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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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III. Buch. Die friedl. Regelung u. Verwaltung gemeins. Interessen.

Seeraub ist die auf offener See oder von dieser aus (etwa durch
Landung) von der Mannschaft eines Seeschiffes an Menschen oder Sachen
ohne staatliche Ermächtigung begangene Gewalt.

a) Seeräuber sind daher nicht die auf Kaperei ausgehenden
Kriegsschiffe, oder die mit staatlichen Kaperbriefen, wenn
auch mit Verletzung des Pariser Vertrages von 1856, ver-
sehenen Privatschiffe (unten § 40 II), wohl aber die von den
Insurgenten, so lange sie noch nicht als kriegführende Macht
anerkannt sind, ausgerüsteten Kaperschiffe.
b) Der Seeräuber, der keine oder eine nicht anerkannte Flagge
führt, steht unter keines Staates Schutz; er wird aber auch
durch die von ihm etwa geführte Flagge nicht gedeckt. Er ist
mithin völkerrechtlich vogelfrei; er kann ohne Verletzung des
Staates, dem das Schiff der Flagge nach oder die Besatzung
ihrer Nationalität nach angehört, von den Kriegsschiffen jedes
Staates aufgegriffen und nach dem Recht des aufgreifenden Staates
zur Verantwortung gezogen werden.

Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch §§ 4 und 250 Ziffer 3.

Die geraubten Gegenstände sind nach dem, seit dem 18. Jahr-
hundert anerkannten Satz (pirata non mutat dominium) dem Eigen-
tümer zurückzugeben.

Diese allgemein anerkannten Rechtssätze werden wohl auch
heute noch in den Verträgen ausdrücklich ausgesprochen. Vgl.
den deutschen Freundschafts- u. s. w. Vertrag mit Nicaragua vom
4. Februar 1896 (R. G. Bl. 1897 S. 171) Artikel 19: "Schiffe, Waren
und andere den betreffenden Staatsangehörigen eigentümliche Gegen-
stände, welche innerhalb der Gerichtsbarkeit des einen der beiden
vertragenden Teile oder auf hoher See von Piraten geraubt und
nach den Häfen, Flüssen, Reeden oder Buchten im Gebiete des
anderen Teiles gebracht oder daselbst angetroffen werden, sollen
ihren Eigentümern gegen Erstattung der Kosten der Wiedererlangung,
wenn solche entstanden und von den kompetenten Behörden zuvor
festgestellt sind, zurückgegeben werden, sobald das Eigentumsrecht
vor diesen Behörden nachgewiesen sein wird, auf die Reklamation
hin, welche innerhalb einer Frist von zwei Jahren von den Be-

III. Buch. Die friedl. Regelung u. Verwaltung gemeins. Interessen.

Seeraub ist die auf offener See oder von dieser aus (etwa durch
Landung) von der Mannschaft eines Seeschiffes an Menschen oder Sachen
ohne staatliche Ermächtigung begangene Gewalt.

a) Seeräuber sind daher nicht die auf Kaperei ausgehenden
Kriegsschiffe, oder die mit staatlichen Kaperbriefen, wenn
auch mit Verletzung des Pariser Vertrages von 1856, ver-
sehenen Privatschiffe (unten § 40 II), wohl aber die von den
Insurgenten, so lange sie noch nicht als kriegführende Macht
anerkannt sind, ausgerüsteten Kaperschiffe.
b) Der Seeräuber, der keine oder eine nicht anerkannte Flagge
führt, steht unter keines Staates Schutz; er wird aber auch
durch die von ihm etwa geführte Flagge nicht gedeckt. Er ist
mithin völkerrechtlich vogelfrei; er kann ohne Verletzung des
Staates, dem das Schiff der Flagge nach oder die Besatzung
ihrer Nationalität nach angehört, von den Kriegsschiffen jedes
Staates aufgegriffen und nach dem Recht des aufgreifenden Staates
zur Verantwortung gezogen werden.

Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch §§ 4 und 250 Ziffer 3.

Die geraubten Gegenstände sind nach dem, seit dem 18. Jahr-
hundert anerkannten Satz (pirata non mutat dominium) dem Eigen-
tümer zurückzugeben.

Diese allgemein anerkannten Rechtssätze werden wohl auch
heute noch in den Verträgen ausdrücklich ausgesprochen. Vgl.
den deutschen Freundschafts- u. s. w. Vertrag mit Nicaragua vom
4. Februar 1896 (R. G. Bl. 1897 S. 171) Artikel 19: „Schiffe, Waren
und andere den betreffenden Staatsangehörigen eigentümliche Gegen-
stände, welche innerhalb der Gerichtsbarkeit des einen der beiden
vertragenden Teile oder auf hoher See von Piraten geraubt und
nach den Häfen, Flüssen, Reeden oder Buchten im Gebiete des
anderen Teiles gebracht oder daselbst angetroffen werden, sollen
ihren Eigentümern gegen Erstattung der Kosten der Wiedererlangung,
wenn solche entstanden und von den kompetenten Behörden zuvor
festgestellt sind, zurückgegeben werden, sobald das Eigentumsrecht
vor diesen Behörden nachgewiesen sein wird, auf die Reklamation
hin, welche innerhalb einer Frist von zwei Jahren von den Be-

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[144/0166] III. Buch. Die friedl. Regelung u. Verwaltung gemeins. Interessen. Seeraub ist die auf offener See oder von dieser aus (etwa durch Landung) von der Mannschaft eines Seeschiffes an Menschen oder Sachen ohne staatliche Ermächtigung begangene Gewalt. a) Seeräuber sind daher nicht die auf Kaperei ausgehenden Kriegsschiffe, oder die mit staatlichen Kaperbriefen, wenn auch mit Verletzung des Pariser Vertrages von 1856, ver- sehenen Privatschiffe (unten § 40 II), wohl aber die von den Insurgenten, so lange sie noch nicht als kriegführende Macht anerkannt sind, ausgerüsteten Kaperschiffe. b) Der Seeräuber, der keine oder eine nicht anerkannte Flagge führt, steht unter keines Staates Schutz; er wird aber auch durch die von ihm etwa geführte Flagge nicht gedeckt. Er ist mithin völkerrechtlich vogelfrei; er kann ohne Verletzung des Staates, dem das Schiff der Flagge nach oder die Besatzung ihrer Nationalität nach angehört, von den Kriegsschiffen jedes Staates aufgegriffen und nach dem Recht des aufgreifenden Staates zur Verantwortung gezogen werden. Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch §§ 4 und 250 Ziffer 3. Die geraubten Gegenstände sind nach dem, seit dem 18. Jahr- hundert anerkannten Satz (pirata non mutat dominium) dem Eigen- tümer zurückzugeben. Diese allgemein anerkannten Rechtssätze werden wohl auch heute noch in den Verträgen ausdrücklich ausgesprochen. Vgl. den deutschen Freundschafts- u. s. w. Vertrag mit Nicaragua vom 4. Februar 1896 (R. G. Bl. 1897 S. 171) Artikel 19: „Schiffe, Waren und andere den betreffenden Staatsangehörigen eigentümliche Gegen- stände, welche innerhalb der Gerichtsbarkeit des einen der beiden vertragenden Teile oder auf hoher See von Piraten geraubt und nach den Häfen, Flüssen, Reeden oder Buchten im Gebiete des anderen Teiles gebracht oder daselbst angetroffen werden, sollen ihren Eigentümern gegen Erstattung der Kosten der Wiedererlangung, wenn solche entstanden und von den kompetenten Behörden zuvor festgestellt sind, zurückgegeben werden, sobald das Eigentumsrecht vor diesen Behörden nachgewiesen sein wird, auf die Reklamation hin, welche innerhalb einer Frist von zwei Jahren von den Be-

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/166>, abgerufen am 26.04.2024.