Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Arbeitsleistung des Muskels.
Erfahrung weiss. Aus diesem Grunde ist der Muskel nicht dazu ge-
eignet einen Körper auf den ein stetig sich wiederholender Antrieb
wirkt in seiner Bewegung derartig zu hemmen, dass er constant
dieselbe Ortlage behauptet. Der schädliche Einfluss den die Dauer
der Verkürzung mit sich führt wird dagegen sehr gemindert wenn
der verlängerte und der verkürzte Zustand im Wechsel begriffen
sind, wenn, wie man sich ausdrückt, der Muskel in einer zwischen ge-
legten Ruhezeit von der Anstrengung sich zu erholen im Stande ist. --
Da sich aber rücksichtlich dieser Umstände nichts befriedigendes sa-
gen lässt, so werden wir im Folgenden die Zeit in welcher der Muskel
seine Leistung vollführt als so klein setzen, dass wir die Ermüdung
während derselben vernachlässigen können und darum als Maass des
Nutzeffektes nur gh ansehen, d. h. das Produkt aus dem Gewicht in
diejenige Höhe, auf welche es der Muskel zu heben vermag. Zur Be-
urtheilung des Nutzeffektes in diesem Sinne dienen uns die von Ed.
Weber
gelieferten Thatsachen über die elastischen Kräfte des zusam-
mengezogenen Muskels. Wir haben dort erfahren, dass ein Muskel im
Maximum seiner Zusammenziehung kein auch noch so kleines Ge-
wicht tragen kann ohne in seiner Form verändert beziehungsweise
verlängert zu werden, mit andern Worten er kann Null Gewicht auf
das Maximum der Hubhöhe bringen. Setzen wir diesen Werth in den
Ausdruck gh, wobei h eine bekannte in Millimeter oder Zollen aus-
gedrückte Zahl, g aber Null bedeutet, so sehen wir sogleich, dass in
diesem Fall der Nutzeffekt selbst Null wird. Anderseits lernten wir
aber auch aus den Weber'schen Beobachtungen, dass derselbe Zu-
wachs an Gewichten den Muskel um einen um so geringeren Bruch-
theil seiner Länge ausdehnt, je mehr er sich schon der Form genähert
hat, welche er besass bevor er durch die Zusammenziehung dieselbe
änderte, oder umgekehrt ausgedrückt, dass der Muskel um so be-
trächtlichere Gewichte zu heben vermag, je weniger er hierbei sich
verkürzt. Daraus folgt unmittelbar dass das Maximum des Gewichtes,
welches er überhaupt heben kann, gerade an dem Punkt liegt, wo er
im Begriff ist seine Verkürzung zu beginnen. Uebersetzen wir diesen
Fall wiederum in den Ausdruck gh, so wird nun h = Null, während
g ein in Grammen oder Pfunden ausdrückbares Gewicht darstellt;
also auch hier ist das Produkt, der Nutzeffekt = Null. Aus der Dar-
stellung dieser beiden Grenzfälle können wir schliessen, dass das
Maximum des Nutzeffektes zwischen beiden liege in der Art, dass
mit abnehmender Hubhöhe, wegen möglicher Steigerung des Gewichts,
der Nutzeffekt wächst bis zu dem Punkt, wo die Abnahme der Hub-
höhe zu gross geworden, um das Steigen des Faktors der Gewichte
zu kompensiren. -- Es ist dieses der einzige allgemeine Ausdruck,
den wir für den Nutzeffekt des Muskels zu finden im Stande sind, weil
wir das Gesetz der wechselnden Ausdehnungscoeffizienten mit der

Arbeitsleistung des Muskels.
Erfahrung weiss. Aus diesem Grunde ist der Muskel nicht dazu ge-
eignet einen Körper auf den ein stetig sich wiederholender Antrieb
wirkt in seiner Bewegung derartig zu hemmen, dass er constant
dieselbe Ortlage behauptet. Der schädliche Einfluss den die Dauer
der Verkürzung mit sich führt wird dagegen sehr gemindert wenn
der verlängerte und der verkürzte Zustand im Wechsel begriffen
sind, wenn, wie man sich ausdrückt, der Muskel in einer zwischen ge-
legten Ruhezeit von der Anstrengung sich zu erholen im Stande ist. —
Da sich aber rücksichtlich dieser Umstände nichts befriedigendes sa-
gen lässt, so werden wir im Folgenden die Zeit in welcher der Muskel
seine Leistung vollführt als so klein setzen, dass wir die Ermüdung
während derselben vernachlässigen können und darum als Maass des
Nutzeffektes nur gh ansehen, d. h. das Produkt aus dem Gewicht in
diejenige Höhe, auf welche es der Muskel zu heben vermag. Zur Be-
urtheilung des Nutzeffektes in diesem Sinne dienen uns die von Ed.
Weber
gelieferten Thatsachen über die elastischen Kräfte des zusam-
mengezogenen Muskels. Wir haben dort erfahren, dass ein Muskel im
Maximum seiner Zusammenziehung kein auch noch so kleines Ge-
wicht tragen kann ohne in seiner Form verändert beziehungsweise
verlängert zu werden, mit andern Worten er kann Null Gewicht auf
das Maximum der Hubhöhe bringen. Setzen wir diesen Werth in den
Ausdruck gh, wobei h eine bekannte in Millimeter oder Zollen aus-
gedrückte Zahl, g aber Null bedeutet, so sehen wir sogleich, dass in
diesem Fall der Nutzeffekt selbst Null wird. Anderseits lernten wir
aber auch aus den Weber’schen Beobachtungen, dass derselbe Zu-
wachs an Gewichten den Muskel um einen um so geringeren Bruch-
theil seiner Länge ausdehnt, je mehr er sich schon der Form genähert
hat, welche er besass bevor er durch die Zusammenziehung dieselbe
änderte, oder umgekehrt ausgedrückt, dass der Muskel um so be-
trächtlichere Gewichte zu heben vermag, je weniger er hierbei sich
verkürzt. Daraus folgt unmittelbar dass das Maximum des Gewichtes,
welches er überhaupt heben kann, gerade an dem Punkt liegt, wo er
im Begriff ist seine Verkürzung zu beginnen. Uebersetzen wir diesen
Fall wiederum in den Ausdruck gh, so wird nun h = Null, während
g ein in Grammen oder Pfunden ausdrückbares Gewicht darstellt;
also auch hier ist das Produkt, der Nutzeffekt = Null. Aus der Dar-
stellung dieser beiden Grenzfälle können wir schliessen, dass das
Maximum des Nutzeffektes zwischen beiden liege in der Art, dass
mit abnehmender Hubhöhe, wegen möglicher Steigerung des Gewichts,
der Nutzeffekt wächst bis zu dem Punkt, wo die Abnahme der Hub-
höhe zu gross geworden, um das Steigen des Faktors der Gewichte
zu kompensiren. — Es ist dieses der einzige allgemeine Ausdruck,
den wir für den Nutzeffekt des Muskels zu finden im Stande sind, weil
wir das Gesetz der wechselnden Ausdehnungscoeffizienten mit der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0357" n="343"/><fw place="top" type="header">Arbeitsleistung des Muskels.</fw><lb/>
Erfahrung weiss. Aus diesem Grunde ist der Muskel nicht dazu ge-<lb/>
eignet einen Körper auf den ein stetig sich wiederholender Antrieb<lb/>
wirkt in seiner Bewegung derartig zu hemmen, dass er constant<lb/>
dieselbe Ortlage behauptet. Der schädliche Einfluss den die Dauer<lb/>
der Verkürzung mit sich führt wird dagegen sehr gemindert wenn<lb/>
der verlängerte und der verkürzte Zustand im Wechsel begriffen<lb/>
sind, wenn, wie man sich ausdrückt, der Muskel in einer zwischen ge-<lb/>
legten Ruhezeit von der Anstrengung sich zu erholen im Stande ist. &#x2014;<lb/>
Da sich aber rücksichtlich dieser Umstände nichts befriedigendes sa-<lb/>
gen lässt, so werden wir im Folgenden die Zeit in welcher der Muskel<lb/>
seine Leistung vollführt als so klein setzen, dass wir die Ermüdung<lb/>
während derselben vernachlässigen können und darum als Maass des<lb/>
Nutzeffektes nur <hi rendition="#i">gh</hi> ansehen, d. h. das Produkt aus dem Gewicht in<lb/>
diejenige Höhe, auf welche es der Muskel zu heben vermag. Zur Be-<lb/>
urtheilung des Nutzeffektes in diesem Sinne dienen uns die von <hi rendition="#g">Ed.<lb/>
Weber</hi> gelieferten Thatsachen über die elastischen Kräfte des zusam-<lb/>
mengezogenen Muskels. Wir haben dort erfahren, dass ein Muskel im<lb/>
Maximum seiner Zusammenziehung kein auch noch so kleines Ge-<lb/>
wicht tragen kann ohne in seiner Form verändert beziehungsweise<lb/>
verlängert zu werden, mit andern Worten er kann Null Gewicht auf<lb/>
das Maximum der Hubhöhe bringen. Setzen wir diesen Werth in den<lb/>
Ausdruck <hi rendition="#i">gh</hi>, wobei <hi rendition="#i">h</hi> eine bekannte in Millimeter oder Zollen aus-<lb/>
gedrückte Zahl, <hi rendition="#i">g</hi> aber Null bedeutet, so sehen wir sogleich, dass in<lb/>
diesem Fall der Nutzeffekt selbst Null wird. Anderseits lernten wir<lb/>
aber auch aus den <hi rendition="#g">Weber</hi>&#x2019;schen Beobachtungen, dass derselbe Zu-<lb/>
wachs an Gewichten den Muskel um einen um so geringeren Bruch-<lb/>
theil seiner Länge ausdehnt, je mehr er sich schon der Form genähert<lb/>
hat, welche er besass bevor er durch die Zusammenziehung dieselbe<lb/>
änderte, oder umgekehrt ausgedrückt, dass der Muskel um so be-<lb/>
trächtlichere Gewichte zu heben vermag, je weniger er hierbei sich<lb/>
verkürzt. Daraus folgt unmittelbar dass das Maximum des Gewichtes,<lb/>
welches er überhaupt heben kann, gerade an dem Punkt liegt, wo er<lb/>
im Begriff ist seine Verkürzung zu beginnen. Uebersetzen wir diesen<lb/>
Fall wiederum in den Ausdruck <hi rendition="#i">gh</hi>, so wird nun <hi rendition="#i">h</hi> = Null, während<lb/><hi rendition="#i">g</hi> ein in Grammen oder Pfunden ausdrückbares Gewicht darstellt;<lb/>
also auch hier ist das Produkt, der Nutzeffekt = Null. Aus der Dar-<lb/>
stellung dieser beiden Grenzfälle können wir schliessen, dass das<lb/>
Maximum des Nutzeffektes zwischen beiden liege in der Art, dass<lb/>
mit abnehmender Hubhöhe, wegen möglicher Steigerung des Gewichts,<lb/>
der Nutzeffekt wächst bis zu dem Punkt, wo die Abnahme der Hub-<lb/>
höhe zu gross geworden, um das Steigen des Faktors der Gewichte<lb/>
zu kompensiren. &#x2014; Es ist dieses der einzige allgemeine Ausdruck,<lb/>
den wir für den Nutzeffekt des Muskels zu finden im Stande sind, weil<lb/>
wir das Gesetz der wechselnden Ausdehnungscoeffizienten mit der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0357] Arbeitsleistung des Muskels. Erfahrung weiss. Aus diesem Grunde ist der Muskel nicht dazu ge- eignet einen Körper auf den ein stetig sich wiederholender Antrieb wirkt in seiner Bewegung derartig zu hemmen, dass er constant dieselbe Ortlage behauptet. Der schädliche Einfluss den die Dauer der Verkürzung mit sich führt wird dagegen sehr gemindert wenn der verlängerte und der verkürzte Zustand im Wechsel begriffen sind, wenn, wie man sich ausdrückt, der Muskel in einer zwischen ge- legten Ruhezeit von der Anstrengung sich zu erholen im Stande ist. — Da sich aber rücksichtlich dieser Umstände nichts befriedigendes sa- gen lässt, so werden wir im Folgenden die Zeit in welcher der Muskel seine Leistung vollführt als so klein setzen, dass wir die Ermüdung während derselben vernachlässigen können und darum als Maass des Nutzeffektes nur gh ansehen, d. h. das Produkt aus dem Gewicht in diejenige Höhe, auf welche es der Muskel zu heben vermag. Zur Be- urtheilung des Nutzeffektes in diesem Sinne dienen uns die von Ed. Weber gelieferten Thatsachen über die elastischen Kräfte des zusam- mengezogenen Muskels. Wir haben dort erfahren, dass ein Muskel im Maximum seiner Zusammenziehung kein auch noch so kleines Ge- wicht tragen kann ohne in seiner Form verändert beziehungsweise verlängert zu werden, mit andern Worten er kann Null Gewicht auf das Maximum der Hubhöhe bringen. Setzen wir diesen Werth in den Ausdruck gh, wobei h eine bekannte in Millimeter oder Zollen aus- gedrückte Zahl, g aber Null bedeutet, so sehen wir sogleich, dass in diesem Fall der Nutzeffekt selbst Null wird. Anderseits lernten wir aber auch aus den Weber’schen Beobachtungen, dass derselbe Zu- wachs an Gewichten den Muskel um einen um so geringeren Bruch- theil seiner Länge ausdehnt, je mehr er sich schon der Form genähert hat, welche er besass bevor er durch die Zusammenziehung dieselbe änderte, oder umgekehrt ausgedrückt, dass der Muskel um so be- trächtlichere Gewichte zu heben vermag, je weniger er hierbei sich verkürzt. Daraus folgt unmittelbar dass das Maximum des Gewichtes, welches er überhaupt heben kann, gerade an dem Punkt liegt, wo er im Begriff ist seine Verkürzung zu beginnen. Uebersetzen wir diesen Fall wiederum in den Ausdruck gh, so wird nun h = Null, während g ein in Grammen oder Pfunden ausdrückbares Gewicht darstellt; also auch hier ist das Produkt, der Nutzeffekt = Null. Aus der Dar- stellung dieser beiden Grenzfälle können wir schliessen, dass das Maximum des Nutzeffektes zwischen beiden liege in der Art, dass mit abnehmender Hubhöhe, wegen möglicher Steigerung des Gewichts, der Nutzeffekt wächst bis zu dem Punkt, wo die Abnahme der Hub- höhe zu gross geworden, um das Steigen des Faktors der Gewichte zu kompensiren. — Es ist dieses der einzige allgemeine Ausdruck, den wir für den Nutzeffekt des Muskels zu finden im Stande sind, weil wir das Gesetz der wechselnden Ausdehnungscoeffizienten mit der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/357
Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 1. Heidelberg, 1852, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie01_1852/357>, abgerufen am 26.04.2024.