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Löhe, Wilhelm: Das Entgegenkommen zur Auferstehung der Todten. Nürnberg, 1857.

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der die 3 Scheffel Mehl durchdringt, fand sichs je mehr und mehr, daß der ganze neue Teig der Kirche vom alten Sauerteig der Welt durchdrungen wurde, und dies jammervolle Gemisch, dieser Hohn und Spott auf die Gleichnisse vom Netz und vom hochzeitlichen Kleide, sich erzeugte, das man heutzutage die Kirche Christi zu nennen wagt. Da gehört nun freilich die Hoffnung einer ersten und zweiten Wiederkunft des HErrn zu den Mährchen, die niemand mehr glaubt, und wer sie wieder wach rufen will und die Christenheit zu ihr versammeln und die schlafenden Jungfrauen wecken und das Oel der mitternächtlichen Lampen preisen und den Gesang anstimmen: "Mitternacht heißt diese Stunde," der ist ein Poet, ein Schwärmer, der nicht die Nüchternheit gibt, sondern wegnimmt und die wolbestellte Kirche im behaglichen Genusse ihres hausbackenen Glaubens stört. Freilich, es kann ja auch nicht anders sein, die Philipper, die Thessalonicher und ihre Lehrer, dieser Paulus, dieser Petrus, dieser Johannes, sie waren lauter Schwärmer, und nüchtern sind allein diejenigen, welche St. Petrus im 3. Cap. seines Abschiedsbriefes straft und verwirft, indem er ruft: "Wisset das aufs erste, daß in den letzten Tagen kommen werden Spötter, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es vom Anfang der Kreatur gewesen ist." Sie sind ja längst entschlafen, diese Väter, dieser Paulus, dieser Petrus, dieser Johannes, diese Apostel, diese ersten Gemeinen, die den Christ des HErrn gesehen und die Engel von der Wiederkunft des HErrn haben zeugen hören! 1800 Jahre sind hingegangen, und was hat sich ereignet, der Zukunft des HErrn vergleichbar? Was hat sich ereignet? Die Kirche steht, der Abfall in ihr nimmt immer zu, die Massen ergeben sich unverhohlen dem irdischen Getrieb, die Bosheit, welche Gottes Wort anfeindet, gewinnt immer mehr Ohren und Herzen für ihre Lehre; es fehlt nur, daß aus dem wogenden Meere der verderbten Völker der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens sich hebe und unter dem Zujauchzen von Stimmen

der die 3 Scheffel Mehl durchdringt, fand sichs je mehr und mehr, daß der ganze neue Teig der Kirche vom alten Sauerteig der Welt durchdrungen wurde, und dies jammervolle Gemisch, dieser Hohn und Spott auf die Gleichnisse vom Netz und vom hochzeitlichen Kleide, sich erzeugte, das man heutzutage die Kirche Christi zu nennen wagt. Da gehört nun freilich die Hoffnung einer ersten und zweiten Wiederkunft des HErrn zu den Mährchen, die niemand mehr glaubt, und wer sie wieder wach rufen will und die Christenheit zu ihr versammeln und die schlafenden Jungfrauen wecken und das Oel der mitternächtlichen Lampen preisen und den Gesang anstimmen: „Mitternacht heißt diese Stunde,“ der ist ein Poet, ein Schwärmer, der nicht die Nüchternheit gibt, sondern wegnimmt und die wolbestellte Kirche im behaglichen Genusse ihres hausbackenen Glaubens stört. Freilich, es kann ja auch nicht anders sein, die Philipper, die Thessalonicher und ihre Lehrer, dieser Paulus, dieser Petrus, dieser Johannes, sie waren lauter Schwärmer, und nüchtern sind allein diejenigen, welche St. Petrus im 3. Cap. seines Abschiedsbriefes straft und verwirft, indem er ruft: „Wisset das aufs erste, daß in den letzten Tagen kommen werden Spötter, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es vom Anfang der Kreatur gewesen ist.“ Sie sind ja längst entschlafen, diese Väter, dieser Paulus, dieser Petrus, dieser Johannes, diese Apostel, diese ersten Gemeinen, die den Christ des HErrn gesehen und die Engel von der Wiederkunft des HErrn haben zeugen hören! 1800 Jahre sind hingegangen, und was hat sich ereignet, der Zukunft des HErrn vergleichbar? Was hat sich ereignet? Die Kirche steht, der Abfall in ihr nimmt immer zu, die Massen ergeben sich unverhohlen dem irdischen Getrieb, die Bosheit, welche Gottes Wort anfeindet, gewinnt immer mehr Ohren und Herzen für ihre Lehre; es fehlt nur, daß aus dem wogenden Meere der verderbten Völker der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens sich hebe und unter dem Zujauchzen von Stimmen

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der die 3 Scheffel Mehl durchdringt, fand sichs je mehr und mehr, daß der ganze neue Teig der Kirche vom alten Sauerteig der Welt durchdrungen wurde, und dies jammervolle Gemisch, dieser Hohn und Spott auf die Gleichnisse vom Netz und vom hochzeitlichen Kleide, sich erzeugte, das man heutzutage die Kirche Christi zu nennen wagt. Da gehört nun freilich die Hoffnung einer ersten und zweiten Wiederkunft des HErrn zu den Mährchen, die niemand mehr glaubt, und wer sie wieder wach rufen will und die Christenheit zu ihr versammeln und die schlafenden Jungfrauen wecken und das Oel der mitternächtlichen Lampen preisen und den Gesang anstimmen: &#x201E;Mitternacht heißt diese Stunde,&#x201C; der ist ein Poet, ein Schwärmer, der nicht die Nüchternheit gibt, sondern wegnimmt und die wolbestellte Kirche im behaglichen Genusse ihres hausbackenen Glaubens stört. Freilich, es kann ja auch nicht anders sein, die Philipper, die Thessalonicher und ihre Lehrer, dieser Paulus, dieser Petrus, dieser Johannes, sie waren lauter Schwärmer, und nüchtern sind allein diejenigen, welche St. Petrus im 3. Cap. seines Abschiedsbriefes straft und verwirft, indem er ruft: &#x201E;Wisset das aufs erste, daß in den letzten Tagen kommen werden Spötter, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es vom Anfang der Kreatur gewesen ist.&#x201C; Sie sind ja längst entschlafen, diese Väter, dieser Paulus, dieser Petrus, dieser Johannes, diese Apostel, diese ersten Gemeinen, die den Christ des HErrn gesehen und die Engel von der Wiederkunft des HErrn haben zeugen hören! 1800 Jahre sind hingegangen, und was hat sich ereignet, der Zukunft des HErrn vergleichbar? Was hat sich ereignet? Die Kirche steht, der Abfall in ihr nimmt immer zu, die Massen ergeben sich unverhohlen dem irdischen Getrieb, die Bosheit, welche Gottes Wort anfeindet, gewinnt immer mehr Ohren und Herzen für ihre Lehre; es fehlt nur, daß aus dem wogenden Meere der verderbten Völker der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens sich hebe und unter dem Zujauchzen von Stimmen
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[17/0017] der die 3 Scheffel Mehl durchdringt, fand sichs je mehr und mehr, daß der ganze neue Teig der Kirche vom alten Sauerteig der Welt durchdrungen wurde, und dies jammervolle Gemisch, dieser Hohn und Spott auf die Gleichnisse vom Netz und vom hochzeitlichen Kleide, sich erzeugte, das man heutzutage die Kirche Christi zu nennen wagt. Da gehört nun freilich die Hoffnung einer ersten und zweiten Wiederkunft des HErrn zu den Mährchen, die niemand mehr glaubt, und wer sie wieder wach rufen will und die Christenheit zu ihr versammeln und die schlafenden Jungfrauen wecken und das Oel der mitternächtlichen Lampen preisen und den Gesang anstimmen: „Mitternacht heißt diese Stunde,“ der ist ein Poet, ein Schwärmer, der nicht die Nüchternheit gibt, sondern wegnimmt und die wolbestellte Kirche im behaglichen Genusse ihres hausbackenen Glaubens stört. Freilich, es kann ja auch nicht anders sein, die Philipper, die Thessalonicher und ihre Lehrer, dieser Paulus, dieser Petrus, dieser Johannes, sie waren lauter Schwärmer, und nüchtern sind allein diejenigen, welche St. Petrus im 3. Cap. seines Abschiedsbriefes straft und verwirft, indem er ruft: „Wisset das aufs erste, daß in den letzten Tagen kommen werden Spötter, die nach ihren eigenen Lüsten wandeln und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Zukunft? Denn nachdem die Väter entschlafen sind, bleibt es alles, wie es vom Anfang der Kreatur gewesen ist.“ Sie sind ja längst entschlafen, diese Väter, dieser Paulus, dieser Petrus, dieser Johannes, diese Apostel, diese ersten Gemeinen, die den Christ des HErrn gesehen und die Engel von der Wiederkunft des HErrn haben zeugen hören! 1800 Jahre sind hingegangen, und was hat sich ereignet, der Zukunft des HErrn vergleichbar? Was hat sich ereignet? Die Kirche steht, der Abfall in ihr nimmt immer zu, die Massen ergeben sich unverhohlen dem irdischen Getrieb, die Bosheit, welche Gottes Wort anfeindet, gewinnt immer mehr Ohren und Herzen für ihre Lehre; es fehlt nur, daß aus dem wogenden Meere der verderbten Völker der Mensch der Sünde, das Kind des Verderbens sich hebe und unter dem Zujauchzen von Stimmen

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Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Das Entgegenkommen zur Auferstehung der Todten. Nürnberg, 1857, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_entgegenkommen_1857/17>, abgerufen am 26.04.2024.