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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 26. Die Hochseeschiffahrt und die Freiheit des Meeres.
sind dagegen die Ostsee (die im Krimkrieg, wie im deutsch-
französischen Krieg Kriegsschauplatz war); das Schwarze Meer und
das Marmarameer (ausdrücklich anerkannt im Frieden zu Adria-
nopel von 1829 und im Pariser Frieden von 1856), das Bering-
meer (Schiedsrichterspruch von 1893 gegen die Ansprüche der
Vereinigten Staaten) u. s. w.

Jedoch kann durch Vereinbarung der Mächte die sogenannte
Neutralisation von Meeresteilen, d. h. ihre Schliessung für Kriegs-
schiffe angeordnet werden.

So hatte der Artikel 11 des Pariser Friedens von 1856 die
Gewässer und Häfen des Schwarzen Meeres (mit Einschluss also
der Küstengewässer) den Kriegsschiffen nicht nur der Uferstaaten,
sondern auch aller andern Mächte in Krieg und Frieden "auf ewig"
verschlossen. Nachdem sich aber das durch diese Vereinbarung
in seinen Lebensinteressen schwer betroffene Russland im Oktober
1870 einseitig von dieser Verpflichtung losgesagt hatte, wurde Ar-
tikel 11 durch den Londoner Vertrag vom 13. März 1871 zwischen
Deutschland, Österreich, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Russ-
land, und der Türkei (R. G. Bl. 1871 S. 104) ausdrücklich aufgehoben.

2. Die Meerengen, welche Teile der offenen See miteinander
verbinden, nehmen an der Freiheit des Meeres auch dann teil, wenn
sie vom Ufer aus durch einen einzigen Staat beherrscht werden können.
Der Uferstaat darf daher insbesondere Zölle für die blosse Durchfahrt
auch nicht als Gegenleistung für die Erhaltung des Fahrwassers und
der Schiffahrtszeichen erheben.

Abweichend Heilborn, System 48; Rivier I 157.

Der von Dänemark erhobene Sundzoll wurde durch Vertrag
vom 14. März 1857 gegen Entschädigung aufgehoben, ohne dass
in dieser Ablösung eine Anerkennung des dänischen Rechts erblickt
werden dürfte.

Auch bezüglich der Meerengen können jedoch durch besondere
Vereinbarungen der Mächte abweichende Bestimmungen getroffen wer-
den. So wurde durch den Londoner Meerengen-Vertrag (convention
des detroits) vom 13. Juli 1841 bestimmt, dass in Friedenszeiten jedem
nicht türkischen Kriegsschiff die Durchfahrt durch die Dardanellen und
den Bosporus versagt sein sollte
(während Russland sich im Frieden

§ 26. Die Hochseeschiffahrt und die Freiheit des Meeres.
sind dagegen die Ostsee (die im Krimkrieg, wie im deutsch-
französischen Krieg Kriegsschauplatz war); das Schwarze Meer und
das Marmarameer (ausdrücklich anerkannt im Frieden zu Adria-
nopel von 1829 und im Pariser Frieden von 1856), das Bering-
meer (Schiedsrichterspruch von 1893 gegen die Ansprüche der
Vereinigten Staaten) u. s. w.

Jedoch kann durch Vereinbarung der Mächte die sogenannte
Neutralisation von Meeresteilen, d. h. ihre Schlieſsung für Kriegs-
schiffe angeordnet werden.

So hatte der Artikel 11 des Pariser Friedens von 1856 die
Gewässer und Häfen des Schwarzen Meeres (mit Einschluſs also
der Küstengewässer) den Kriegsschiffen nicht nur der Uferstaaten,
sondern auch aller andern Mächte in Krieg und Frieden „auf ewig“
verschlossen. Nachdem sich aber das durch diese Vereinbarung
in seinen Lebensinteressen schwer betroffene Ruſsland im Oktober
1870 einseitig von dieser Verpflichtung losgesagt hatte, wurde Ar-
tikel 11 durch den Londoner Vertrag vom 13. März 1871 zwischen
Deutschland, Österreich, Frankreich, Groſsbritannien, Italien, Ruſs-
land, und der Türkei (R. G. Bl. 1871 S. 104) ausdrücklich aufgehoben.

2. Die Meerengen, welche Teile der offenen See miteinander
verbinden, nehmen an der Freiheit des Meeres auch dann teil, wenn
sie vom Ufer aus durch einen einzigen Staat beherrscht werden können.
Der Uferstaat darf daher insbesondere Zölle für die bloſse Durchfahrt
auch nicht als Gegenleistung für die Erhaltung des Fahrwassers und
der Schiffahrtszeichen erheben.

Abweichend Heilborn, System 48; Rivier I 157.

Der von Dänemark erhobene Sundzoll wurde durch Vertrag
vom 14. März 1857 gegen Entschädigung aufgehoben, ohne daſs
in dieser Ablösung eine Anerkennung des dänischen Rechts erblickt
werden dürfte.

Auch bezüglich der Meerengen können jedoch durch besondere
Vereinbarungen der Mächte abweichende Bestimmungen getroffen wer-
den. So wurde durch den Londoner Meerengen-Vertrag (convention
des détroits) vom 13. Juli 1841 bestimmt, daſs in Friedenszeiten jedem
nicht türkischen Kriegsschiff die Durchfahrt durch die Dardanellen und
den Bosporus versagt sein sollte
(während Ruſsland sich im Frieden

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[141/0163] § 26. Die Hochseeschiffahrt und die Freiheit des Meeres. sind dagegen die Ostsee (die im Krimkrieg, wie im deutsch- französischen Krieg Kriegsschauplatz war); das Schwarze Meer und das Marmarameer (ausdrücklich anerkannt im Frieden zu Adria- nopel von 1829 und im Pariser Frieden von 1856), das Bering- meer (Schiedsrichterspruch von 1893 gegen die Ansprüche der Vereinigten Staaten) u. s. w. Jedoch kann durch Vereinbarung der Mächte die sogenannte Neutralisation von Meeresteilen, d. h. ihre Schlieſsung für Kriegs- schiffe angeordnet werden. So hatte der Artikel 11 des Pariser Friedens von 1856 die Gewässer und Häfen des Schwarzen Meeres (mit Einschluſs also der Küstengewässer) den Kriegsschiffen nicht nur der Uferstaaten, sondern auch aller andern Mächte in Krieg und Frieden „auf ewig“ verschlossen. Nachdem sich aber das durch diese Vereinbarung in seinen Lebensinteressen schwer betroffene Ruſsland im Oktober 1870 einseitig von dieser Verpflichtung losgesagt hatte, wurde Ar- tikel 11 durch den Londoner Vertrag vom 13. März 1871 zwischen Deutschland, Österreich, Frankreich, Groſsbritannien, Italien, Ruſs- land, und der Türkei (R. G. Bl. 1871 S. 104) ausdrücklich aufgehoben. 2. Die Meerengen, welche Teile der offenen See miteinander verbinden, nehmen an der Freiheit des Meeres auch dann teil, wenn sie vom Ufer aus durch einen einzigen Staat beherrscht werden können. Der Uferstaat darf daher insbesondere Zölle für die bloſse Durchfahrt auch nicht als Gegenleistung für die Erhaltung des Fahrwassers und der Schiffahrtszeichen erheben. Abweichend Heilborn, System 48; Rivier I 157. Der von Dänemark erhobene Sundzoll wurde durch Vertrag vom 14. März 1857 gegen Entschädigung aufgehoben, ohne daſs in dieser Ablösung eine Anerkennung des dänischen Rechts erblickt werden dürfte. Auch bezüglich der Meerengen können jedoch durch besondere Vereinbarungen der Mächte abweichende Bestimmungen getroffen wer- den. So wurde durch den Londoner Meerengen-Vertrag (convention des détroits) vom 13. Juli 1841 bestimmt, daſs in Friedenszeiten jedem nicht türkischen Kriegsschiff die Durchfahrt durch die Dardanellen und den Bosporus versagt sein sollte (während Ruſsland sich im Frieden

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/163>, abgerufen am 26.04.2024.