Es ist mein liebes junges Hertz, kein Wunder, daß eine Menge der Kindern stirbet; das aber ist ein Wunder der Liebe unsers Heylandes, daß so viele Kinder bey Leben bleiben; dann kein Mensch wäre so gedultig, daß er einem jungen Wolff das Leben schen- cken wurde, wann er vorher wuste, daß er ihn und seine Kinder nur beissen, auch keine andere als Wolf- fes Art und Sitten sich wurde wollen angewehnen lassen. Doch ist dis noch ein weit grösseres Wunder des lieb-vollesten Hertzens JEsu, daß er nicht nur dich, in deinen so verächtlichen Betragen gegen ihne, gnädig getragen, und ohngeachtet du demselben sein köstliches Abendmahl und theure Heyls-Schätze 8. bis zehen und mehr Jahre lang hast stehen, und vom Geschmeiß des Fleisches-Sinnes die zärteste Blü- the deines Lebens, deine holde Kindheit wegfressen lassen, dannoch sein angedrohetes wohl-verdientes Gericht an dir nicht ausgeführet hat; da er ja dein Hertz hätte können ins Ankleben der sichtbaren Ver- gänglichkeiten gantz versincken und in des Teuffels Stricken so tief verwickelt werden lassen, daß du we- der Lust noch Kust mehr in denen Unterweisungen von Christo, den Weg der Seligkeit, gefunden, hättest; zumalen da der grosse reiche HErr Himmels und der Erden gedonnert und gesprochen hat: Sie sollen von meinem Abendmal nichts schmecken/ Luc. 14, 25. Sondern daß er auch über das dein verführtes und verstricktes Hertz noch in so weit aus- wickelt, daß dir deine Seelen-Gefahr aufreucht, und das Zeugniß seiner Liebe dir noch so zu Hertzen gehet, daß auch noch etwas von dem Häng-Thau seiner
himm-
B 4
der Verfuͤhrung der Jugend.
§. 10.
Es iſt mein liebes junges Hertz, kein Wunder, daß eine Menge der Kindern ſtirbet; das aber iſt ein Wunder der Liebe unſers Heylandes, daß ſo viele Kinder bey Leben bleiben; dann kein Menſch waͤre ſo gedultig, daß er einem jungen Wolff das Leben ſchen- cken wurde, wann er vorher wuſte, daß er ihn und ſeine Kinder nur beiſſen, auch keine andere als Wolf- fes Art und Sitten ſich wurde wollen angewehnen laſſen. Doch iſt dis noch ein weit groͤſſeres Wunder des lieb-volleſten Hertzens JEſu, daß er nicht nur dich, in deinen ſo veraͤchtlichen Betragen gegen ihne, gnaͤdig getragen, und ohngeachtet du demſelben ſein koͤſtliches Abendmahl und theure Heyls-Schaͤtze 8. bis zehen und mehr Jahre lang haſt ſtehen, und vom Geſchmeiß des Fleiſches-Sinnes die zaͤrteſte Bluͤ- the deines Lebens, deine holde Kindheit wegfreſſen laſſen, dannoch ſein angedrohetes wohl-verdientes Gericht an dir nicht ausgefuͤhret hat; da er ja dein Hertz haͤtte koͤnnen ins Ankleben der ſichtbaren Ver- gaͤnglichkeiten gantz verſincken und in des Teuffels Stricken ſo tief verwickelt werden laſſen, daß du we- der Luſt noch Kuſt mehr in denen Unterweiſungen von Chriſto, den Weg der Seligkeit, gefunden, haͤtteſt; zumalen da der groſſe reiche HErr Himmels und der Erden gedonnert und geſprochen hat: Sie ſollen von meinem Abendmal nichts ſchmecken/ Luc. 14, 25. Sondern daß er auch uͤber das dein verfuͤhrtes und verſtricktes Hertz noch in ſo weit aus- wickelt, daß dir deine Seelen-Gefahr aufreucht, und das Zeugniß ſeiner Liebe dir noch ſo zu Hertzen gehet, daß auch noch etwas von dem Haͤng-Thau ſeiner
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der Verfuͤhrung der Jugend.
§. 10.
Es iſt mein liebes junges Hertz, kein Wunder,
daß eine Menge der Kindern ſtirbet; das aber iſt ein
Wunder der Liebe unſers Heylandes, daß ſo viele
Kinder bey Leben bleiben; dann kein Menſch waͤre ſo
gedultig, daß er einem jungen Wolff das Leben ſchen-
cken wurde, wann er vorher wuſte, daß er ihn und
ſeine Kinder nur beiſſen, auch keine andere als Wolf-
fes Art und Sitten ſich wurde wollen angewehnen
laſſen. Doch iſt dis noch ein weit groͤſſeres Wunder
des lieb-volleſten Hertzens JEſu, daß er nicht nur
dich, in deinen ſo veraͤchtlichen Betragen gegen ihne,
gnaͤdig getragen, und ohngeachtet du demſelben ſein
koͤſtliches Abendmahl und theure Heyls-Schaͤtze
8. bis zehen und mehr Jahre lang haſt ſtehen, und vom
Geſchmeiß des Fleiſches-Sinnes die zaͤrteſte Bluͤ-
the deines Lebens, deine holde Kindheit wegfreſſen
laſſen, dannoch ſein angedrohetes wohl-verdientes
Gericht an dir nicht ausgefuͤhret hat; da er ja dein
Hertz haͤtte koͤnnen ins Ankleben der ſichtbaren Ver-
gaͤnglichkeiten gantz verſincken und in des Teuffels
Stricken ſo tief verwickelt werden laſſen, daß du we-
der Luſt noch Kuſt mehr in denen Unterweiſungen von
Chriſto, den Weg der Seligkeit, gefunden, haͤtteſt;
zumalen da der groſſe reiche HErr Himmels und der
Erden gedonnert und geſprochen hat: Sie ſollen
von meinem Abendmal nichts ſchmecken/
Luc. 14, 25. Sondern daß er auch uͤber das dein
verfuͤhrtes und verſtricktes Hertz noch in ſo weit aus-
wickelt, daß dir deine Seelen-Gefahr aufreucht, und
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daß auch noch etwas von dem Haͤng-Thau ſeiner
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/41>, abgerufen am 21.12.2024.
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