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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 25. Erschliessung des Landes und Rechtsstellung der Fremden.
irgendwie Schaden, Schwierigkeiten oder Kränkungen auf ihrer
Reise erfahren, und sie zu dem Ende mit Geleitbriefen, Pässen
oder anderen Dokumenten versehen."

6. Die Einwanderung von Angehörigen der nicht zur Völker-
rechtsgemeinschaft gehörenden Staaten kann, soweit nicht besondere
Verträge im Wege stehen, von jedem Staat beschränkt oder verboten
werden.

Praktische Bedeutung hat die chinesische Einwanderung
in den Vereinigten Staaten und in Australien gewonnen. Der von
den ersteren mit China 1868 geschlossene sogenannte Burlingame-
vertrag hatte gegenseitig das Einwanderungsrecht ausdrücklich an-
erkannt. Dagegen räumte China durch den Pekinger Vertrag von
1880 (N. R. G. 2. Ser. XI 730) den Vereinigten Staaten das Recht
ein, die Einwanderung und den Aufenthalt chinesischer Arbeiter
zu regulieren, zu beschränken oder zu suspendieren, nicht aber
gänzlich zu verbieten. Auf Grund dieses Vertrages erging das
nordamerikanische Gesetz vom 4. August 1882, das die Einwande-
rung chinesischer Arbeiter auf zehn Jahre verbot.

Durch den zwischen China und den Vereinigten Staaten zu
Washington geschlossenen Vertrag vom 17. März 1894 (N. R. G.
2. Ser. XXII 551) hat China seine Zustimmung dazu erklärt, dass
für einen Zeitraum von zehn Jahren von dem Austausch der Rati-
fikation dieses Vertrages (also vom 7. Dezember 1894) die Ein-
wanderung chinesischer Arbeiter in die Vereinigten Staaten voll-
ständig verboten sei. Zugleich erklärt China seine weitere Zu-
stimmung zu den amerikanischen Gesetzen vom 5. Mai 1892 und
3. November 1893, durch welche die Registrierung aller recht-
mässig in den Vereinigten Staaten sich aufhaltenden chinesischen
Arbeiter vorgeschrieben wurde.

Vgl. Sartorius v. Waltershausen, Handbuch der Staatswissenschaften
I. Ergänzungsband S. 265.

II.

Durch die Erschliessung des Landes wird das Recht der Fremden-
polizei nicht berührt. In dieser Beziehung gelten folgende Rechtsätze:

1. Jeder Staat hat das Recht, den Grenzverkehr zu überwachen
(etwa durch den Passzwang, soweit diesem nicht besondere Verein-

§ 25. Erschlieſsung des Landes und Rechtsstellung der Fremden.
irgendwie Schaden, Schwierigkeiten oder Kränkungen auf ihrer
Reise erfahren, und sie zu dem Ende mit Geleitbriefen, Pässen
oder anderen Dokumenten versehen.“

6. Die Einwanderung von Angehörigen der nicht zur Völker-
rechtsgemeinschaft gehörenden Staaten kann, soweit nicht besondere
Verträge im Wege stehen, von jedem Staat beschränkt oder verboten
werden.

Praktische Bedeutung hat die chinesische Einwanderung
in den Vereinigten Staaten und in Australien gewonnen. Der von
den ersteren mit China 1868 geschlossene sogenannte Burlingame-
vertrag hatte gegenseitig das Einwanderungsrecht ausdrücklich an-
erkannt. Dagegen räumte China durch den Pekinger Vertrag von
1880 (N. R. G. 2. Ser. XI 730) den Vereinigten Staaten das Recht
ein, die Einwanderung und den Aufenthalt chinesischer Arbeiter
zu regulieren, zu beschränken oder zu suspendieren, nicht aber
gänzlich zu verbieten. Auf Grund dieses Vertrages erging das
nordamerikanische Gesetz vom 4. August 1882, das die Einwande-
rung chinesischer Arbeiter auf zehn Jahre verbot.

Durch den zwischen China und den Vereinigten Staaten zu
Washington geschlossenen Vertrag vom 17. März 1894 (N. R. G.
2. Ser. XXII 551) hat China seine Zustimmung dazu erklärt, daſs
für einen Zeitraum von zehn Jahren von dem Austausch der Rati-
fikation dieses Vertrages (also vom 7. Dezember 1894) die Ein-
wanderung chinesischer Arbeiter in die Vereinigten Staaten voll-
ständig verboten sei. Zugleich erklärt China seine weitere Zu-
stimmung zu den amerikanischen Gesetzen vom 5. Mai 1892 und
3. November 1893, durch welche die Registrierung aller recht-
mäſsig in den Vereinigten Staaten sich aufhaltenden chinesischen
Arbeiter vorgeschrieben wurde.

Vgl. Sartorius v. Waltershausen, Handbuch der Staatswissenschaften
I. Ergänzungsband S. 265.

II.

Durch die Erschlieſsung des Landes wird das Recht der Fremden-
polizei nicht berührt. In dieser Beziehung gelten folgende Rechtsätze:

1. Jeder Staat hat das Recht, den Grenzverkehr zu überwachen
(etwa durch den Paſszwang, soweit diesem nicht besondere Verein-

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[137/0159] § 25. Erschlieſsung des Landes und Rechtsstellung der Fremden. irgendwie Schaden, Schwierigkeiten oder Kränkungen auf ihrer Reise erfahren, und sie zu dem Ende mit Geleitbriefen, Pässen oder anderen Dokumenten versehen.“ 6. Die Einwanderung von Angehörigen der nicht zur Völker- rechtsgemeinschaft gehörenden Staaten kann, soweit nicht besondere Verträge im Wege stehen, von jedem Staat beschränkt oder verboten werden. Praktische Bedeutung hat die chinesische Einwanderung in den Vereinigten Staaten und in Australien gewonnen. Der von den ersteren mit China 1868 geschlossene sogenannte Burlingame- vertrag hatte gegenseitig das Einwanderungsrecht ausdrücklich an- erkannt. Dagegen räumte China durch den Pekinger Vertrag von 1880 (N. R. G. 2. Ser. XI 730) den Vereinigten Staaten das Recht ein, die Einwanderung und den Aufenthalt chinesischer Arbeiter zu regulieren, zu beschränken oder zu suspendieren, nicht aber gänzlich zu verbieten. Auf Grund dieses Vertrages erging das nordamerikanische Gesetz vom 4. August 1882, das die Einwande- rung chinesischer Arbeiter auf zehn Jahre verbot. Durch den zwischen China und den Vereinigten Staaten zu Washington geschlossenen Vertrag vom 17. März 1894 (N. R. G. 2. Ser. XXII 551) hat China seine Zustimmung dazu erklärt, daſs für einen Zeitraum von zehn Jahren von dem Austausch der Rati- fikation dieses Vertrages (also vom 7. Dezember 1894) die Ein- wanderung chinesischer Arbeiter in die Vereinigten Staaten voll- ständig verboten sei. Zugleich erklärt China seine weitere Zu- stimmung zu den amerikanischen Gesetzen vom 5. Mai 1892 und 3. November 1893, durch welche die Registrierung aller recht- mäſsig in den Vereinigten Staaten sich aufhaltenden chinesischen Arbeiter vorgeschrieben wurde. Vgl. Sartorius v. Waltershausen, Handbuch der Staatswissenschaften I. Ergänzungsband S. 265. II. Durch die Erschlieſsung des Landes wird das Recht der Fremden- polizei nicht berührt. In dieser Beziehung gelten folgende Rechtsätze: 1. Jeder Staat hat das Recht, den Grenzverkehr zu überwachen (etwa durch den Paſszwang, soweit diesem nicht besondere Verein-

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/159>, abgerufen am 26.04.2024.