Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Ursprung des Weltsystems.
der Erde eben so fremd zu seyn scheinen, als jene der Sonne.
Diese Kometen sehen jenen Nebelmassen zuweilen so täuschend
ähnlich, daß man sie oft genug mit ihnen verwechselt hat, und
daß man sie nur durch ihre eigene Bewegung von jenen unter-
scheiden kann. Auch zeigen sie uns, wie ihre in den Aphelien
vielleicht sehr feste Masse durch die hohe Temperatur, welcher sie
in ihren Sonnennähen ausgesetzt sind, sich bis zu einer luftförmigen
Dunstwolke von einer so geringen Dichtigkeit verbreitet, daß man
durch dieselbe, ihres enormen Volums ungeachtet, doch noch die
feinsten Sterne durchblicken sieht. Warum sollte ein Zustand,
den diese Körper bei jedem ihrer Durchgänge durch das Perihe-
lium erfahren, nicht auch einmal bei der Sonne selbst zur Zeit
ihrer Entstehung möglich gewesen seyn?

Man kann daher annehmen, daß unser Sonnensystem an-
fänglich bloß aus dem Hauptkörper, aus der Sonne selbst, die
aber damals einen viel größeren Raum einnahm, bestanden habe,
und daß dieselbe von den in allen Gegenden des Weltraums
zerstreuten, ihr selbst aber fremden, Kometen umkreist worden
sey. Da sie sonach auf ihren Bahnen der Sonne mit verschiede-
nen Geschwindigkeiten und in verschiedenen Richtungen begegneten,
so mußten auch ihre Neigungen alle möglichen Lagen gegen die
Ecliptik haben, wie dieß den Beobachtungen vollkommen gemäß ist.

Nicht minder genügend wird auch dadurch die große Excentri-
cität der Bahnen dieser Kometen erklärt. Wenn sie elliptisch sind,
so müssen sie auch zugleich sehr länglich seyn, weil ihre großen
Axen wenigstens so groß, als der Durchmesser der Sonne zu der
Zeit seyn mußten, da dieser Centralkörper selbst noch so stark aus-
gedehnt war. Viele dieser Bahnen sind aber auch ohne Zweifel
hyperbolisch; allein da wir die Kometen nur dann sehen können,
wenn sie der Erde, also auch der Sonne näher kommen, so wird
in dieser Nähe der hyperbolische Bogen der Bahn, wegen der
ungemeinen Größe seiner Axe, einem parabolischen immer sehr
nahe kommen, und daher leicht mit ihm verwechselt werden
können.

Dieß mag die Ursache seyn, warum wir noch keinen Kometen
gefunden haben, dessen Bahn ganz sicher als eine hyperbolische
erkannt wurde, da im Gegentheile bei den meisten derselben

Urſprung des Weltſyſtems.
der Erde eben ſo fremd zu ſeyn ſcheinen, als jene der Sonne.
Dieſe Kometen ſehen jenen Nebelmaſſen zuweilen ſo täuſchend
ähnlich, daß man ſie oft genug mit ihnen verwechſelt hat, und
daß man ſie nur durch ihre eigene Bewegung von jenen unter-
ſcheiden kann. Auch zeigen ſie uns, wie ihre in den Aphelien
vielleicht ſehr feſte Maſſe durch die hohe Temperatur, welcher ſie
in ihren Sonnennähen ausgeſetzt ſind, ſich bis zu einer luftförmigen
Dunſtwolke von einer ſo geringen Dichtigkeit verbreitet, daß man
durch dieſelbe, ihres enormen Volums ungeachtet, doch noch die
feinſten Sterne durchblicken ſieht. Warum ſollte ein Zuſtand,
den dieſe Körper bei jedem ihrer Durchgänge durch das Perihe-
lium erfahren, nicht auch einmal bei der Sonne ſelbſt zur Zeit
ihrer Entſtehung möglich geweſen ſeyn?

Man kann daher annehmen, daß unſer Sonnenſyſtem an-
fänglich bloß aus dem Hauptkörper, aus der Sonne ſelbſt, die
aber damals einen viel größeren Raum einnahm, beſtanden habe,
und daß dieſelbe von den in allen Gegenden des Weltraums
zerſtreuten, ihr ſelbſt aber fremden, Kometen umkreist worden
ſey. Da ſie ſonach auf ihren Bahnen der Sonne mit verſchiede-
nen Geſchwindigkeiten und in verſchiedenen Richtungen begegneten,
ſo mußten auch ihre Neigungen alle möglichen Lagen gegen die
Ecliptik haben, wie dieß den Beobachtungen vollkommen gemäß iſt.

Nicht minder genügend wird auch dadurch die große Excentri-
cität der Bahnen dieſer Kometen erklärt. Wenn ſie elliptiſch ſind,
ſo müſſen ſie auch zugleich ſehr länglich ſeyn, weil ihre großen
Axen wenigſtens ſo groß, als der Durchmeſſer der Sonne zu der
Zeit ſeyn mußten, da dieſer Centralkörper ſelbſt noch ſo ſtark aus-
gedehnt war. Viele dieſer Bahnen ſind aber auch ohne Zweifel
hyperboliſch; allein da wir die Kometen nur dann ſehen können,
wenn ſie der Erde, alſo auch der Sonne näher kommen, ſo wird
in dieſer Nähe der hyperboliſche Bogen der Bahn, wegen der
ungemeinen Größe ſeiner Axe, einem paraboliſchen immer ſehr
nahe kommen, und daher leicht mit ihm verwechſelt werden
können.

Dieß mag die Urſache ſeyn, warum wir noch keinen Kometen
gefunden haben, deſſen Bahn ganz ſicher als eine hyperboliſche
erkannt wurde, da im Gegentheile bei den meiſten derſelben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0216" n="204"/><fw place="top" type="header">Ur&#x017F;prung des Welt&#x017F;y&#x017F;tems.</fw><lb/>
der Erde eben &#x017F;o fremd zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinen, als jene der Sonne.<lb/>
Die&#x017F;e Kometen &#x017F;ehen jenen Nebelma&#x017F;&#x017F;en zuweilen &#x017F;o täu&#x017F;chend<lb/>
ähnlich, daß man &#x017F;ie oft genug mit ihnen verwech&#x017F;elt hat, und<lb/>
daß man &#x017F;ie nur durch ihre eigene Bewegung von jenen unter-<lb/>
&#x017F;cheiden kann. Auch zeigen &#x017F;ie uns, wie ihre in den Aphelien<lb/>
vielleicht &#x017F;ehr fe&#x017F;te Ma&#x017F;&#x017F;e durch die hohe Temperatur, welcher &#x017F;ie<lb/>
in ihren Sonnennähen ausge&#x017F;etzt &#x017F;ind, &#x017F;ich bis zu einer luftförmigen<lb/>
Dun&#x017F;twolke von einer &#x017F;o geringen Dichtigkeit verbreitet, daß man<lb/>
durch die&#x017F;elbe, ihres enormen Volums ungeachtet, doch noch die<lb/>
fein&#x017F;ten Sterne durchblicken &#x017F;ieht. Warum &#x017F;ollte ein Zu&#x017F;tand,<lb/>
den die&#x017F;e Körper bei jedem ihrer Durchgänge durch das Perihe-<lb/>
lium erfahren, nicht auch einmal bei der Sonne &#x017F;elb&#x017F;t zur Zeit<lb/>
ihrer Ent&#x017F;tehung möglich gewe&#x017F;en &#x017F;eyn?</p><lb/>
              <p>Man kann daher annehmen, daß un&#x017F;er Sonnen&#x017F;y&#x017F;tem an-<lb/>
fänglich bloß aus dem Hauptkörper, aus der Sonne &#x017F;elb&#x017F;t, die<lb/>
aber damals einen viel größeren Raum einnahm, be&#x017F;tanden habe,<lb/>
und daß die&#x017F;elbe von den in allen Gegenden des Weltraums<lb/>
zer&#x017F;treuten, ihr &#x017F;elb&#x017F;t aber fremden, Kometen umkreist worden<lb/>
&#x017F;ey. Da &#x017F;ie &#x017F;onach auf ihren Bahnen der Sonne mit ver&#x017F;chiede-<lb/>
nen Ge&#x017F;chwindigkeiten und in ver&#x017F;chiedenen Richtungen begegneten,<lb/>
&#x017F;o mußten auch ihre Neigungen alle möglichen Lagen gegen die<lb/>
Ecliptik haben, wie dieß den Beobachtungen vollkommen gemäß i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Nicht minder genügend wird auch dadurch die große Excentri-<lb/>
cität der Bahnen die&#x017F;er Kometen erklärt. Wenn &#x017F;ie ellipti&#x017F;ch &#x017F;ind,<lb/>
&#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie auch zugleich &#x017F;ehr länglich &#x017F;eyn, weil ihre großen<lb/>
Axen wenig&#x017F;tens &#x017F;o groß, als der Durchme&#x017F;&#x017F;er der Sonne zu der<lb/>
Zeit &#x017F;eyn mußten, da die&#x017F;er Centralkörper &#x017F;elb&#x017F;t noch &#x017F;o &#x017F;tark aus-<lb/>
gedehnt war. Viele die&#x017F;er Bahnen &#x017F;ind aber auch ohne Zweifel<lb/>
hyperboli&#x017F;ch; allein da wir die Kometen nur dann &#x017F;ehen können,<lb/>
wenn &#x017F;ie der Erde, al&#x017F;o auch der Sonne näher kommen, &#x017F;o wird<lb/>
in die&#x017F;er Nähe der hyperboli&#x017F;che Bogen der Bahn, wegen der<lb/>
ungemeinen Größe &#x017F;einer Axe, einem paraboli&#x017F;chen immer &#x017F;ehr<lb/>
nahe kommen, und daher leicht mit ihm verwech&#x017F;elt werden<lb/>
können.</p><lb/>
              <p>Dieß mag die Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn, warum wir noch keinen Kometen<lb/>
gefunden haben, de&#x017F;&#x017F;en Bahn ganz &#x017F;icher als eine hyperboli&#x017F;che<lb/>
erkannt wurde, da im Gegentheile bei den mei&#x017F;ten der&#x017F;elben<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0216] Urſprung des Weltſyſtems. der Erde eben ſo fremd zu ſeyn ſcheinen, als jene der Sonne. Dieſe Kometen ſehen jenen Nebelmaſſen zuweilen ſo täuſchend ähnlich, daß man ſie oft genug mit ihnen verwechſelt hat, und daß man ſie nur durch ihre eigene Bewegung von jenen unter- ſcheiden kann. Auch zeigen ſie uns, wie ihre in den Aphelien vielleicht ſehr feſte Maſſe durch die hohe Temperatur, welcher ſie in ihren Sonnennähen ausgeſetzt ſind, ſich bis zu einer luftförmigen Dunſtwolke von einer ſo geringen Dichtigkeit verbreitet, daß man durch dieſelbe, ihres enormen Volums ungeachtet, doch noch die feinſten Sterne durchblicken ſieht. Warum ſollte ein Zuſtand, den dieſe Körper bei jedem ihrer Durchgänge durch das Perihe- lium erfahren, nicht auch einmal bei der Sonne ſelbſt zur Zeit ihrer Entſtehung möglich geweſen ſeyn? Man kann daher annehmen, daß unſer Sonnenſyſtem an- fänglich bloß aus dem Hauptkörper, aus der Sonne ſelbſt, die aber damals einen viel größeren Raum einnahm, beſtanden habe, und daß dieſelbe von den in allen Gegenden des Weltraums zerſtreuten, ihr ſelbſt aber fremden, Kometen umkreist worden ſey. Da ſie ſonach auf ihren Bahnen der Sonne mit verſchiede- nen Geſchwindigkeiten und in verſchiedenen Richtungen begegneten, ſo mußten auch ihre Neigungen alle möglichen Lagen gegen die Ecliptik haben, wie dieß den Beobachtungen vollkommen gemäß iſt. Nicht minder genügend wird auch dadurch die große Excentri- cität der Bahnen dieſer Kometen erklärt. Wenn ſie elliptiſch ſind, ſo müſſen ſie auch zugleich ſehr länglich ſeyn, weil ihre großen Axen wenigſtens ſo groß, als der Durchmeſſer der Sonne zu der Zeit ſeyn mußten, da dieſer Centralkörper ſelbſt noch ſo ſtark aus- gedehnt war. Viele dieſer Bahnen ſind aber auch ohne Zweifel hyperboliſch; allein da wir die Kometen nur dann ſehen können, wenn ſie der Erde, alſo auch der Sonne näher kommen, ſo wird in dieſer Nähe der hyperboliſche Bogen der Bahn, wegen der ungemeinen Größe ſeiner Axe, einem paraboliſchen immer ſehr nahe kommen, und daher leicht mit ihm verwechſelt werden können. Dieß mag die Urſache ſeyn, warum wir noch keinen Kometen gefunden haben, deſſen Bahn ganz ſicher als eine hyperboliſche erkannt wurde, da im Gegentheile bei den meiſten derſelben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/216
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/216>, abgerufen am 26.04.2024.