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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.
könnte. Welche Aussicht würden wir z. B. von den Gipfeln der
sechs Meilen hohen Berge der Venus genießen. Von Wien
würden wir mit einem Fernrohr bis Hamburg, Paris und Neapel
sehen, und eine Kreisfläche der Erde von mehr als hundert Meilen
überschauen können. Lange nach dem Untergange der Sonne
würden wir noch die Gipfel der benachbarten Gebirge von ihren
Strahlen vergoldet sehen, und die Schönheit dieses Schauspiels
würde noch erhöht werden durch die reinere klarere Atmosphäre, in
der wir beinahe keine matte Wolke erblicken, und in der trübe
oder regnige Tage zu den größten Seltenheiten gehören. Und
welchen Anblick mag bei dieser stets heitern Luft der gestirnte
Himmel gewähren, wo alle Sterne und Planeten in hellem Lichte
strahlen, wo die Sonne in ihrer Oberfläche viermal größer, als
bei uns, erscheint, und ein zweimal stärkeres Licht, als unsere
Mittagssonne, verbreitet. Unsere Erde selbst erscheint den Be-
wohnern der Venus zur Zeit ihrer größten Nähe, in der untern
Conjunction, neunmal größer als uns die Venus, und in ganz
vollem Lichte, in einem neunmal stärkern Lichte, als Venus in
ihrem schönsten Glanze der Erde zusendet.

§. 61. (Venusmond.) Man hat in frühern Zeiten von
einem Monde gesprochen, der die Venus auf ihrem Weg um die
Sonne begleiten soll. Fontana will ihn i. J. 1645, Dom. Cassini
1672 und wieder 1686, und Schort in England i. J. 1740 gesehen
haben, auch Montaigne, Horrebow und Andere sprechen von
ihren Beobachtungen dieses Trabanten. Da man ihn aber seitdem
bei den beiden Durchgängen der Venus vor der Sonnenscheibe,
in den Jahren 1761 und 1769, wo er doch besonders sichtbar seyn
sollte, nicht gesehen wurde, und da überhaupt alle weitern Bemühungen
der Astronomen, ihn aufzufinden, fruchtlos gewesen sind, so scheinen
die angeführten Wahrnehmungen auf einer optischen Täuschung
zu beruhen. Das Licht der Venus ist so stark, daß die polirten
Gläser der Fernröhre zuweilen eine Spiegelung desselben verur-
sachen können, wo man dann ein zweites schwächeres Bild des
Planeten erblickt, das man leicht für einen Satelliten desselben zu
halten veranlaßt werden kann. Auch Wargentin in Stockholm sah
einmal bei diesem Planeten eine ähnliche Erscheinung, aber als er,

Venus.
könnte. Welche Ausſicht würden wir z. B. von den Gipfeln der
ſechs Meilen hohen Berge der Venus genießen. Von Wien
würden wir mit einem Fernrohr bis Hamburg, Paris und Neapel
ſehen, und eine Kreisfläche der Erde von mehr als hundert Meilen
überſchauen können. Lange nach dem Untergange der Sonne
würden wir noch die Gipfel der benachbarten Gebirge von ihren
Strahlen vergoldet ſehen, und die Schönheit dieſes Schauſpiels
würde noch erhöht werden durch die reinere klarere Atmoſphäre, in
der wir beinahe keine matte Wolke erblicken, und in der trübe
oder regnige Tage zu den größten Seltenheiten gehören. Und
welchen Anblick mag bei dieſer ſtets heitern Luft der geſtirnte
Himmel gewähren, wo alle Sterne und Planeten in hellem Lichte
ſtrahlen, wo die Sonne in ihrer Oberfläche viermal größer, als
bei uns, erſcheint, und ein zweimal ſtärkeres Licht, als unſere
Mittagsſonne, verbreitet. Unſere Erde ſelbſt erſcheint den Be-
wohnern der Venus zur Zeit ihrer größten Nähe, in der untern
Conjunction, neunmal größer als uns die Venus, und in ganz
vollem Lichte, in einem neunmal ſtärkern Lichte, als Venus in
ihrem ſchönſten Glanze der Erde zuſendet.

§. 61. (Venusmond.) Man hat in frühern Zeiten von
einem Monde geſprochen, der die Venus auf ihrem Weg um die
Sonne begleiten ſoll. Fontana will ihn i. J. 1645, Dom. Caſſini
1672 und wieder 1686, und Schort in England i. J. 1740 geſehen
haben, auch Montaigne, Horrebow und Andere ſprechen von
ihren Beobachtungen dieſes Trabanten. Da man ihn aber ſeitdem
bei den beiden Durchgängen der Venus vor der Sonnenſcheibe,
in den Jahren 1761 und 1769, wo er doch beſonders ſichtbar ſeyn
ſollte, nicht geſehen wurde, und da überhaupt alle weitern Bemühungen
der Aſtronomen, ihn aufzufinden, fruchtlos geweſen ſind, ſo ſcheinen
die angeführten Wahrnehmungen auf einer optiſchen Täuſchung
zu beruhen. Das Licht der Venus iſt ſo ſtark, daß die polirten
Gläſer der Fernröhre zuweilen eine Spiegelung deſſelben verur-
ſachen können, wo man dann ein zweites ſchwächeres Bild des
Planeten erblickt, das man leicht für einen Satelliten deſſelben zu
halten veranlaßt werden kann. Auch Wargentin in Stockholm ſah
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[75/0085] Venus. könnte. Welche Ausſicht würden wir z. B. von den Gipfeln der ſechs Meilen hohen Berge der Venus genießen. Von Wien würden wir mit einem Fernrohr bis Hamburg, Paris und Neapel ſehen, und eine Kreisfläche der Erde von mehr als hundert Meilen überſchauen können. Lange nach dem Untergange der Sonne würden wir noch die Gipfel der benachbarten Gebirge von ihren Strahlen vergoldet ſehen, und die Schönheit dieſes Schauſpiels würde noch erhöht werden durch die reinere klarere Atmoſphäre, in der wir beinahe keine matte Wolke erblicken, und in der trübe oder regnige Tage zu den größten Seltenheiten gehören. Und welchen Anblick mag bei dieſer ſtets heitern Luft der geſtirnte Himmel gewähren, wo alle Sterne und Planeten in hellem Lichte ſtrahlen, wo die Sonne in ihrer Oberfläche viermal größer, als bei uns, erſcheint, und ein zweimal ſtärkeres Licht, als unſere Mittagsſonne, verbreitet. Unſere Erde ſelbſt erſcheint den Be- wohnern der Venus zur Zeit ihrer größten Nähe, in der untern Conjunction, neunmal größer als uns die Venus, und in ganz vollem Lichte, in einem neunmal ſtärkern Lichte, als Venus in ihrem ſchönſten Glanze der Erde zuſendet. §. 61. (Venusmond.) Man hat in frühern Zeiten von einem Monde geſprochen, der die Venus auf ihrem Weg um die Sonne begleiten ſoll. Fontana will ihn i. J. 1645, Dom. Caſſini 1672 und wieder 1686, und Schort in England i. J. 1740 geſehen haben, auch Montaigne, Horrebow und Andere ſprechen von ihren Beobachtungen dieſes Trabanten. Da man ihn aber ſeitdem bei den beiden Durchgängen der Venus vor der Sonnenſcheibe, in den Jahren 1761 und 1769, wo er doch beſonders ſichtbar ſeyn ſollte, nicht geſehen wurde, und da überhaupt alle weitern Bemühungen der Aſtronomen, ihn aufzufinden, fruchtlos geweſen ſind, ſo ſcheinen die angeführten Wahrnehmungen auf einer optiſchen Täuſchung zu beruhen. Das Licht der Venus iſt ſo ſtark, daß die polirten Gläſer der Fernröhre zuweilen eine Spiegelung deſſelben verur- ſachen können, wo man dann ein zweites ſchwächeres Bild des Planeten erblickt, das man leicht für einen Satelliten deſſelben zu halten veranlaßt werden kann. Auch Wargentin in Stockholm ſah einmal bei dieſem Planeten eine ähnliche Erſcheinung, aber als er,

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/85>, abgerufen am 26.04.2024.