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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Tägliche Bewegung der Erde.
die Zeit des Schwunges desto größer seyn, oder daß das Pendel desto
langsamer gehen wird, je kleiner die Kraft ist, welche diese Bewe-
gung des Pendels hervorbringt, d. h. je kleiner die Schwere der
Erde ist. Aus dieser Ursache mußte daher Richer's Pendel in
Cayenne, in der Nähe des Aequators, wo bei der rotirenden
Erde die Schwungkraft am größten, also die Schwere am kleinsten
ist, zu langsam gehen, und er mußte es verkürzen, um ihm den-
selben Gang wieder zu geben, welchen es früher in Paris unter
der größeren Breite oder unter der größeren Schwere dieser Stadt
hatte.

Am einfachsten wäre, die Länge des Fadens so lange zu än-
dern, oder was dasselbe ist, das Gewicht an der erwähnten
Metallstange auf- und abwärts zu bewegen, bis das Pendel jede
seiner Oscillationen durch den Bogen BB' genau in einer Zeit-
secunde zurücklegt, wo es dann ein Secundenpendel genannt
wird. Man hat gefunden, daß die Länge eines solchen Pendels
unter dem Aequator nahe 439,207 unter den Polen aber 441,593
Pariser Linien beträgt, deren 144 auf einen Fuß gehen. Dieser
Unterschied von nur 2,386 Linien ist allerdings sehr klein, aber
man kann ihn durch die Art, auf welche diese Pendel beobachtet
werden, mit der größten Genauigkeit bestimmen, und daher auch
die daraus folgenden Resultate mit großer Sicherheit ableiten.

Man kann nämlich, zum Vortheile und zur großen Bequem-
lichkeit für den Beobachter, irgend ein gegebenes, und in seiner
Länge unveränderliches Pendel an zwei verschiedenen Orten der
Erde schwingen lassen, und bloß mittelst einer neben derselben
aufgestellten Uhr die Anzahl der Schwingungen zählen, welche
das Pendel an den beiden Orten in derselben Zwischenzeit, z. B.
in einem ganzen Tage, vollendet, eine Beobachtung, die eben so
leicht als sicher zu machen ist, und die allein schon hinreicht, das
Verbältniß der Längen der Secundenpendeln sowohl, als auch das
der Schwere an jenen beiden Orten der Erde, mit der größten
Schärfe zu bestimmen, da dieses Verhältniß dasselbe ist, wie das
der Quadrate der Anzahl jener Schwingungen. Hätte man z. B.
bemerkt, daß irgend ein Pendel von irgend einer gegebenen Ge-
stalt und Länge unter dem Aequator in einem vollen Tage 86.400,
unter der Breite von London aber 86.535 Schwingungen macht,

Tägliche Bewegung der Erde.
die Zeit des Schwunges deſto größer ſeyn, oder daß das Pendel deſto
langſamer gehen wird, je kleiner die Kraft iſt, welche dieſe Bewe-
gung des Pendels hervorbringt, d. h. je kleiner die Schwere der
Erde iſt. Aus dieſer Urſache mußte daher Richer’s Pendel in
Cayenne, in der Nähe des Aequators, wo bei der rotirenden
Erde die Schwungkraft am größten, alſo die Schwere am kleinſten
iſt, zu langſam gehen, und er mußte es verkürzen, um ihm den-
ſelben Gang wieder zu geben, welchen es früher in Paris unter
der größeren Breite oder unter der größeren Schwere dieſer Stadt
hatte.

Am einfachſten wäre, die Länge des Fadens ſo lange zu än-
dern, oder was daſſelbe iſt, das Gewicht an der erwähnten
Metallſtange auf- und abwärts zu bewegen, bis das Pendel jede
ſeiner Oſcillationen durch den Bogen BB' genau in einer Zeit-
ſecunde zurücklegt, wo es dann ein Secundenpendel genannt
wird. Man hat gefunden, daß die Länge eines ſolchen Pendels
unter dem Aequator nahe 439,207 unter den Polen aber 441,593
Pariſer Linien beträgt, deren 144 auf einen Fuß gehen. Dieſer
Unterſchied von nur 2,386 Linien iſt allerdings ſehr klein, aber
man kann ihn durch die Art, auf welche dieſe Pendel beobachtet
werden, mit der größten Genauigkeit beſtimmen, und daher auch
die daraus folgenden Reſultate mit großer Sicherheit ableiten.

Man kann nämlich, zum Vortheile und zur großen Bequem-
lichkeit für den Beobachter, irgend ein gegebenes, und in ſeiner
Länge unveränderliches Pendel an zwei verſchiedenen Orten der
Erde ſchwingen laſſen, und bloß mittelſt einer neben derſelben
aufgeſtellten Uhr die Anzahl der Schwingungen zählen, welche
das Pendel an den beiden Orten in derſelben Zwiſchenzeit, z. B.
in einem ganzen Tage, vollendet, eine Beobachtung, die eben ſo
leicht als ſicher zu machen iſt, und die allein ſchon hinreicht, das
Verbältniß der Längen der Secundenpendeln ſowohl, als auch das
der Schwere an jenen beiden Orten der Erde, mit der größten
Schärfe zu beſtimmen, da dieſes Verhältniß daſſelbe iſt, wie das
der Quadrate der Anzahl jener Schwingungen. Hätte man z. B.
bemerkt, daß irgend ein Pendel von irgend einer gegebenen Ge-
ſtalt und Länge unter dem Aequator in einem vollen Tage 86.400,
unter der Breite von London aber 86.535 Schwingungen macht,

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[86/0098] Tägliche Bewegung der Erde. die Zeit des Schwunges deſto größer ſeyn, oder daß das Pendel deſto langſamer gehen wird, je kleiner die Kraft iſt, welche dieſe Bewe- gung des Pendels hervorbringt, d. h. je kleiner die Schwere der Erde iſt. Aus dieſer Urſache mußte daher Richer’s Pendel in Cayenne, in der Nähe des Aequators, wo bei der rotirenden Erde die Schwungkraft am größten, alſo die Schwere am kleinſten iſt, zu langſam gehen, und er mußte es verkürzen, um ihm den- ſelben Gang wieder zu geben, welchen es früher in Paris unter der größeren Breite oder unter der größeren Schwere dieſer Stadt hatte. Am einfachſten wäre, die Länge des Fadens ſo lange zu än- dern, oder was daſſelbe iſt, das Gewicht an der erwähnten Metallſtange auf- und abwärts zu bewegen, bis das Pendel jede ſeiner Oſcillationen durch den Bogen BB' genau in einer Zeit- ſecunde zurücklegt, wo es dann ein Secundenpendel genannt wird. Man hat gefunden, daß die Länge eines ſolchen Pendels unter dem Aequator nahe 439,207 unter den Polen aber 441,593 Pariſer Linien beträgt, deren 144 auf einen Fuß gehen. Dieſer Unterſchied von nur 2,386 Linien iſt allerdings ſehr klein, aber man kann ihn durch die Art, auf welche dieſe Pendel beobachtet werden, mit der größten Genauigkeit beſtimmen, und daher auch die daraus folgenden Reſultate mit großer Sicherheit ableiten. Man kann nämlich, zum Vortheile und zur großen Bequem- lichkeit für den Beobachter, irgend ein gegebenes, und in ſeiner Länge unveränderliches Pendel an zwei verſchiedenen Orten der Erde ſchwingen laſſen, und bloß mittelſt einer neben derſelben aufgeſtellten Uhr die Anzahl der Schwingungen zählen, welche das Pendel an den beiden Orten in derſelben Zwiſchenzeit, z. B. in einem ganzen Tage, vollendet, eine Beobachtung, die eben ſo leicht als ſicher zu machen iſt, und die allein ſchon hinreicht, das Verbältniß der Längen der Secundenpendeln ſowohl, als auch das der Schwere an jenen beiden Orten der Erde, mit der größten Schärfe zu beſtimmen, da dieſes Verhältniß daſſelbe iſt, wie das der Quadrate der Anzahl jener Schwingungen. Hätte man z. B. bemerkt, daß irgend ein Pendel von irgend einer gegebenen Ge- ſtalt und Länge unter dem Aequator in einem vollen Tage 86.400, unter der Breite von London aber 86.535 Schwingungen macht,

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/98>, abgerufen am 26.04.2024.