Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 1. Die erste Quelle
Sinn JESU recht lüsterend worden, nachdem er
dessen Schönheit, Anmuth, Herrlichkeit, Ruhm,
Frieden und Licht-volles majestätisches Wesen et-
welcher massen erblicket hatte. Er hat aber wohl
mehrere seines gleichen unter den Töchtern/ die in
ihrer zarten Jugend recht gute Bewegungen haben,
ihr gantzes Hertz an JEsum zu übergeben, und mit
ihme sich innigst zu verbinden: Die geistlichen Dinge
sind ihme recht schmackhafft, und sie lassen auch bey
der Anhörung und Betrachtung derselben Andacht
und Eifer blicken; fürnemlich wann sie zum Heil.
Abendmal unterwiesen und das erstemal zugelassen
werden. Man fühlet die Gegenwart der hieligen
Engeln und ein inniges Wohl, alldieweil man sotha-
nem feinem Hertzen von Christo, vom Himmel, von
der Seligkeit der Neu-Gebohrnen, u. s. w. spricht:
Jhre Hertzen sind weich wie Wachs, und nehmen
den Eindruck von göttlichen Wahrheiten gern an,
so daß man Wunder erwarten möchte, wie Christi
schönste Gestalt in ihnen auf den Thron kommen
werde.

§. 5.

Aber ach! wie kläglich ändert es sich allgemach mit
den meisten solcherley junger Hertzen, bey welchen
nur allzubald auf diese schöne Morgen-Röthe ein gar-
stiges Sünden-Gewitter folget; die schändliche
Erb-Sünde, die böse Natur sich offenbaret; Geitz,
Neid, Hochmuth, Wollust, Groll, Heucheley,
u. s. f. als ein schädliches Unkraut den Kopff herfür
strecket, und über den guten Weitzen Oberhand ge-
winnet, ihn zu ersticken, also daß nach einigen Jah-
ren wenig mehr Gutes, ja nichts als leere Spreuer

anzu-

Cap. 1. Die erſte Quelle
Sinn JESU recht luͤſterend worden, nachdem er
deſſen Schoͤnheit, Anmuth, Herrlichkeit, Ruhm,
Frieden und Licht-volles majeſtaͤtiſches Weſen et-
welcher maſſen erblicket hatte. Er hat aber wohl
mehrere ſeines gleichen unter den Toͤchtern/ die in
ihrer zarten Jugend recht gute Bewegungen haben,
ihr gantzes Hertz an JEſum zu uͤbergeben, und mit
ihme ſich innigſt zu verbinden: Die geiſtlichen Dinge
ſind ihme recht ſchmackhafft, und ſie laſſen auch bey
der Anhoͤrung und Betrachtung derſelben Andacht
und Eifer blicken; fuͤrnemlich wann ſie zum Heil.
Abendmal unterwieſen und das erſtemal zugelaſſen
werden. Man fuͤhlet die Gegenwart der hieligen
Engeln und ein inniges Wohl, alldieweil man ſotha-
nem feinem Hertzen von Chriſto, vom Himmel, von
der Seligkeit der Neu-Gebohrnen, u. ſ. w. ſpricht:
Jhre Hertzen ſind weich wie Wachs, und nehmen
den Eindruck von goͤttlichen Wahrheiten gern an,
ſo daß man Wunder erwarten moͤchte, wie Chriſti
ſchoͤnſte Geſtalt in ihnen auf den Thron kommen
werde.

§. 5.

Aber ach! wie klaͤglich aͤndert es ſich allgemach mit
den meiſten ſolcherley junger Hertzen, bey welchen
nur allzubald auf dieſe ſchoͤne Morgen-Roͤthe ein gar-
ſtiges Suͤnden-Gewitter folget; die ſchaͤndliche
Erb-Suͤnde, die boͤſe Natur ſich offenbaret; Geitz,
Neid, Hochmuth, Wolluſt, Groll, Heucheley,
u. ſ. f. als ein ſchaͤdliches Unkraut den Kopff herfuͤr
ſtrecket, und uͤber den guten Weitzen Oberhand ge-
winnet, ihn zu erſticken, alſo daß nach einigen Jah-
ren wenig mehr Gutes, ja nichts als leere Spreuer

anzu-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0036" n="18"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 1. Die er&#x017F;te Quelle</hi></fw><lb/>
Sinn JESU recht lu&#x0364;&#x017F;terend worden, nachdem er<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Scho&#x0364;nheit, Anmuth, Herrlichkeit, Ruhm,<lb/>
Frieden und Licht-volles maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;ches We&#x017F;en et-<lb/>
welcher ma&#x017F;&#x017F;en erblicket hatte. Er hat aber wohl<lb/>
mehrere &#x017F;eines gleichen unter den <hi rendition="#fr">To&#x0364;chtern/</hi> die in<lb/>
ihrer zarten Jugend recht gute Bewegungen haben,<lb/>
ihr gantzes Hertz an JE&#x017F;um zu u&#x0364;bergeben, und mit<lb/>
ihme &#x017F;ich innig&#x017F;t zu verbinden: Die gei&#x017F;tlichen Dinge<lb/>
&#x017F;ind ihme recht &#x017F;chmackhafft, und &#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en auch bey<lb/>
der Anho&#x0364;rung und Betrachtung der&#x017F;elben Andacht<lb/>
und Eifer blicken; fu&#x0364;rnemlich wann &#x017F;ie zum Heil.<lb/>
Abendmal unterwie&#x017F;en und das er&#x017F;temal zugela&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werden. Man fu&#x0364;hlet die Gegenwart der hieligen<lb/>
Engeln und ein inniges Wohl, alldieweil man &#x017F;otha-<lb/>
nem feinem Hertzen von Chri&#x017F;to, vom Himmel, von<lb/>
der Seligkeit der Neu-Gebohrnen, u. &#x017F;. w. &#x017F;pricht:<lb/>
Jhre Hertzen &#x017F;ind weich wie Wachs, und nehmen<lb/>
den Eindruck von go&#x0364;ttlichen Wahrheiten gern an,<lb/>
&#x017F;o daß man Wunder erwarten mo&#x0364;chte, wie Chri&#x017F;ti<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Ge&#x017F;talt in ihnen auf den Thron kommen<lb/>
werde.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 5.</head><lb/>
          <p>Aber ach! wie kla&#x0364;glich a&#x0364;ndert es &#x017F;ich allgemach mit<lb/>
den mei&#x017F;ten &#x017F;olcherley junger Hertzen, bey welchen<lb/>
nur allzubald auf die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne Morgen-Ro&#x0364;the ein gar-<lb/>
&#x017F;tiges Su&#x0364;nden-Gewitter folget; die &#x017F;cha&#x0364;ndliche<lb/>
Erb-Su&#x0364;nde, die bo&#x0364;&#x017F;e Natur &#x017F;ich offenbaret; Geitz,<lb/>
Neid, Hochmuth, Wollu&#x017F;t, Groll, Heucheley,<lb/>
u. &#x017F;. f. als ein &#x017F;cha&#x0364;dliches Unkraut den Kopff herfu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;trecket, und u&#x0364;ber den guten Weitzen Oberhand ge-<lb/>
winnet, ihn zu er&#x017F;ticken, al&#x017F;o daß nach einigen Jah-<lb/>
ren wenig mehr Gutes, ja nichts als leere Spreuer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">anzu-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0036] Cap. 1. Die erſte Quelle Sinn JESU recht luͤſterend worden, nachdem er deſſen Schoͤnheit, Anmuth, Herrlichkeit, Ruhm, Frieden und Licht-volles majeſtaͤtiſches Weſen et- welcher maſſen erblicket hatte. Er hat aber wohl mehrere ſeines gleichen unter den Toͤchtern/ die in ihrer zarten Jugend recht gute Bewegungen haben, ihr gantzes Hertz an JEſum zu uͤbergeben, und mit ihme ſich innigſt zu verbinden: Die geiſtlichen Dinge ſind ihme recht ſchmackhafft, und ſie laſſen auch bey der Anhoͤrung und Betrachtung derſelben Andacht und Eifer blicken; fuͤrnemlich wann ſie zum Heil. Abendmal unterwieſen und das erſtemal zugelaſſen werden. Man fuͤhlet die Gegenwart der hieligen Engeln und ein inniges Wohl, alldieweil man ſotha- nem feinem Hertzen von Chriſto, vom Himmel, von der Seligkeit der Neu-Gebohrnen, u. ſ. w. ſpricht: Jhre Hertzen ſind weich wie Wachs, und nehmen den Eindruck von goͤttlichen Wahrheiten gern an, ſo daß man Wunder erwarten moͤchte, wie Chriſti ſchoͤnſte Geſtalt in ihnen auf den Thron kommen werde. §. 5. Aber ach! wie klaͤglich aͤndert es ſich allgemach mit den meiſten ſolcherley junger Hertzen, bey welchen nur allzubald auf dieſe ſchoͤne Morgen-Roͤthe ein gar- ſtiges Suͤnden-Gewitter folget; die ſchaͤndliche Erb-Suͤnde, die boͤſe Natur ſich offenbaret; Geitz, Neid, Hochmuth, Wolluſt, Groll, Heucheley, u. ſ. f. als ein ſchaͤdliches Unkraut den Kopff herfuͤr ſtrecket, und uͤber den guten Weitzen Oberhand ge- winnet, ihn zu erſticken, alſo daß nach einigen Jah- ren wenig mehr Gutes, ja nichts als leere Spreuer anzu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/36
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/36>, abgerufen am 21.11.2024.