Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Kapitel II.
Tägliche Bewegung der Erde.


§. 12. (Erscheinung der täglichen Bewegung des Himmels).
Wir haben bereits gesehen, daß der ganze Himmel mit allen seinen
Gestirnen täglich einmal von Ost gegen West um unsere Erde sich
bewege. So scheint es allerdings uns Allen, daher denn auch
diese Meinung nicht nur von dem gemeinen Manne, sondern auch,
in den früheren Zeiten wenigstens, von den sogenannten Weisen so
einstimmig angenommen wurde, daß man sie endlich durch eine
sonderbare Vermischung der Begriffe, für eine unantastbare Wahr-
heit zu betrachten anfing, an der zu zweifeln sogar für ein Ver-
brechen gehalten werden konnte.

Ehe wir aber die Richtigkeit dieser Meinung untersuchen,
wird es nöthig seyn, die Erscheinung selbst, welche ihr zu Grunde
liegt, näher zu betrachten.

Wenn sich eine Kugel um einen durch ihren Mittelpunkt ge-
henden Stab, als um eine Achse, dreht, so wird jeder Punkt der
Oberfläche dieser Kugel einen Kreis beschreiben, dessen Ebene senk-
recht auf dieser Achse, und dessen Mittelpunkt irgendwo in dieser
Achse liegen wird. Der größte aller dieser Kreise wird jener seyn,
dessen Mittelpunkt zugleich der Mittelpunkt der Kugel ist, und
zu beiden Seiten dieses Kreises werden die übrigen Kreise gleich-
mäßig immer kleiner werden, bis sie endlich, in den beiden End-
punkten jener Achse, verschwinden, oder bloß in zwei Punkte über-
gehen, die allein von allen Punkten der rotirenden Kugelfläche,


Kapitel II.
Taͤgliche Bewegung der Erde.


§. 12. (Erſcheinung der täglichen Bewegung des Himmels).
Wir haben bereits geſehen, daß der ganze Himmel mit allen ſeinen
Geſtirnen täglich einmal von Oſt gegen Weſt um unſere Erde ſich
bewege. So ſcheint es allerdings uns Allen, daher denn auch
dieſe Meinung nicht nur von dem gemeinen Manne, ſondern auch,
in den früheren Zeiten wenigſtens, von den ſogenannten Weiſen ſo
einſtimmig angenommen wurde, daß man ſie endlich durch eine
ſonderbare Vermiſchung der Begriffe, für eine unantaſtbare Wahr-
heit zu betrachten anfing, an der zu zweifeln ſogar für ein Ver-
brechen gehalten werden konnte.

Ehe wir aber die Richtigkeit dieſer Meinung unterſuchen,
wird es nöthig ſeyn, die Erſcheinung ſelbſt, welche ihr zu Grunde
liegt, näher zu betrachten.

Wenn ſich eine Kugel um einen durch ihren Mittelpunkt ge-
henden Stab, als um eine Achſe, dreht, ſo wird jeder Punkt der
Oberfläche dieſer Kugel einen Kreis beſchreiben, deſſen Ebene ſenk-
recht auf dieſer Achſe, und deſſen Mittelpunkt irgendwo in dieſer
Achſe liegen wird. Der größte aller dieſer Kreiſe wird jener ſeyn,
deſſen Mittelpunkt zugleich der Mittelpunkt der Kugel iſt, und
zu beiden Seiten dieſes Kreiſes werden die übrigen Kreiſe gleich-
mäßig immer kleiner werden, bis ſie endlich, in den beiden End-
punkten jener Achſe, verſchwinden, oder bloß in zwei Punkte über-
gehen, die allein von allen Punkten der rotirenden Kugelfläche,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <pb facs="#f0067" n="[55]"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="3">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Kapitel</hi><hi rendition="#aq">II.</hi><lb/><hi rendition="#g">Ta&#x0364;gliche Bewegung der Erde</hi>.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>§. 12. (Er&#x017F;cheinung der täglichen Bewegung des Himmels).<lb/>
Wir haben bereits ge&#x017F;ehen, daß der ganze Himmel mit allen &#x017F;einen<lb/>
Ge&#x017F;tirnen täglich einmal von O&#x017F;t gegen We&#x017F;t um un&#x017F;ere Erde &#x017F;ich<lb/>
bewege. So &#x017F;cheint es allerdings uns Allen, daher denn auch<lb/>
die&#x017F;e Meinung nicht nur von dem gemeinen Manne, &#x017F;ondern auch,<lb/>
in den früheren Zeiten wenig&#x017F;tens, von den &#x017F;ogenannten Wei&#x017F;en &#x017F;o<lb/>
ein&#x017F;timmig angenommen wurde, daß man &#x017F;ie endlich durch eine<lb/>
&#x017F;onderbare Vermi&#x017F;chung der Begriffe, für eine unanta&#x017F;tbare Wahr-<lb/>
heit zu betrachten anfing, an der zu zweifeln &#x017F;ogar für ein Ver-<lb/>
brechen gehalten werden konnte.</p><lb/>
          <p>Ehe wir aber die Richtigkeit die&#x017F;er Meinung unter&#x017F;uchen,<lb/>
wird es nöthig &#x017F;eyn, die Er&#x017F;cheinung &#x017F;elb&#x017F;t, welche ihr zu Grunde<lb/>
liegt, näher zu betrachten.</p><lb/>
          <p>Wenn &#x017F;ich eine Kugel um einen durch ihren Mittelpunkt ge-<lb/>
henden Stab, als um eine Ach&#x017F;e, dreht, &#x017F;o wird jeder Punkt der<lb/>
Oberfläche die&#x017F;er Kugel einen Kreis be&#x017F;chreiben, de&#x017F;&#x017F;en Ebene &#x017F;enk-<lb/>
recht auf die&#x017F;er Ach&#x017F;e, und de&#x017F;&#x017F;en Mittelpunkt irgendwo in die&#x017F;er<lb/>
Ach&#x017F;e liegen wird. Der größte aller die&#x017F;er Krei&#x017F;e wird jener &#x017F;eyn,<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Mittelpunkt zugleich der Mittelpunkt der Kugel i&#x017F;t, und<lb/>
zu beiden Seiten die&#x017F;es Krei&#x017F;es werden die übrigen Krei&#x017F;e gleich-<lb/>
mäßig immer kleiner werden, bis &#x017F;ie endlich, in den beiden End-<lb/>
punkten jener Ach&#x017F;e, ver&#x017F;chwinden, oder bloß in zwei Punkte über-<lb/>
gehen, die allein von allen Punkten der rotirenden Kugelfläche,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[55]/0067] Kapitel II. Taͤgliche Bewegung der Erde. §. 12. (Erſcheinung der täglichen Bewegung des Himmels). Wir haben bereits geſehen, daß der ganze Himmel mit allen ſeinen Geſtirnen täglich einmal von Oſt gegen Weſt um unſere Erde ſich bewege. So ſcheint es allerdings uns Allen, daher denn auch dieſe Meinung nicht nur von dem gemeinen Manne, ſondern auch, in den früheren Zeiten wenigſtens, von den ſogenannten Weiſen ſo einſtimmig angenommen wurde, daß man ſie endlich durch eine ſonderbare Vermiſchung der Begriffe, für eine unantaſtbare Wahr- heit zu betrachten anfing, an der zu zweifeln ſogar für ein Ver- brechen gehalten werden konnte. Ehe wir aber die Richtigkeit dieſer Meinung unterſuchen, wird es nöthig ſeyn, die Erſcheinung ſelbſt, welche ihr zu Grunde liegt, näher zu betrachten. Wenn ſich eine Kugel um einen durch ihren Mittelpunkt ge- henden Stab, als um eine Achſe, dreht, ſo wird jeder Punkt der Oberfläche dieſer Kugel einen Kreis beſchreiben, deſſen Ebene ſenk- recht auf dieſer Achſe, und deſſen Mittelpunkt irgendwo in dieſer Achſe liegen wird. Der größte aller dieſer Kreiſe wird jener ſeyn, deſſen Mittelpunkt zugleich der Mittelpunkt der Kugel iſt, und zu beiden Seiten dieſes Kreiſes werden die übrigen Kreiſe gleich- mäßig immer kleiner werden, bis ſie endlich, in den beiden End- punkten jener Achſe, verſchwinden, oder bloß in zwei Punkte über- gehen, die allein von allen Punkten der rotirenden Kugelfläche,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/67
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. [55]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/67>, abgerufen am 22.12.2024.