Ach GOtt! wo sind die ewige Verheissungen vom Aus guß des Geistes auch über Kinder? sind dir denn die Kinder nicht mehr lieb und begehrest du ihrer Gegen-Liebe fein gar nichts? Du weist ja, lieber Vater, daß Kinder zu dem Himmelreich weder Verstand noch Hertzens-Willigkeit haben, es seye denn daß du sie darzu ziehest mit deiner vorlauffenden Gnade, und lassest sie von deinem Ernst und Gute, von deinem Zorn und Gnade etwas empfinden: Du weist auch, daß des Menschen Dichten und Trachten von Jugend auf böse ist; du sagst es selber. Ach ein Kind ihm selbst gelassen, fragt nichts nach dir du höchstes Gut, weil es dich nicht kennet, wie gut, wie süß, wie freundlich und höchst- vergnüglich du seyest, sie sind gleich ans Sündigen gewöhnt, an den Gifft vom Höllen-Pfuhl. Ach! ziehe sie doch alle mit deinen Liebes-Banden im Ver- borgenen zu dir. Kinder lassen sich leichtlich schre- cken, oder mit schönen Früchten und guten Gaben gewinnen. O mitleydiger und mittheiliger Hey- land! schrecke sie doch vom gemeinen Welt-Lauff und Sünden-Weg ab durch einen starcken Eindruck von dem künfftigen Gericht, vom Himmel und Hölle; locke sie aber auch durch deine Zucker-süsse Liebe und mit deinen edlen Früchten an dich, du himmli- scher Weinstock und Apffel-Baum. Ach! solte der Betrüger so viele Mittel zu brauchen wissen zum Verderben einfältiger Kindern? und dir, liebreicher Schöpffer, solten die Zugänge zu deinem eigenen Geschöpffe verborgen seyn, daß du nicht wissen sol- test, wie ihm beyzukommen wäre, dir dasselbe anhän-
gig
Vorbereitung.
§. 10.
Ach GOtt! wo ſind die ewige Verheiſſungen vom Aus guß des Geiſtes auch uͤber Kinder? ſind dir denn die Kinder nicht mehr lieb und begehreſt du ihrer Gegen-Liebe fein gar nichts? Du weiſt ja, lieber Vater, daß Kinder zu dem Himmelreich weder Verſtand noch Hertzens-Willigkeit haben, es ſeye denn daß du ſie darzu zieheſt mit deiner vorlauffenden Gnade, und laſſeſt ſie von deinem Ernſt und Gute, von deinem Zorn und Gnade etwas empfinden: Du weiſt auch, daß des Menſchen Dichten und Trachten von Jugend auf boͤſe iſt; du ſagſt es ſelber. Ach ein Kind ihm ſelbſt gelaſſen, fragt nichts nach dir du hoͤchſtes Gut, weil es dich nicht kennet, wie gut, wie ſuͤß, wie freundlich und hoͤchſt- vergnuͤglich du ſeyeſt, ſie ſind gleich ans Suͤndigen gewoͤhnt, an den Gifft vom Hoͤllen-Pfuhl. Ach! ziehe ſie doch alle mit deinen Liebes-Banden im Ver- borgenen zu dir. Kinder laſſen ſich leichtlich ſchre- cken, oder mit ſchoͤnen Fruͤchten und guten Gaben gewinnen. O mitleydiger und mittheiliger Hey- land! ſchrecke ſie doch vom gemeinen Welt-Lauff und Suͤnden-Weg ab durch einen ſtarcken Eindruck von dem kuͤnfftigen Gericht, vom Himmel und Hoͤlle; locke ſie aber auch durch deine Zucker-ſuͤſſe Liebe und mit deinen edlen Fruͤchten an dich, du himmli- ſcher Weinſtock und Apffel-Baum. Ach! ſolte der Betruͤger ſo viele Mittel zu brauchen wiſſen zum Verderben einfaͤltiger Kindern? und dir, liebreicher Schoͤpffer, ſolten die Zugaͤnge zu deinem eigenen Geſchoͤpffe verborgen ſeyn, daß du nicht wiſſen ſol- teſt, wie ihm beyzukommen waͤre, dir daſſelbe anhaͤn-
gig
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0028"n="10"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vorbereitung.</hi></fw><lb/><divn="2"><head>§. 10.</head><lb/><p>Ach GOtt! wo ſind die ewige Verheiſſungen<lb/>
vom <hirendition="#fr">Aus guß des Geiſtes</hi> auch uͤber <hirendition="#fr">Kinder?</hi><lb/>ſind dir denn die Kinder nicht mehr lieb und begehreſt<lb/>
du ihrer Gegen-Liebe fein gar nichts? Du weiſt ja,<lb/>
lieber Vater, daß Kinder zu dem Himmelreich weder<lb/>
Verſtand noch Hertzens-Willigkeit haben, es ſeye<lb/>
denn daß du ſie darzu zieheſt mit deiner vorlauffenden<lb/>
Gnade, und laſſeſt ſie von deinem Ernſt und Gute,<lb/>
von deinem Zorn und Gnade etwas empfinden:<lb/>
Du weiſt auch, daß des Menſchen <hirendition="#fr">Dichten und<lb/>
Trachten von Jugend auf boͤſe iſt;</hi> du ſagſt<lb/>
es ſelber. Ach ein Kind ihm ſelbſt gelaſſen, fragt<lb/>
nichts nach dir du hoͤchſtes Gut, weil es dich nicht<lb/>
kennet, wie gut, wie ſuͤß, wie freundlich und hoͤchſt-<lb/>
vergnuͤglich du ſeyeſt, ſie ſind gleich ans Suͤndigen<lb/>
gewoͤhnt, an den Gifft vom Hoͤllen-Pfuhl. Ach!<lb/>
ziehe ſie doch alle mit deinen Liebes-Banden im Ver-<lb/>
borgenen zu dir. Kinder laſſen ſich leichtlich ſchre-<lb/>
cken, oder mit ſchoͤnen Fruͤchten und guten Gaben<lb/>
gewinnen. O mitleydiger und mittheiliger Hey-<lb/>
land! ſchrecke ſie doch vom gemeinen Welt-Lauff<lb/>
und Suͤnden-Weg ab durch einen ſtarcken Eindruck<lb/>
von dem kuͤnfftigen Gericht, vom Himmel und Hoͤlle;<lb/>
locke ſie aber auch durch deine Zucker-ſuͤſſe Liebe und<lb/>
mit deinen edlen Fruͤchten an dich, du himmli-<lb/>ſcher Weinſtock und Apffel-Baum. Ach! ſolte der<lb/>
Betruͤger ſo viele Mittel zu brauchen wiſſen zum<lb/>
Verderben einfaͤltiger Kindern? und dir, liebreicher<lb/>
Schoͤpffer, ſolten die Zugaͤnge zu deinem eigenen<lb/>
Geſchoͤpffe verborgen ſeyn, daß du nicht wiſſen ſol-<lb/>
teſt, wie ihm beyzukommen waͤre, dir daſſelbe anhaͤn-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gig</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[10/0028]
Vorbereitung.
§. 10.
Ach GOtt! wo ſind die ewige Verheiſſungen
vom Aus guß des Geiſtes auch uͤber Kinder?
ſind dir denn die Kinder nicht mehr lieb und begehreſt
du ihrer Gegen-Liebe fein gar nichts? Du weiſt ja,
lieber Vater, daß Kinder zu dem Himmelreich weder
Verſtand noch Hertzens-Willigkeit haben, es ſeye
denn daß du ſie darzu zieheſt mit deiner vorlauffenden
Gnade, und laſſeſt ſie von deinem Ernſt und Gute,
von deinem Zorn und Gnade etwas empfinden:
Du weiſt auch, daß des Menſchen Dichten und
Trachten von Jugend auf boͤſe iſt; du ſagſt
es ſelber. Ach ein Kind ihm ſelbſt gelaſſen, fragt
nichts nach dir du hoͤchſtes Gut, weil es dich nicht
kennet, wie gut, wie ſuͤß, wie freundlich und hoͤchſt-
vergnuͤglich du ſeyeſt, ſie ſind gleich ans Suͤndigen
gewoͤhnt, an den Gifft vom Hoͤllen-Pfuhl. Ach!
ziehe ſie doch alle mit deinen Liebes-Banden im Ver-
borgenen zu dir. Kinder laſſen ſich leichtlich ſchre-
cken, oder mit ſchoͤnen Fruͤchten und guten Gaben
gewinnen. O mitleydiger und mittheiliger Hey-
land! ſchrecke ſie doch vom gemeinen Welt-Lauff
und Suͤnden-Weg ab durch einen ſtarcken Eindruck
von dem kuͤnfftigen Gericht, vom Himmel und Hoͤlle;
locke ſie aber auch durch deine Zucker-ſuͤſſe Liebe und
mit deinen edlen Fruͤchten an dich, du himmli-
ſcher Weinſtock und Apffel-Baum. Ach! ſolte der
Betruͤger ſo viele Mittel zu brauchen wiſſen zum
Verderben einfaͤltiger Kindern? und dir, liebreicher
Schoͤpffer, ſolten die Zugaͤnge zu deinem eigenen
Geſchoͤpffe verborgen ſeyn, daß du nicht wiſſen ſol-
teſt, wie ihm beyzukommen waͤre, dir daſſelbe anhaͤn-
gig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/28>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.