enthalt die Werkstätte. Er arbeitete selbst bey dem Schiffbaue und in den Werkstätten dererjenigen Zubereitungen, wodurch das Seewesen in Aufnahme gebracht werden kann; und zwar mitten unter den schlechtesten Arbeitern. Wenn er sich mit ei- nem geschickten und erfahrnen Steuermanne unterredete, konnte niemand aufmerksamer auf alle seine Worte seyn, als der Czaar selbst, um seine Lehren genau fassen zu können. Er lernete die Art und Weise, sich des Seecompasses und der Seekarten zu be- dienen, nahm auch selbst, statt des Scepters, denn er anitzo ru- hen ließ, Ruder und Seegel in die Hand, und belustigte sich auf dem Wasser. Zu einer andern Zeit ergriff er das Weberschiff, und machte sich die Kunst bekannt, diejenigen schönen Tücher zu machen, welche die Eng- und Holländer seinen Unterthanen bis- her so theuer verkauft hatten. Bald sahe man ihn mit dem Schmiede allerhand Eisenwerk schmieden, bald auf der Drech- selbank sitzen, bald mit dem Zimmermanne die Axt führen, bald mit dem Seiler Hanf drehen, und überhaupt in allen Hand- werken, die nur die Schifffahrt und den Handel zu unterstützen fähig | sind, arbeiten. Zu einer andern Zeit bemühete er sich, durch den Umgang mit den geschicktesten Negotianten hinter die Ge- heimnisse der Wechselhandlung zu kommen. Kurz: er verwen- dete alle Augenblicke nur allein darauf, wie er vermittelst Unter- richts und Uebung die Schifffahrt, die Manufacturen und die Handlung recht begreifen möchte; und bey aller Gelegenheit suchte er in hoher Person durch vortheilhafte Versprechungen die geschicktesten Künstler und Handwerker zu gewinnen, welche er sodann nach Rußland sendete. So sehr entsagte dieser Mo- narch seiner Hoheit, um nur sein Reich mächtig und seine Un- terthanen glücklich machen zu können. Aus England begab er sich durch Holland, Cleve und Sachsen nach Wien, und wollte von da auch nach Ungarn und Jtalien gehen, als er eben we- gen eines Aufstandes in seinem Reiche, genöthiget ward, über Polen wieder nach Hause zu kehren.
§. 251.
Einladung der fremden Kauf- und Handwerks- leute nach Rußland.
Nachdem er nun die Unruhen gestillet hatte, wollte er auch sein Reich die Früchte seiner Reisen genießen lassen. Er fieng sogleich an, mit allem Eifer darauf bedacht zu seyn, wie er die Commercien daselbst in bessern Gang bringen möchte. Seine erste Unternehmung disfalls war, daß er 1702 durch ein öffent- liches Patent alle Kaufleute, Künstler und Handwerksleute unter Versprechungen aller Gnade und Freyheiten einladen ließ, sich in Rußland niederzulassen.
§. 252.
Erbauung der Stadt St. Peters- burg.
Weil auch die Lust zur Schifffahrt bey Petern dem I. von Tage zu Tage zunahm, und er gern einen festen Fuß an der Ostsee haben wollte: so fieng er 1703 den Bau einer neuen Han- delsstadt an, die er St. Petersburg nannte, und mit ge- schwinden Schritten zu einer der größten Handelsstädte an- gestiegen ist.
§. 253.
11 Cap. Von der
enthalt die Werkſtaͤtte. Er arbeitete ſelbſt bey dem Schiffbaue und in den Werkſtaͤtten dererjenigen Zubereitungen, wodurch das Seeweſen in Aufnahme gebracht werden kann; und zwar mitten unter den ſchlechteſten Arbeitern. Wenn er ſich mit ei- nem geſchickten und erfahrnen Steuermanne unterredete, konnte niemand aufmerkſamer auf alle ſeine Worte ſeyn, als der Czaar ſelbſt, um ſeine Lehren genau faſſen zu koͤnnen. Er lernete die Art und Weiſe, ſich des Seecompaſſes und der Seekarten zu be- dienen, nahm auch ſelbſt, ſtatt des Scepters, denn er anitzo ru- hen ließ, Ruder und Seegel in die Hand, und beluſtigte ſich auf dem Waſſer. Zu einer andern Zeit ergriff er das Weberſchiff, und machte ſich die Kunſt bekannt, diejenigen ſchoͤnen Tuͤcher zu machen, welche die Eng- und Hollaͤnder ſeinen Unterthanen bis- her ſo theuer verkauft hatten. Bald ſahe man ihn mit dem Schmiede allerhand Eiſenwerk ſchmieden, bald auf der Drech- ſelbank ſitzen, bald mit dem Zimmermanne die Axt fuͤhren, bald mit dem Seiler Hanf drehen, und uͤberhaupt in allen Hand- werken, die nur die Schifffahrt und den Handel zu unterſtuͤtzen faͤhig | ſind, arbeiten. Zu einer andern Zeit bemuͤhete er ſich, durch den Umgang mit den geſchickteſten Negotianten hinter die Ge- heimniſſe der Wechſelhandlung zu kommen. Kurz: er verwen- dete alle Augenblicke nur allein darauf, wie er vermittelſt Unter- richts und Uebung die Schifffahrt, die Manufacturen und die Handlung recht begreifen moͤchte; und bey aller Gelegenheit ſuchte er in hoher Perſon durch vortheilhafte Verſprechungen die geſchickteſten Kuͤnſtler und Handwerker zu gewinnen, welche er ſodann nach Rußland ſendete. So ſehr entſagte dieſer Mo- narch ſeiner Hoheit, um nur ſein Reich maͤchtig und ſeine Un- terthanen gluͤcklich machen zu koͤnnen. Aus England begab er ſich durch Holland, Cleve und Sachſen nach Wien, und wollte von da auch nach Ungarn und Jtalien gehen, als er eben we- gen eines Aufſtandes in ſeinem Reiche, genoͤthiget ward, uͤber Polen wieder nach Hauſe zu kehren.
§. 251.
Einladung der fremden Kauf- und Handwerks- leute nach Rußland.
Nachdem er nun die Unruhen geſtillet hatte, wollte er auch ſein Reich die Fruͤchte ſeiner Reiſen genießen laſſen. Er fieng ſogleich an, mit allem Eifer darauf bedacht zu ſeyn, wie er die Commercien daſelbſt in beſſern Gang bringen moͤchte. Seine erſte Unternehmung disfalls war, daß er 1702 durch ein oͤffent- liches Patent alle Kaufleute, Kuͤnſtler und Handwerksleute unter Verſprechungen aller Gnade und Freyheiten einladen ließ, ſich in Rußland niederzulaſſen.
§. 252.
Erbauung der Stadt St. Peters- burg.
Weil auch die Luſt zur Schifffahrt bey Petern dem I. von Tage zu Tage zunahm, und er gern einen feſten Fuß an der Oſtſee haben wollte: ſo fieng er 1703 den Bau einer neuen Han- delsſtadt an, die er St. Petersburg nannte, und mit ge- ſchwinden Schritten zu einer der groͤßten Handelsſtaͤdte an- geſtiegen iſt.
§. 253.
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11 Cap. Von der
enthalt die Werkſtaͤtte. Er arbeitete ſelbſt bey dem Schiffbaue
und in den Werkſtaͤtten dererjenigen Zubereitungen, wodurch
das Seeweſen in Aufnahme gebracht werden kann; und zwar
mitten unter den ſchlechteſten Arbeitern. Wenn er ſich mit ei-
nem geſchickten und erfahrnen Steuermanne unterredete, konnte
niemand aufmerkſamer auf alle ſeine Worte ſeyn, als der Czaar
ſelbſt, um ſeine Lehren genau faſſen zu koͤnnen. Er lernete die
Art und Weiſe, ſich des Seecompaſſes und der Seekarten zu be-
dienen, nahm auch ſelbſt, ſtatt des Scepters, denn er anitzo ru-
hen ließ, Ruder und Seegel in die Hand, und beluſtigte ſich auf
dem Waſſer. Zu einer andern Zeit ergriff er das Weberſchiff,
und machte ſich die Kunſt bekannt, diejenigen ſchoͤnen Tuͤcher zu
machen, welche die Eng- und Hollaͤnder ſeinen Unterthanen bis-
her ſo theuer verkauft hatten. Bald ſahe man ihn mit dem
Schmiede allerhand Eiſenwerk ſchmieden, bald auf der Drech-
ſelbank ſitzen, bald mit dem Zimmermanne die Axt fuͤhren, bald
mit dem Seiler Hanf drehen, und uͤberhaupt in allen Hand-
werken, die nur die Schifffahrt und den Handel zu unterſtuͤtzen
faͤhig | ſind, arbeiten. Zu einer andern Zeit bemuͤhete er ſich, durch
den Umgang mit den geſchickteſten Negotianten hinter die Ge-
heimniſſe der Wechſelhandlung zu kommen. Kurz: er verwen-
dete alle Augenblicke nur allein darauf, wie er vermittelſt Unter-
richts und Uebung die Schifffahrt, die Manufacturen und die
Handlung recht begreifen moͤchte; und bey aller Gelegenheit
ſuchte er in hoher Perſon durch vortheilhafte Verſprechungen
die geſchickteſten Kuͤnſtler und Handwerker zu gewinnen, welche
er ſodann nach Rußland ſendete. So ſehr entſagte dieſer Mo-
narch ſeiner Hoheit, um nur ſein Reich maͤchtig und ſeine Un-
terthanen gluͤcklich machen zu koͤnnen. Aus England begab er
ſich durch Holland, Cleve und Sachſen nach Wien, und wollte
von da auch nach Ungarn und Jtalien gehen, als er eben we-
gen eines Aufſtandes in ſeinem Reiche, genoͤthiget ward, uͤber
Polen wieder nach Hauſe zu kehren.
§. 251.
Nachdem er nun die Unruhen geſtillet hatte, wollte er auch
ſein Reich die Fruͤchte ſeiner Reiſen genießen laſſen. Er fieng
ſogleich an, mit allem Eifer darauf bedacht zu ſeyn, wie er die
Commercien daſelbſt in beſſern Gang bringen moͤchte. Seine
erſte Unternehmung disfalls war, daß er 1702 durch ein oͤffent-
liches Patent alle Kaufleute, Kuͤnſtler und Handwerksleute unter
Verſprechungen aller Gnade und Freyheiten einladen ließ, ſich
in Rußland niederzulaſſen.
§. 252.
Weil auch die Luſt zur Schifffahrt bey Petern dem I. von
Tage zu Tage zunahm, und er gern einen feſten Fuß an der
Oſtſee haben wollte: ſo fieng er 1703 den Bau einer neuen Han-
delsſtadt an, die er St. Petersburg nannte, und mit ge-
ſchwinden Schritten zu einer der groͤßten Handelsſtaͤdte an-
geſtiegen iſt.
§. 253.
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Ludovici, Carl Günther: Eröffnete Akademie der Kaufleute, oder vollständiges Kaufmanns-Lexicon. Bd. 5. Leipzig, 1756, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludovici_grundriss_1756/1180>, abgerufen am 21.11.2024.
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