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Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853.

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Der Erbförster.
Frei.
Vorurtheil, sag' ich Euch. Wenn Ihr was anstellt
und sie hängen Euch, sollt Ihr mich einen Schuft nennen
Euer Leben lang. Seht Ihr. Was man sonst einmal
Treu' und Ehrlichkeit genannt hat, das haben uns die
alten Weiber weiß gemacht. Und ein Kerl, der sein Wort
hält, das ist ein Schuft und so einem trau' ich nicht
über die Thürschwelle. Das Volk ist ehrlich an und für
sich, weil's das Volk ist. Ihr sollt nur die Herren da
reden hören; war ein Professor dabei, der muß es wissen.
Lindenschmied (führt ihn vor).
Aber mit dem Gewissen? Und von wegen mit dem
da drüben?
Frei.
Vorurtheil. Nichts weiter, sag' ich Euch.
Lindenschmied.
Hab's immer gedacht das; aber sonst durfte man so
was nicht sagen.
Frei.
Dem Volk haben sie von Himmel und Hölle weiß
gemacht, damit der gnädige Herr seine Hasen allein be-
halten sollte. Den armen Leuten haben sie von Kind an
ein Gewissen eingetrichtert, damit sie sich's gefallen lassen
sollten, wenn die Reichen herrlich und in Freuden lebten.
Lindenschmied.
Und er ist im heimlichen Grund? (Der Wirth wird auf-
merksam).
Der Erbförſter.
Frei.
Vorurtheil, ſag’ ich Euch. Wenn Ihr was anſtellt
und ſie hängen Euch, ſollt Ihr mich einen Schuft nennen
Euer Leben lang. Seht Ihr. Was man ſonſt einmal
Treu’ und Ehrlichkeit genannt hat, das haben uns die
alten Weiber weiß gemacht. Und ein Kerl, der ſein Wort
hält, das iſt ein Schuft und ſo einem trau’ ich nicht
über die Thürſchwelle. Das Volk iſt ehrlich an und für
ſich, weil’s das Volk iſt. Ihr ſollt nur die Herren da
reden hören; war ein Profeſſor dabei, der muß es wiſſen.
Lindenſchmied (führt ihn vor).
Aber mit dem Gewiſſen? Und von wegen mit dem
da drüben?
Frei.
Vorurtheil. Nichts weiter, ſag’ ich Euch.
Lindenſchmied.
Hab’s immer gedacht das; aber ſonſt durfte man ſo
was nicht ſagen.
Frei.
Dem Volk haben ſie von Himmel und Hölle weiß
gemacht, damit der gnädige Herr ſeine Haſen allein be-
halten ſollte. Den armen Leuten haben ſie von Kind an
ein Gewiſſen eingetrichtert, damit ſie ſich’s gefallen laſſen
ſollten, wenn die Reichen herrlich und in Freuden lebten.
Lindenſchmied.
Und er iſt im heimlichen Grund? (Der Wirth wird auf-
merkſam).
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[90/0104] Der Erbförſter. Frei. Vorurtheil, ſag’ ich Euch. Wenn Ihr was anſtellt und ſie hängen Euch, ſollt Ihr mich einen Schuft nennen Euer Leben lang. Seht Ihr. Was man ſonſt einmal Treu’ und Ehrlichkeit genannt hat, das haben uns die alten Weiber weiß gemacht. Und ein Kerl, der ſein Wort hält, das iſt ein Schuft und ſo einem trau’ ich nicht über die Thürſchwelle. Das Volk iſt ehrlich an und für ſich, weil’s das Volk iſt. Ihr ſollt nur die Herren da reden hören; war ein Profeſſor dabei, der muß es wiſſen. Lindenſchmied (führt ihn vor). Aber mit dem Gewiſſen? Und von wegen mit dem da drüben? Frei. Vorurtheil. Nichts weiter, ſag’ ich Euch. Lindenſchmied. Hab’s immer gedacht das; aber ſonſt durfte man ſo was nicht ſagen. Frei. Dem Volk haben ſie von Himmel und Hölle weiß gemacht, damit der gnädige Herr ſeine Haſen allein be- halten ſollte. Den armen Leuten haben ſie von Kind an ein Gewiſſen eingetrichtert, damit ſie ſich’s gefallen laſſen ſollten, wenn die Reichen herrlich und in Freuden lebten. Lindenſchmied. Und er iſt im heimlichen Grund? (Der Wirth wird auf- merkſam).

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Der Erbförster. Band 1: Dramatische Werke. Leipzig, 1853, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_erbfoerster_1853/104>, abgerufen am 26.04.2024.