weilen aus der Noth eine Tugend zu machen ist (§. 181); 2) der Hochmuth, da ein Kaufmann in der Absicht die Waaren verschleudert, damit er vor andern das Ansehen eines solchen haben will, der große Dinge thut, und viel umsetzet; 3) der Profeßionsneid, da ein Kaufmann, weil er keinen von seiner Profeßion neben sich aufkommen lassen will, zu dem Ende die Waaren verschleudert, damit er alle Käufer an sich ziehen mö- ge, und also seinem Nebenbürger, aber auch zugleich sich selbst, zum Schaden verkaufet, immaßen solches keinen Segen bringt. Jnsonderheit geschieht es von großen Capitalisten, daß sie ihre Waaren mit wenigem, oder gar keinem Profite, oftmals auch mit Schaden wegschlagen, um nur andere junge und schwache Anfänger um und neben sich dadurch auf einmal niederzuschla- gen, daß sie die Handlung nicht fortsetzen können, sondern ih- nen solche allein überlassen müssen. Ob nun wol ein solches Verfahren dergleichen Kaufleute, ihrer guten Mittel halber, nicht sonderlich drücket: so läuft es doch wider die Liebe des Nächsten.
§. 184.
Ein Ver- käufer muß kennen und wissen:
Die Hülfsmittel, deren sich ein Kaufmann mit gutem Gewissen bedienen kann und soll, den Verkauf der Waaren zu befördern, sind: 1) daß er die rechten Verkaufs- und Ab- 1) die rech- ten Ver- kaufs- und Abzugsplä- tze,zugsplätze wisse, das ist, diejenigen Oerter, wohin er seine Waaren am theuersten, oder wenigstens am häufigsten verkau- fen kann. Es ist ein ausgemachter Grundsatz: Waaren wer- den da am theuersten, oder wenigstens am häufigsten verthan, wo ihr Gebrauch am angenehmsten und noth- wendigsten ist. Die Kenntniß solcher Oerter kann ein Kauf- mann nirgends besser, als aus einer vollständigen Kaufmanns- geographie herholen, in welcher angezeiget zu finden, was die Natur und Kunst den Ländern, theils in Ansehung der nöthi- gen Erhaltung, theils zur Pflegung der Bequemlichkeit, Pracht, und Wollust, versaget, und ihre Einwohner sich deswegen von außen herzuführen lassen. Und weil eine solche Geographie noch unter die guten Wünsche gehöret (§. 13. der Einleit. zur Kaufmannschaft): so kann man indessen in unserer Akademie der Kaufleute die geographischen Artikel, ja die Artikel von jeder Waare, aufschlagen, welche größtentheils hierinnen ge- nugsame Anleitung geben.
§. 185.
2) die stärk- sten Abneh- mer.
Auch muß der Kaufmann 2) die Personen kennen, welche diese oder jene Waare vorzüglich gebrauchen. Hierzu die- net nun gar sehr, a) daß er sich den Nutzen einer jeden Waare, die er führet, bekannt mache. Denn daraus kann der Kaufmann mit leichter Mühe abnehmen, welche Profeßi- onsverwandten, oder welche sonst diejenigen sind, die seine Waaren gebrauchen, und kaufen müssen. Doch ist die bloße Kenntniß dergleichen Leute zu seinem Zwecke nicht hinlänglich,
sondern
1 Th. 9 Cap. Von dem
weilen aus der Noth eine Tugend zu machen iſt (§. 181); 2) der Hochmuth, da ein Kaufmann in der Abſicht die Waaren verſchleudert, damit er vor andern das Anſehen eines ſolchen haben will, der große Dinge thut, und viel umſetzet; 3) der Profeßionsneid, da ein Kaufmann, weil er keinen von ſeiner Profeßion neben ſich aufkommen laſſen will, zu dem Ende die Waaren verſchleudert, damit er alle Kaͤufer an ſich ziehen moͤ- ge, und alſo ſeinem Nebenbuͤrger, aber auch zugleich ſich ſelbſt, zum Schaden verkaufet, immaßen ſolches keinen Segen bringt. Jnſonderheit geſchieht es von großen Capitaliſten, daß ſie ihre Waaren mit wenigem, oder gar keinem Profite, oftmals auch mit Schaden wegſchlagen, um nur andere junge und ſchwache Anfaͤnger um und neben ſich dadurch auf einmal niederzuſchla- gen, daß ſie die Handlung nicht fortſetzen koͤnnen, ſondern ih- nen ſolche allein uͤberlaſſen muͤſſen. Ob nun wol ein ſolches Verfahren dergleichen Kaufleute, ihrer guten Mittel halber, nicht ſonderlich druͤcket: ſo laͤuft es doch wider die Liebe des Naͤchſten.
§. 184.
Ein Ver- kaͤufer muß kennen und wiſſen:
Die Huͤlfsmittel, deren ſich ein Kaufmann mit gutem Gewiſſen bedienen kann und ſoll, den Verkauf der Waaren zu befoͤrdern, ſind: 1) daß er die rechten Verkaufs- und Ab- 1) die rech- ten Ver- kaufs- und Abzugsplaͤ- tze,zugsplaͤtze wiſſe, das iſt, diejenigen Oerter, wohin er ſeine Waaren am theuerſten, oder wenigſtens am haͤufigſten verkau- fen kann. Es iſt ein ausgemachter Grundſatz: Waaren wer- den da am theuerſten, oder wenigſtens am haͤufigſten verthan, wo ihr Gebrauch am angenehmſten und noth- wendigſten iſt. Die Kenntniß ſolcher Oerter kann ein Kauf- mann nirgends beſſer, als aus einer vollſtaͤndigen Kaufmanns- geographie herholen, in welcher angezeiget zu finden, was die Natur und Kunſt den Laͤndern, theils in Anſehung der noͤthi- gen Erhaltung, theils zur Pflegung der Bequemlichkeit, Pracht, und Wolluſt, verſaget, und ihre Einwohner ſich deswegen von außen herzufuͤhren laſſen. Und weil eine ſolche Geographie noch unter die guten Wuͤnſche gehoͤret (§. 13. der Einleit. zur Kaufmannſchaft): ſo kann man indeſſen in unſerer Akademie der Kaufleute die geographiſchen Artikel, ja die Artikel von jeder Waare, aufſchlagen, welche groͤßtentheils hierinnen ge- nugſame Anleitung geben.
§. 185.
2) die ſtaͤrk- ſten Abneh- mer.
Auch muß der Kaufmann 2) die Perſonen kennen, welche dieſe oder jene Waare vorzuͤglich gebrauchen. Hierzu die- net nun gar ſehr, a) daß er ſich den Nutzen einer jeden Waare, die er fuͤhret, bekannt mache. Denn daraus kann der Kaufmann mit leichter Muͤhe abnehmen, welche Profeßi- onsverwandten, oder welche ſonſt diejenigen ſind, die ſeine Waaren gebrauchen, und kaufen muͤſſen. Doch iſt die bloße Kenntniß dergleichen Leute zu ſeinem Zwecke nicht hinlaͤnglich,
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1 Th. 9 Cap. Von dem
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verſchleudert, damit er vor andern das Anſehen eines ſolchen
haben will, der große Dinge thut, und viel umſetzet; 3) der
Profeßionsneid, da ein Kaufmann, weil er keinen von ſeiner
Profeßion neben ſich aufkommen laſſen will, zu dem Ende die
Waaren verſchleudert, damit er alle Kaͤufer an ſich ziehen moͤ-
ge, und alſo ſeinem Nebenbuͤrger, aber auch zugleich ſich ſelbſt,
zum Schaden verkaufet, immaßen ſolches keinen Segen bringt.
Jnſonderheit geſchieht es von großen Capitaliſten, daß ſie ihre
Waaren mit wenigem, oder gar keinem Profite, oftmals auch
mit Schaden wegſchlagen, um nur andere junge und ſchwache
Anfaͤnger um und neben ſich dadurch auf einmal niederzuſchla-
gen, daß ſie die Handlung nicht fortſetzen koͤnnen, ſondern ih-
nen ſolche allein uͤberlaſſen muͤſſen. Ob nun wol ein ſolches
Verfahren dergleichen Kaufleute, ihrer guten Mittel halber,
nicht ſonderlich druͤcket: ſo laͤuft es doch wider die Liebe des
Naͤchſten.
§. 184.
Die Huͤlfsmittel, deren ſich ein Kaufmann mit gutem
Gewiſſen bedienen kann und ſoll, den Verkauf der Waaren
zu befoͤrdern, ſind: 1) daß er die rechten Verkaufs- und Ab-
zugsplaͤtze wiſſe, das iſt, diejenigen Oerter, wohin er ſeine
Waaren am theuerſten, oder wenigſtens am haͤufigſten verkau-
fen kann. Es iſt ein ausgemachter Grundſatz: Waaren wer-
den da am theuerſten, oder wenigſtens am haͤufigſten
verthan, wo ihr Gebrauch am angenehmſten und noth-
wendigſten iſt. Die Kenntniß ſolcher Oerter kann ein Kauf-
mann nirgends beſſer, als aus einer vollſtaͤndigen Kaufmanns-
geographie herholen, in welcher angezeiget zu finden, was die
Natur und Kunſt den Laͤndern, theils in Anſehung der noͤthi-
gen Erhaltung, theils zur Pflegung der Bequemlichkeit, Pracht,
und Wolluſt, verſaget, und ihre Einwohner ſich deswegen von
außen herzufuͤhren laſſen. Und weil eine ſolche Geographie
noch unter die guten Wuͤnſche gehoͤret (§. 13. der Einleit. zur
Kaufmannſchaft): ſo kann man indeſſen in unſerer Akademie
der Kaufleute die geographiſchen Artikel, ja die Artikel von
jeder Waare, aufſchlagen, welche groͤßtentheils hierinnen ge-
nugſame Anleitung geben.
1) die rech-
ten Ver-
kaufs- und
Abzugsplaͤ-
tze,
§. 185.
Auch muß der Kaufmann 2) die Perſonen kennen, welche
dieſe oder jene Waare vorzuͤglich gebrauchen. Hierzu die-
net nun gar ſehr, a) daß er ſich den Nutzen einer jeden
Waare, die er fuͤhret, bekannt mache. Denn daraus kann
der Kaufmann mit leichter Muͤhe abnehmen, welche Profeßi-
onsverwandten, oder welche ſonſt diejenigen ſind, die ſeine
Waaren gebrauchen, und kaufen muͤſſen. Doch iſt die bloße
Kenntniß dergleichen Leute zu ſeinem Zwecke nicht hinlaͤnglich,
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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/720>, abgerufen am 21.11.2024.
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