Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.Arminius und Thußnelda. Das Andere Buch. [Spaltenumbruch]
DAs Volck kam insgemein mit ihm L 3
Arminius und Thußnelda. Das Andere Buch. [Spaltenumbruch]
DAs Volck kam insgemein mit ihm L 3
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Arminius und Thußnelda.
Das Andere Buch.
DAs Volck kam insgemein mit
nicht geringer Freude/ die Fuͤr-
ſten mit uͤberaus veraͤnderten
Gemuͤths - Regungen/ iedoch
meiſt alle mit mehrer Vergnuͤ-
gung auff des Feldherrn Burg
an/ als ſie vorher in den Deutſchburgiſchen
Heyn gediegen waren. Hertzog Herrmann
ſahe ſein Vaterland numehr durch ſeine Ver-
nunft und Tapferkeit auff den Stul der guͤldnen
Freyheit verſetzt/ ſein Haupt mit unverwelcken-
den Siegs-Kraͤntzen uͤberſchattet/ und er ſolte
nun in das Bette der wunderſchoͤnen Thußnel-
de ſchreiten; alſo ſchien er in beyden heftigſten
Gemuͤthsregungen/ nehmlich der Ehrſucht und
Liebe den hoͤchſten Zweck erlangt zu haben/ und/
nachdem ein gewuͤntſchter Ausſchlag alle Ver-
druͤßligkeiten uͤberzuckert/ konte er das erlidtene
Ungemach ſo viel leichter ihm aus dem Sinne
ſchlagen. Ja er wuſte wider das Unrecht des
Segeſthes ſich keiner ruͤhmlichern Rache zu be-
dienen/ als nach ſo vielen Wolthaten ſeine Ab-
neigung mit moͤglichſter Ehrerbietung/ und die
menſchliche Eigenſchafft mit Entaͤuſerung alles
Unwillens zu uͤberwinden/ nach dem es doch in
unſer Gewalt nicht ſtehet/ etwas/ ſo unſerm Ge-
daͤchtnuͤſſe ſchon einmal feſt eingedruͤcket iſt/ gar
zu vergeſſen. Die großmuͤthige Thußnelde
ward wegen Errettung ihres verurtheilten Va-
ters/ wegen eingelegten Ruhmes ihres Bru-
dern/ durch die Vergnuͤgung ihrer inbruͤnſtigen
Liebe von Freuden dergeſtalt uͤberſchuͤttet/ daß
ihr ſo viel Gutes mehrmals nur zu traͤumen be-
deuchtete/ und ſie daruͤbeꝛ aus angewohntem Un-
gluͤcke zu zweifeln anfing/ mehrmals auch ihre
Freudigkeit nicht allzuſehr an Tag zu geben ſich
zwingen muſte. Weil ſich aber Schwermuth
nicht ſo leicht als Freude verbergen laͤſt/ ſahe dem
Segeſthes und ſeiner ſtets geſuchten Einſamkeit
entweder der Verdruß wider ſeiner Tochter un-
vermeidliche Heyrath/ oder die Erkaͤntnuͤß ſei-
ner eigenen Schande aus den Augen. Denn
die Laſter ſind ihnen ſelbſt die aͤrgſten Hencker/
und es kan der Leib nicht ſo blutig mit Ruthen
geſtrichen werden/ als das Gewiſſen der Boß-
hafften ihre eigene Bangſamkeit peinigt. Ma-
lovend empfand zum theil auch einige Wunden
dieſer innerlichen Quaal/ daß er den Degen wi-
der ſeine Landsleute ausgezogen/ und noch nicht
allerdings verſichert zu ſeyn meynte/ ob ihm ſol-
ches ſo gar ungenoſſen ausgehen wuͤrde. Die-
ſe Schwermuth veranlaſſete den Tencteriſchen
Fuͤrſten Marcomir/ daß er den Fuͤrſten Malo-
vend auff ſeinem Zimmer heimſuchte/ und mit
dem Koͤnigs-Spiele die Verdruͤßligkeit der Zeit
zu verkuͤrtzen vornahm. Nach weniger Zeit
kam Zeno der Pontiſche und Rhemetalces der
Thraciſche Hertzog darzu/ welchem letztern be-
frembdet fuͤrkam/ daß Malovend ſeine Bekuͤm-
mernuͤſſe mit einem Spiele zu erleichtern ſuchte;
welches zwar nachdencklich und darinnen Fuͤrſt-
lich waͤre/ daß es keine knechtiſche Begierde des
Gewinns/ ſondern den einigen Ruhm des Ob-
ſiegs zum Zweck; aber keine Bewegung des Lei-
bes in ſich haͤtte/ und das Gemuͤthe eben ſo ſehr
als das wichtigſte Fuͤrnehmen beſchaͤfftigte/ alſo
in ſeiner Ernſthafftigkeit nichts weniger als ein
Spiel waͤre. Malovend antwortete Rheme-
talcen: Der Nahme des Koͤnigs-Spiels redete
ihm ſelbſt/ und ihnen/ als Fuͤrſten/ dieſes Zeit-
vertriebs halber/ das Wort; und weil es aus
Morgenland den Urſprung/ auch bey ſelbigen
Voͤlckern das groͤſte Anſehen haͤtte/ wunderte
ihn ſo viel mehr/ wie er esfuͤr ſo veraͤchtlich hielte/
da doch in ſelbtem/ als in einem Sinnbilde alle
Herrſchens-Kuͤnſte und die oberſte Botmaͤſſig-
keit der Klugheit enthalten ſeyn ſolten. Jn
welchem Abſehen ein Jndiſcher Koͤnig dem mit
ihm
L 3
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