<lb/>
eckige Raum so gut wie vollkommen geschlossen sein muss; J. <hi rendition="#g">Müller</hi>.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Rudolphi, Mende, Mayo, Bell</hi> etc. <note place="foot" n="*)">Magendie&#x2019;s Physiologie ed. <hi rendition="#g">Heusinger</hi> I. 243.</note> zeigten an lebenden Menschen deren<lb/>
Stimmhäute durch eine Verwundung des Kehlkopfs blosgelegt waren, und <hi rendition="#g">Magen-<lb/>
die</hi> durch Versuche an Thieren, dass beim Stimmangeben die Stimmbänder zur Bil-<lb/>
dung einer Stimmritze sich nähern müssen; <hi rendition="#g">Kempelens</hi> (ibid) Behauptung, dass die<lb/>
Stimmritze nicht breiter als eine Linie sein dürfe, wenn ein Ton entstehen solle, bestä-<lb/>
tigte J. <hi rendition="#g">Müller</hi> durch Untersuchungen am todten Kehlkopf in so fern er zeigte, dass<lb/>
ein Luftstoss, der durch eine beträchlich erweiterte Stimmritze fährt, ein blasendes Ge-<lb/>
räusch aber keinen Ton erzielt. Ferner lehrte J. <hi rendition="#g">Müller</hi>, dass das Stimmorgan<lb/>
ungewöhnlich schwer anspricht, wenn die Athemritze offen geblieben, seien auch<lb/>
sonst die Stimmhäute noch so günstig gelagert. &#x2014; R. <hi rendition="#g">Willis</hi> <note place="foot" n="**)">Magendie l. c p. 265.</note> machte darauf auf-<lb/>
merksam, wie es wohl nicht genügen möchte, wenn überhaupt die Bäuder sich zur<lb/>
Bildung einer Spalte zusammenlegen, sondern dass die Band <hi rendition="#g">ränder</hi>, die die Spalte<lb/>
einschliessen, eine besondere Form besitzen müssen. &#x2014; Die Mechanismen zur Bildung<lb/>
der Stimmritze sind übrigens ausserordentlich mangelhaft untersucht. &#x2014;</p><lb/>
              <p>e. Zu den Bedingungen, unter denen ein Kehlkopf Töne erzeugen<lb/>
kann, gehören ferner bestimmte Grenzen von Spannung in den Stimm-<lb/>
häuten. Uebersteigt ihr Spannungsgrad dieselben, so spricht, selbst<lb/>
wenn alle andern Umstände noch so günstig, der Ton nur sehr unvoll-<lb/>
kommen und schreiend an; befindet sich der Spannungswerth dagegen<lb/>
unterhalb derselben, so wird nur ein undeutliches Brummen möglich.<lb/>
&#x2014; Die Einrichtungen aber und Umstände, durch welche die Stimm-<lb/>
häute in ihrer Spannung verändert werden können, sind verschiedener<lb/>
Natur. &#x2014; &#x03B1;) Es können die Stimmhäute durch Vergrösserung oder<lb/>
Verringerung der Entfernung zwischen cartil. thyreoidea und der cart.<lb/>
arytenoidea in ihrer Länge verändert und damit verschiedentlich ge-<lb/>
spannt werden. Zur Veränderung der genannten Entfernung tragen<lb/>
zwei Muskelpaare bei, in dem sie (Fig. 130) die cartilago thyreoidea um<lb/><figure><head>Fig. 130.</head></figure><lb/>
ihr Gelenk bei <hi rendition="#i">C</hi> drehen, und zwar<lb/>
verkürzen die mm. thyreoarytenoidei<lb/>
den genannten Abstand, während die<lb/>
mm. cricothyreoidei ihn vergrössern. &#x2014;<lb/>
Eine mittlere Stellung der cart. thyreoi-<lb/>
dea wird endlich durch das lig, crico-<lb/>
thyreoideum <hi rendition="#i">L</hi> gegeben. Ein Theil die-<lb/>
ses Spannungsapparats die mm. crico-<lb/>
thyreoidei nemlich kann begreiflich in Wirksamkeit treten, mag die<lb/>
Stimmritze durch die mm. cricoarytenoidei laterales oder durch die mm.<lb/>
thyreoarytenoidei gestellt sein; im letztern Fall, wo den mm. cricothy-<lb/>
reoidei Antagonisten entgegentreten, wird dann nur die Differenz der<lb/>
gerade verwendeten Kräfte beider Muskelpaare der Längenausdehnung<lb/>
der Stimmhäute zu Gute kommen, so dass also wenn mm. cricothyreoidei<lb/>
überwiegen die mm. thyreoarytenoidei die Stellung aber nicht die Span-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[421/0435] Spannung der Stimmhäute. zwischen ihnen bleibende Ritze eng ist, während der hintere drei- eckige Raum so gut wie vollkommen geschlossen sein muss; J. Müller. Rudolphi, Mende, Mayo, Bell etc. *) zeigten an lebenden Menschen deren Stimmhäute durch eine Verwundung des Kehlkopfs blosgelegt waren, und Magen- die durch Versuche an Thieren, dass beim Stimmangeben die Stimmbänder zur Bil- dung einer Stimmritze sich nähern müssen; Kempelens (ibid) Behauptung, dass die Stimmritze nicht breiter als eine Linie sein dürfe, wenn ein Ton entstehen solle, bestä- tigte J. Müller durch Untersuchungen am todten Kehlkopf in so fern er zeigte, dass ein Luftstoss, der durch eine beträchlich erweiterte Stimmritze fährt, ein blasendes Ge- räusch aber keinen Ton erzielt. Ferner lehrte J. Müller, dass das Stimmorgan ungewöhnlich schwer anspricht, wenn die Athemritze offen geblieben, seien auch sonst die Stimmhäute noch so günstig gelagert. — R. Willis **) machte darauf auf- merksam, wie es wohl nicht genügen möchte, wenn überhaupt die Bäuder sich zur Bildung einer Spalte zusammenlegen, sondern dass die Band ränder, die die Spalte einschliessen, eine besondere Form besitzen müssen. — Die Mechanismen zur Bildung der Stimmritze sind übrigens ausserordentlich mangelhaft untersucht. — e. Zu den Bedingungen, unter denen ein Kehlkopf Töne erzeugen kann, gehören ferner bestimmte Grenzen von Spannung in den Stimm- häuten. Uebersteigt ihr Spannungsgrad dieselben, so spricht, selbst wenn alle andern Umstände noch so günstig, der Ton nur sehr unvoll- kommen und schreiend an; befindet sich der Spannungswerth dagegen unterhalb derselben, so wird nur ein undeutliches Brummen möglich. — Die Einrichtungen aber und Umstände, durch welche die Stimm- häute in ihrer Spannung verändert werden können, sind verschiedener Natur. — α) Es können die Stimmhäute durch Vergrösserung oder Verringerung der Entfernung zwischen cartil. thyreoidea und der cart. arytenoidea in ihrer Länge verändert und damit verschiedentlich ge- spannt werden. Zur Veränderung der genannten Entfernung tragen zwei Muskelpaare bei, in dem sie (Fig. 130) die cartilago thyreoidea um [Abbildung Fig. 130.] ihr Gelenk bei C drehen, und zwar verkürzen die mm. thyreoarytenoidei den genannten Abstand, während die mm. cricothyreoidei ihn vergrössern. — Eine mittlere Stellung der cart. thyreoi- dea wird endlich durch das lig, crico- thyreoideum L gegeben. Ein Theil die- ses Spannungsapparats die mm. crico- thyreoidei nemlich kann begreiflich in Wirksamkeit treten, mag die Stimmritze durch die mm. cricoarytenoidei laterales oder durch die mm. thyreoarytenoidei gestellt sein; im letztern Fall, wo den mm. cricothy- reoidei Antagonisten entgegentreten, wird dann nur die Differenz der gerade verwendeten Kräfte beider Muskelpaare der Längenausdehnung der Stimmhäute zu Gute kommen, so dass also wenn mm. cricothyreoidei überwiegen die mm. thyreoarytenoidei die Stellung aber nicht die Span- *) Magendie’s Physiologie ed. Heusinger I. 243. **) Magendie l. c p. 265.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/435
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/435>, abgerufen am 27.04.2024.