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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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§ 14. Die Gesandten insbesondere.
bereits unter dem Schutze des Völkerrechts. Aber erst mit der
Überreichung des Beglaubigungsschreibens (Creditive, lettres de
creance) an das Staatsoberhaupt oder an den Minister des Empfangs-
staates tritt der Gesandte in den vollen Umkreis seiner völker-
rechtlichen Rechte und Pflichten, die aber nach strengem Recht
(anders nach Höflichkeitssitte) stets nur dem Empfangsstaate, nicht
dritten Staaten gegenüber bestehen.

Die völkerrechtliche Rechtsstellung des Gesandten endet:

1. Durch die Abberufung von seiten des Absendestaates, genauer
durch Überreichung und Empfangnahme des Abberufungsschreibens
(lettres de rappel). Der Empfangsstaat pflegt dem Abberufenen
ein Beglaubigungsschreiben (lettres de recreance) einzuhändigen.
Bei einer Änderung der Regierungsform des Absendestaates oder
bei einem Wechsel in der Person des monarchischen Staatsober-
hauptes werden die von diesem Staat im Ausland beglaubigten
Gesandten meist abberufen oder aufs neue beglaubigt.

2. Durch Abbruch der Beziehungen von seiten des Empfangs-
staates, sei es mit dem Absendestaat selbst, sei es bloss mit dem Ge-
sandten;
doch steht in beiden Fällen die Heimreise des Gesandten,
wenn sie nicht mit ungebührlicher Verzögerung erfolgt, bis zur
Grenze des Empfangsstaates unter dem Schutz des Völkerrechts.

IV.

Der Gesandte hat innerhalb der Grenzen seines Auftrags und
unter der Leitung seines Ministers des Auswärtigen den Absendestaat
im völkerrechtlichen Verkehr mit dem Empfangsstaat, und zwar nach
allen Richtungen hin, zu vertreten.

Mit seiner Stellung ist ihm die völkerrechtliche Befugnis ge-
geben, die Interessen seines Heimatstaates wie die der Staatsange-
hörigen und Schutzgenossen desselben zu wahren, während im
übrigen seine Pflichten dem Absendestaat gegenüber sich durch
innerstaatsrechtliche Grundsätze bestimmen. Ausserdem können
ihm die konsularischen Befugnisse (unten § 15) übertragen werden
(Frankreich hat seit 1890 an dem Sitze seiner Gesandten keine
Konsuln mehr).


§ 14. Die Gesandten insbesondere.
bereits unter dem Schutze des Völkerrechts. Aber erst mit der
Überreichung des Beglaubigungsschreibens (Creditive, lettres de
créance) an das Staatsoberhaupt oder an den Minister des Empfangs-
staates tritt der Gesandte in den vollen Umkreis seiner völker-
rechtlichen Rechte und Pflichten, die aber nach strengem Recht
(anders nach Höflichkeitssitte) stets nur dem Empfangsstaate, nicht
dritten Staaten gegenüber bestehen.

Die völkerrechtliche Rechtsstellung des Gesandten endet:

1. Durch die Abberufung von seiten des Absendestaates, genauer
durch Überreichung und Empfangnahme des Abberufungsschreibens
(lettres de rappel). Der Empfangsstaat pflegt dem Abberufenen
ein Beglaubigungsschreiben (lettres de récréance) einzuhändigen.
Bei einer Änderung der Regierungsform des Absendestaates oder
bei einem Wechsel in der Person des monarchischen Staatsober-
hauptes werden die von diesem Staat im Ausland beglaubigten
Gesandten meist abberufen oder aufs neue beglaubigt.

2. Durch Abbruch der Beziehungen von seiten des Empfangs-
staates, sei es mit dem Absendestaat selbst, sei es bloſs mit dem Ge-
sandten;
doch steht in beiden Fällen die Heimreise des Gesandten,
wenn sie nicht mit ungebührlicher Verzögerung erfolgt, bis zur
Grenze des Empfangsstaates unter dem Schutz des Völkerrechts.

IV.

Der Gesandte hat innerhalb der Grenzen seines Auftrags und
unter der Leitung seines Ministers des Auswärtigen den Absendestaat
im völkerrechtlichen Verkehr mit dem Empfangsstaat, und zwar nach
allen Richtungen hin, zu vertreten.

Mit seiner Stellung ist ihm die völkerrechtliche Befugnis ge-
geben, die Interessen seines Heimatstaates wie die der Staatsange-
hörigen und Schutzgenossen desselben zu wahren, während im
übrigen seine Pflichten dem Absendestaat gegenüber sich durch
innerstaatsrechtliche Grundsätze bestimmen. Auſserdem können
ihm die konsularischen Befugnisse (unten § 15) übertragen werden
(Frankreich hat seit 1890 an dem Sitze seiner Gesandten keine
Konsuln mehr).


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[75/0097] § 14. Die Gesandten insbesondere. bereits unter dem Schutze des Völkerrechts. Aber erst mit der Überreichung des Beglaubigungsschreibens (Creditive, lettres de créance) an das Staatsoberhaupt oder an den Minister des Empfangs- staates tritt der Gesandte in den vollen Umkreis seiner völker- rechtlichen Rechte und Pflichten, die aber nach strengem Recht (anders nach Höflichkeitssitte) stets nur dem Empfangsstaate, nicht dritten Staaten gegenüber bestehen. Die völkerrechtliche Rechtsstellung des Gesandten endet: 1. Durch die Abberufung von seiten des Absendestaates, genauer durch Überreichung und Empfangnahme des Abberufungsschreibens (lettres de rappel). Der Empfangsstaat pflegt dem Abberufenen ein Beglaubigungsschreiben (lettres de récréance) einzuhändigen. Bei einer Änderung der Regierungsform des Absendestaates oder bei einem Wechsel in der Person des monarchischen Staatsober- hauptes werden die von diesem Staat im Ausland beglaubigten Gesandten meist abberufen oder aufs neue beglaubigt. 2. Durch Abbruch der Beziehungen von seiten des Empfangs- staates, sei es mit dem Absendestaat selbst, sei es bloſs mit dem Ge- sandten; doch steht in beiden Fällen die Heimreise des Gesandten, wenn sie nicht mit ungebührlicher Verzögerung erfolgt, bis zur Grenze des Empfangsstaates unter dem Schutz des Völkerrechts. IV. Der Gesandte hat innerhalb der Grenzen seines Auftrags und unter der Leitung seines Ministers des Auswärtigen den Absendestaat im völkerrechtlichen Verkehr mit dem Empfangsstaat, und zwar nach allen Richtungen hin, zu vertreten. Mit seiner Stellung ist ihm die völkerrechtliche Befugnis ge- geben, die Interessen seines Heimatstaates wie die der Staatsange- hörigen und Schutzgenossen desselben zu wahren, während im übrigen seine Pflichten dem Absendestaat gegenüber sich durch innerstaatsrechtliche Grundsätze bestimmen. Auſserdem können ihm die konsularischen Befugnisse (unten § 15) übertragen werden (Frankreich hat seit 1890 an dem Sitze seiner Gesandten keine Konsuln mehr).

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/97>, abgerufen am 21.11.2024.