noch hinten nach im Jammer verschmachten und kla- gen müssest: "Ach, das Kleinod, die Crone, das "Perlen lage vor meinen Augen, und ich konnte es "haben, eben wie Paulus und Petrus: Warum "habe ichs aber nicht? wie ist das zugegangen, daß "es nicht mehr vorhanden und dis grosse Heyl mir "entrücket worden, mithin ich den kräfftigen Ruf "und Zug darzu nicht mehr fühle? ach, warum ha- "be ichs nicht besser bedacht und von der mir nach- "rufenden Stimme meines Hirten mich ab- und hin- "gegen zu dem Seelen-Wolff zugekehret? in welch "entsetzliches Elend hat mich meine Unachtsamkeit "gestürtzet etc. etc."
§. 8.
Nimmst du also wahr, was des Schöpffers und Seligmachers Vorhaben mit dir seye: so ist
II. Nöthig, daß du es nicht bey etwelcher Rüh- rung, guter Bewegung, Thränen etc. bleiben lässest, dir vieles darauf einbildest und denckest, welch ein gottseliges Kind du seyest, mithin glaubest, es seye nun alles richtig und geschehen, was geschehen solle. O wie manches Kind hat sich in dergleichen süssen Empfindungen gespiegelt, und von der Schlangen hoffärtige Gedancken ins Hertz einspeyen lassen, so, daß es dardurch sicher, und in des Teuffels Stricken gefangen, ja gar zuletzt verhärtet worden durch Be- trug der Sünden. Werde du denn über dem un- säglichen Schaden anderer jungen Leuten witzig, da- mit du nicht selber eine traurige Denck-Säule der un- seligsten Thorheit werden müssest. Heische deinem GOTT Beständigkeit; sintemalen nicht diejenige, welche nur jucks-weise gute Bewegungen, und bloß
zu-
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Vorbereitung.
noch hinten nach im Jammer verſchmachten und kla- gen muͤſſeſt: „Ach, das Kleinod, die Crone, das “Perlen lage vor meinen Augen, und ich konnte es “haben, eben wie Paulus und Petrus: Warum “habe ichs aber nicht? wie iſt das zugegangen, daß “es nicht mehr vorhanden und dis groſſe Heyl mir “entruͤcket worden, mithin ich den kraͤfftigen Ruf “und Zug darzu nicht mehr fuͤhle? ach, warum ha- “be ichs nicht beſſer bedacht und von der mir nach- “rufenden Stimme meines Hirten mich ab- und hin- “gegen zu dem Seelen-Wolff zugekehret? in welch “entſetzliches Elend hat mich meine Unachtſamkeit “geſtuͤrtzet ꝛc. ꝛc.‟
§. 8.
Nimmſt du alſo wahr, was des Schoͤpffers und Seligmachers Vorhaben mit dir ſeye: ſo iſt
II. Noͤthig, daß du es nicht bey etwelcher Ruͤh- rung, guter Bewegung, Thraͤnen ꝛc. bleiben laͤſſeſt, dir vieles darauf einbildeſt und denckeſt, welch ein gottſeliges Kind du ſeyeſt, mithin glaubeſt, es ſeye nun alles richtig und geſchehen, was geſchehen ſolle. O wie manches Kind hat ſich in dergleichen ſuͤſſen Empfindungen geſpiegelt, und von der Schlangen hoffaͤrtige Gedancken ins Hertz einſpeyen laſſen, ſo, daß es dardurch ſicher, und in des Teuffels Stricken gefangen, ja gar zuletzt verhaͤrtet worden durch Be- trug der Suͤnden. Werde du denn uͤber dem un- ſaͤglichen Schaden anderer jungen Leuten witzig, da- mit du nicht ſelber eine traurige Denck-Saͤule der un- ſeligſten Thorheit werden muͤſſeſt. Heiſche deinem GOTT Beſtaͤndigkeit; ſintemalen nicht diejenige, welche nur jucks-weiſe gute Bewegungen, und bloß
zu-
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Vorbereitung.
noch hinten nach im Jammer verſchmachten und kla-
gen muͤſſeſt: „Ach, das Kleinod, die Crone, das
“Perlen lage vor meinen Augen, und ich konnte es
“haben, eben wie Paulus und Petrus: Warum
“habe ichs aber nicht? wie iſt das zugegangen, daß
“es nicht mehr vorhanden und dis groſſe Heyl mir
“entruͤcket worden, mithin ich den kraͤfftigen Ruf
“und Zug darzu nicht mehr fuͤhle? ach, warum ha-
“be ichs nicht beſſer bedacht und von der mir nach-
“rufenden Stimme meines Hirten mich ab- und hin-
“gegen zu dem Seelen-Wolff zugekehret? in welch
“entſetzliches Elend hat mich meine Unachtſamkeit
“geſtuͤrtzet ꝛc. ꝛc.‟
§. 8.
Nimmſt du alſo wahr, was des Schoͤpffers
und Seligmachers Vorhaben mit dir ſeye: ſo iſt
II. Noͤthig, daß du es nicht bey etwelcher Ruͤh-
rung, guter Bewegung, Thraͤnen ꝛc. bleiben laͤſſeſt,
dir vieles darauf einbildeſt und denckeſt, welch ein
gottſeliges Kind du ſeyeſt, mithin glaubeſt, es ſeye
nun alles richtig und geſchehen, was geſchehen ſolle.
O wie manches Kind hat ſich in dergleichen ſuͤſſen
Empfindungen geſpiegelt, und von der Schlangen
hoffaͤrtige Gedancken ins Hertz einſpeyen laſſen, ſo,
daß es dardurch ſicher, und in des Teuffels Stricken
gefangen, ja gar zuletzt verhaͤrtet worden durch Be-
trug der Suͤnden. Werde du denn uͤber dem un-
ſaͤglichen Schaden anderer jungen Leuten witzig, da-
mit du nicht ſelber eine traurige Denck-Saͤule der un-
ſeligſten Thorheit werden muͤſſeſt. Heiſche deinem
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Lutz, Samuel: Warnung An Die liebe Jugend. Schaffhausen, 1747, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_warnung_1747/25>, abgerufen am 17.07.2024.
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