Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Allgemeine Schwere.
schwierige Untersuchungen über die Bewegungen fester Körper in
flüssigen und luftförmigen Mitteln, über den Widerstand, welche
sie von diesen Mitteln erleiden, über die Gestalt der Körper, bei
welchen dieser Widerstand am kleinsten ist; über die Bewegung
der Pendeln und der geworfenen Körper in widerstehenden Mit-
teln, über die Fortpflanzung des Schalls in der Luft, über die
Bewegung des Wassers in Röhren und Kanälen, über die Wir-
kungen des Lichts auf die Elemente der Körper u. s. w.

Dieß ist eine kurze Uebersicht des Inhalts jenes unsterblichen
Werkes. Die Größe des Gegenstandes, den er behandelt, die
edle Einfachheit des darin aufgestellten Systems, der Scharfsinn,
mit welchem diese schweren Untersuchungen durchgeführt werden,
und die Sicherheit, auf Rechnung gegründete Sicherheit der
darin aufgestellten Resultate, verleihen den Principien einen für
alle noch kommende Jahrhunderte dauernden Namen.

§. 40. (Erste Aufnahme dieses Werkes.) Dieser großen Vor-
züge ungeachtet, fanden die Principien durch mehr als fünfzig
Jahre nicht die allgemeine, günstige Aufnahme, die sie in so hohem
Grade verdienten; sie mußten vielmehr lange mit allen den Schwie-
rigkeiten kämpfen, die sich der Einführung jeder neuen Wahrheit
entgegen zu setzen pflegen. Die Irrthümer und Vorurtheile ver-
gangener Jahrhunderte hatten sich selbst der bessern Köpfe be-
mächtigt, und diese waren es vorzüglich, denn die andern ver-
standen es nicht, welche sich der Aufnahme desselben entgegen
setzten. Die sonderbare, von Descartes aufgestellte Philosophie,
die alle Erscheinungen der Natur durch Wirbel erklären wollte,
hatte ihren Scepter über ganz Europa verbreitet, und Alle eilten,
sich für ein System zu erklären, das mehr für die Imagination,
als für den Verstand gemacht war, und das die Meisten desto
leichter zu verstehen glaubten, je weniger sie es in der That ver-
standen, oder je weniger sie sich von dem Grunde dieses Glaubens
eine genügende Rechenschaft geben konnten. Newtons Theorie
im Gegentheile war ganz und allein für den Verstand berechnet,
und der Vortrag desselben war so kurz und dunkel, und erforderte
von dem Leser so viele Vorkenntnisse und Fassungskraft, daß von
allen seinen Zeitgenossen kaum zwei oder drei gefunden werden
konnten, von denen man sagen durfte, sie seyen im Stande ge-

Allgemeine Schwere.
ſchwierige Unterſuchungen über die Bewegungen feſter Körper in
flüſſigen und luftförmigen Mitteln, über den Widerſtand, welche
ſie von dieſen Mitteln erleiden, über die Geſtalt der Körper, bei
welchen dieſer Widerſtand am kleinſten iſt; über die Bewegung
der Pendeln und der geworfenen Körper in widerſtehenden Mit-
teln, über die Fortpflanzung des Schalls in der Luft, über die
Bewegung des Waſſers in Röhren und Kanälen, über die Wir-
kungen des Lichts auf die Elemente der Körper u. ſ. w.

Dieß iſt eine kurze Ueberſicht des Inhalts jenes unſterblichen
Werkes. Die Größe des Gegenſtandes, den er behandelt, die
edle Einfachheit des darin aufgeſtellten Syſtems, der Scharfſinn,
mit welchem dieſe ſchweren Unterſuchungen durchgeführt werden,
und die Sicherheit, auf Rechnung gegründete Sicherheit der
darin aufgeſtellten Reſultate, verleihen den Principien einen für
alle noch kommende Jahrhunderte dauernden Namen.

§. 40. (Erſte Aufnahme dieſes Werkes.) Dieſer großen Vor-
züge ungeachtet, fanden die Principien durch mehr als fünfzig
Jahre nicht die allgemeine, günſtige Aufnahme, die ſie in ſo hohem
Grade verdienten; ſie mußten vielmehr lange mit allen den Schwie-
rigkeiten kämpfen, die ſich der Einführung jeder neuen Wahrheit
entgegen zu ſetzen pflegen. Die Irrthümer und Vorurtheile ver-
gangener Jahrhunderte hatten ſich ſelbſt der beſſern Köpfe be-
mächtigt, und dieſe waren es vorzüglich, denn die andern ver-
ſtanden es nicht, welche ſich der Aufnahme deſſelben entgegen
ſetzten. Die ſonderbare, von Descartes aufgeſtellte Philoſophie,
die alle Erſcheinungen der Natur durch Wirbel erklären wollte,
hatte ihren Scepter über ganz Europa verbreitet, und Alle eilten,
ſich für ein Syſtem zu erklären, das mehr für die Imagination,
als für den Verſtand gemacht war, und das die Meiſten deſto
leichter zu verſtehen glaubten, je weniger ſie es in der That ver-
ſtanden, oder je weniger ſie ſich von dem Grunde dieſes Glaubens
eine genügende Rechenſchaft geben konnten. Newtons Theorie
im Gegentheile war ganz und allein für den Verſtand berechnet,
und der Vortrag deſſelben war ſo kurz und dunkel, und erforderte
von dem Leſer ſo viele Vorkenntniſſe und Faſſungskraft, daß von
allen ſeinen Zeitgenoſſen kaum zwei oder drei gefunden werden
konnten, von denen man ſagen durfte, ſie ſeyen im Stande ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0071" n="59"/><fw place="top" type="header">Allgemeine Schwere.</fw><lb/>
&#x017F;chwierige Unter&#x017F;uchungen über die Bewegungen fe&#x017F;ter Körper in<lb/>
flü&#x017F;&#x017F;igen und luftförmigen Mitteln, über den Wider&#x017F;tand, welche<lb/>
&#x017F;ie von die&#x017F;en Mitteln erleiden, über die Ge&#x017F;talt der Körper, bei<lb/>
welchen die&#x017F;er Wider&#x017F;tand am klein&#x017F;ten i&#x017F;t; über die Bewegung<lb/>
der Pendeln und der geworfenen Körper in wider&#x017F;tehenden Mit-<lb/>
teln, über die Fortpflanzung des Schalls in der Luft, über die<lb/>
Bewegung des Wa&#x017F;&#x017F;ers in Röhren und Kanälen, über die Wir-<lb/>
kungen des Lichts auf die Elemente der Körper u. &#x017F;. w.</p><lb/>
              <p>Dieß i&#x017F;t eine kurze Ueber&#x017F;icht des Inhalts jenes un&#x017F;terblichen<lb/>
Werkes. Die Größe des Gegen&#x017F;tandes, den er behandelt, die<lb/>
edle Einfachheit des darin aufge&#x017F;tellten Sy&#x017F;tems, der Scharf&#x017F;inn,<lb/>
mit welchem die&#x017F;e &#x017F;chweren Unter&#x017F;uchungen durchgeführt werden,<lb/>
und die Sicherheit, auf <hi rendition="#g">Rechnung</hi> gegründete Sicherheit der<lb/>
darin aufge&#x017F;tellten Re&#x017F;ultate, verleihen den Principien einen für<lb/>
alle noch kommende Jahrhunderte dauernden Namen.</p><lb/>
              <p>§. 40. (Er&#x017F;te Aufnahme die&#x017F;es Werkes.) Die&#x017F;er großen Vor-<lb/>
züge ungeachtet, fanden die Principien durch mehr als fünfzig<lb/>
Jahre nicht die allgemeine, gün&#x017F;tige Aufnahme, die &#x017F;ie in &#x017F;o hohem<lb/>
Grade verdienten; &#x017F;ie mußten vielmehr lange mit allen den Schwie-<lb/>
rigkeiten kämpfen, die &#x017F;ich der Einführung jeder neuen Wahrheit<lb/>
entgegen zu &#x017F;etzen pflegen. Die Irrthümer und Vorurtheile ver-<lb/>
gangener Jahrhunderte hatten &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t der be&#x017F;&#x017F;ern Köpfe be-<lb/>
mächtigt, und <hi rendition="#g">die&#x017F;e</hi> waren es vorzüglich, denn die andern ver-<lb/>
&#x017F;tanden es nicht, welche &#x017F;ich der Aufnahme de&#x017F;&#x017F;elben entgegen<lb/>
&#x017F;etzten. Die &#x017F;onderbare, von Descartes aufge&#x017F;tellte Philo&#x017F;ophie,<lb/>
die alle Er&#x017F;cheinungen der Natur durch Wirbel erklären wollte,<lb/>
hatte ihren Scepter über ganz Europa verbreitet, und Alle eilten,<lb/>
&#x017F;ich für ein Sy&#x017F;tem zu erklären, das mehr für die Imagination,<lb/>
als für den Ver&#x017F;tand gemacht war, und das die Mei&#x017F;ten de&#x017F;to<lb/>
leichter zu ver&#x017F;tehen glaubten, je weniger &#x017F;ie es in der That ver-<lb/>
&#x017F;tanden, oder je weniger &#x017F;ie &#x017F;ich von dem Grunde die&#x017F;es Glaubens<lb/>
eine genügende Rechen&#x017F;chaft geben konnten. Newtons Theorie<lb/>
im Gegentheile war ganz und allein für den <hi rendition="#g">Ver&#x017F;tand</hi> berechnet,<lb/>
und der Vortrag de&#x017F;&#x017F;elben war &#x017F;o kurz und dunkel, und erforderte<lb/>
von dem Le&#x017F;er &#x017F;o viele Vorkenntni&#x017F;&#x017F;e und Fa&#x017F;&#x017F;ungskraft, daß von<lb/>
allen &#x017F;einen Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en kaum zwei oder drei gefunden werden<lb/>
konnten, von denen man &#x017F;agen durfte, &#x017F;ie &#x017F;eyen im Stande ge-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0071] Allgemeine Schwere. ſchwierige Unterſuchungen über die Bewegungen feſter Körper in flüſſigen und luftförmigen Mitteln, über den Widerſtand, welche ſie von dieſen Mitteln erleiden, über die Geſtalt der Körper, bei welchen dieſer Widerſtand am kleinſten iſt; über die Bewegung der Pendeln und der geworfenen Körper in widerſtehenden Mit- teln, über die Fortpflanzung des Schalls in der Luft, über die Bewegung des Waſſers in Röhren und Kanälen, über die Wir- kungen des Lichts auf die Elemente der Körper u. ſ. w. Dieß iſt eine kurze Ueberſicht des Inhalts jenes unſterblichen Werkes. Die Größe des Gegenſtandes, den er behandelt, die edle Einfachheit des darin aufgeſtellten Syſtems, der Scharfſinn, mit welchem dieſe ſchweren Unterſuchungen durchgeführt werden, und die Sicherheit, auf Rechnung gegründete Sicherheit der darin aufgeſtellten Reſultate, verleihen den Principien einen für alle noch kommende Jahrhunderte dauernden Namen. §. 40. (Erſte Aufnahme dieſes Werkes.) Dieſer großen Vor- züge ungeachtet, fanden die Principien durch mehr als fünfzig Jahre nicht die allgemeine, günſtige Aufnahme, die ſie in ſo hohem Grade verdienten; ſie mußten vielmehr lange mit allen den Schwie- rigkeiten kämpfen, die ſich der Einführung jeder neuen Wahrheit entgegen zu ſetzen pflegen. Die Irrthümer und Vorurtheile ver- gangener Jahrhunderte hatten ſich ſelbſt der beſſern Köpfe be- mächtigt, und dieſe waren es vorzüglich, denn die andern ver- ſtanden es nicht, welche ſich der Aufnahme deſſelben entgegen ſetzten. Die ſonderbare, von Descartes aufgeſtellte Philoſophie, die alle Erſcheinungen der Natur durch Wirbel erklären wollte, hatte ihren Scepter über ganz Europa verbreitet, und Alle eilten, ſich für ein Syſtem zu erklären, das mehr für die Imagination, als für den Verſtand gemacht war, und das die Meiſten deſto leichter zu verſtehen glaubten, je weniger ſie es in der That ver- ſtanden, oder je weniger ſie ſich von dem Grunde dieſes Glaubens eine genügende Rechenſchaft geben konnten. Newtons Theorie im Gegentheile war ganz und allein für den Verſtand berechnet, und der Vortrag deſſelben war ſo kurz und dunkel, und erforderte von dem Leſer ſo viele Vorkenntniſſe und Faſſungskraft, daß von allen ſeinen Zeitgenoſſen kaum zwei oder drei gefunden werden konnten, von denen man ſagen durfte, ſie ſeyen im Stande ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/71
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/71>, abgerufen am 26.04.2024.