Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870.§. 4. Das Diaconissenhaus als Schule. Obgleich wir oben gesehen haben, daß es beim Diaconissenhause Neuendettelsau zunächst gar nicht auf eine Schule und eine Bildungsanstalt angelegt war, so fehlten ihr doch die Schulen nicht. Gleich anfangs wie man noch in der Sonne wohnte, zogen Schülerinnen herzu, die Bedürfniß und Verlangen hatten, für den erwählten Beruf vorgebildet zu werden, und ehe man sich es versah, hatte man eine Schule, Lehrer und Lehrerinnen. Man hatte Herrn Doctor Schilffarth zum ärztlichen Lehrer gewonnen und der hatte sich und seinem Unterrichte ein ärztliches Progamm gewählt, wie es in den ärztlichen Organismus des Königreichs Bayern paßte. Wohlwollende Vorgesetzte hatten ihn berathen und die Bildung der Diaconissen für den Beruf der Krankenpflege schien anfangs ganz der der Bayerischen Baderschulen verwandt zu sein. Dieser Gedanke war fruchtbar und an ihm entwickelte sich allmählich der ganze theoretische und practische Lehrberuf des Diaconissenarztes. Das vortreffliche Lehrbuch für Diaconissen, welches der dritte Arzt des Diaconissenhauses, Doctor Riedel, herausgegeben hat, wird seine Eigenthümlichkeit und Besonderheit nicht verleugnen, aber dennoch wird ein jeder erkennen, daß es aus der Verwandtschaft ähnlicher Gedanken entsprungen ist, und daß die anfänglichen Rathschläge der ärztlichen Behörden im allgemeinen immer noch herrschen. Dazu hatten wir immer Glück, solche Aerzte zu haben, die ferne von aller Frivolität der Diaconissenjugend niemals gefährlich wurden, sondern die Form ihres Unterrichts immer in den Schranken eines sittlichen Ernstes hielten. Ich erinnere mich, bei unsrem ersten ärztlichen Lehrer mit zugehört zu haben, wie er am Auge eines Ochsen das greifliche Walten eines schöpferischen Willens §. 4. Das Diaconissenhaus als Schule. Obgleich wir oben gesehen haben, daß es beim Diaconissenhause Neuendettelsau zunächst gar nicht auf eine Schule und eine Bildungsanstalt angelegt war, so fehlten ihr doch die Schulen nicht. Gleich anfangs wie man noch in der Sonne wohnte, zogen Schülerinnen herzu, die Bedürfniß und Verlangen hatten, für den erwählten Beruf vorgebildet zu werden, und ehe man sich es versah, hatte man eine Schule, Lehrer und Lehrerinnen. Man hatte Herrn Doctor Schilffarth zum ärztlichen Lehrer gewonnen und der hatte sich und seinem Unterrichte ein ärztliches Progamm gewählt, wie es in den ärztlichen Organismus des Königreichs Bayern paßte. Wohlwollende Vorgesetzte hatten ihn berathen und die Bildung der Diaconissen für den Beruf der Krankenpflege schien anfangs ganz der der Bayerischen Baderschulen verwandt zu sein. Dieser Gedanke war fruchtbar und an ihm entwickelte sich allmählich der ganze theoretische und practische Lehrberuf des Diaconissenarztes. Das vortreffliche Lehrbuch für Diaconissen, welches der dritte Arzt des Diaconissenhauses, Doctor Riedel, herausgegeben hat, wird seine Eigenthümlichkeit und Besonderheit nicht verleugnen, aber dennoch wird ein jeder erkennen, daß es aus der Verwandtschaft ähnlicher Gedanken entsprungen ist, und daß die anfänglichen Rathschläge der ärztlichen Behörden im allgemeinen immer noch herrschen. Dazu hatten wir immer Glück, solche Aerzte zu haben, die ferne von aller Frivolität der Diaconissenjugend niemals gefährlich wurden, sondern die Form ihres Unterrichts immer in den Schranken eines sittlichen Ernstes hielten. 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Wohlwollende Vorgesetzte hatten ihn berathen und die Bildung der Diaconissen für den Beruf der Krankenpflege schien anfangs ganz der der Bayerischen Baderschulen verwandt zu sein. Dieser Gedanke war fruchtbar und an ihm entwickelte sich allmählich der ganze theoretische und practische Lehrberuf des Diaconissenarztes. Das vortreffliche Lehrbuch für Diaconissen, welches der dritte Arzt des Diaconissenhauses, Doctor <hi rendition="#g">Riedel</hi>, herausgegeben hat, wird seine Eigenthümlichkeit und Besonderheit nicht verleugnen, aber dennoch wird ein jeder erkennen, daß es aus der Verwandtschaft ähnlicher Gedanken entsprungen ist, und daß die anfänglichen Rathschläge der ärztlichen Behörden im allgemeinen immer noch herrschen. Dazu hatten wir immer Glück, solche Aerzte zu haben, die ferne von aller Frivolität der Diaconissenjugend niemals gefährlich wurden, sondern die Form ihres Unterrichts immer in den Schranken eines sittlichen Ernstes hielten. Ich erinnere mich, bei unsrem ersten ärztlichen Lehrer mit zugehört zu haben, wie er am Auge eines Ochsen das greifliche Walten eines schöpferischen Willens </p> </div> </body> </text> </TEI> [86/0086]
§. 4.
Das Diaconissenhaus als Schule.
Obgleich wir oben gesehen haben, daß es beim Diaconissenhause Neuendettelsau zunächst gar nicht auf eine Schule und eine Bildungsanstalt angelegt war, so fehlten ihr doch die Schulen nicht. Gleich anfangs wie man noch in der Sonne wohnte, zogen Schülerinnen herzu, die Bedürfniß und Verlangen hatten, für den erwählten Beruf vorgebildet zu werden, und ehe man sich es versah, hatte man eine Schule, Lehrer und Lehrerinnen. Man hatte Herrn Doctor Schilffarth zum ärztlichen Lehrer gewonnen und der hatte sich und seinem Unterrichte ein ärztliches Progamm gewählt, wie es in den ärztlichen Organismus des Königreichs Bayern paßte. Wohlwollende Vorgesetzte hatten ihn berathen und die Bildung der Diaconissen für den Beruf der Krankenpflege schien anfangs ganz der der Bayerischen Baderschulen verwandt zu sein. Dieser Gedanke war fruchtbar und an ihm entwickelte sich allmählich der ganze theoretische und practische Lehrberuf des Diaconissenarztes. Das vortreffliche Lehrbuch für Diaconissen, welches der dritte Arzt des Diaconissenhauses, Doctor Riedel, herausgegeben hat, wird seine Eigenthümlichkeit und Besonderheit nicht verleugnen, aber dennoch wird ein jeder erkennen, daß es aus der Verwandtschaft ähnlicher Gedanken entsprungen ist, und daß die anfänglichen Rathschläge der ärztlichen Behörden im allgemeinen immer noch herrschen. Dazu hatten wir immer Glück, solche Aerzte zu haben, die ferne von aller Frivolität der Diaconissenjugend niemals gefährlich wurden, sondern die Form ihres Unterrichts immer in den Schranken eines sittlichen Ernstes hielten. Ich erinnere mich, bei unsrem ersten ärztlichen Lehrer mit zugehört zu haben, wie er am Auge eines Ochsen das greifliche Walten eines schöpferischen Willens
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