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Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898.

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IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
II.

Die friedliche Beilegung völkerrechtlicher Streitigkeiten kann
auch durch Schiedsspruch geschehen.

Vgl. insbesondere A. Merignhac, Traite theorique et pratique de l'arbi-
trage. 1895.

1. Die Befugnis der Schiedsrichter ruht in der Mehrzahl der
Fälle auf einem besonderen Schiedsvertrag (compromissum) der betei-
ligten Staaten, durch welche diese sich verpflichten, die Entscheidung
der zwischen ihnen entstandenen Streitigkeit dem Ausspruch der von
ihnen vereinbarten Schiedsrichter zu übertragen.

Solche Schiedsverträge, schon in früherer Zeit nicht selten,
finden sich mit steigender Häufigkeit insbesondere seit dem Beginn
dieses Jahrhunderts. Der bekannteste Schiedsspruch wurde in der
Alabamafrage zwischen England und den Vereinigten Staaten am
14. September 1872 gefällt. Er verurteilte die englische Regierung
zur Zahlung von 151/2 Millionen Dollars, weil sie geduldet hatte,
dass während des amerikanischen Bürgerkrieges Kreuzer der Süd-
staaten in englischen Häfen ausgerüstet wurden (unten § 43 II).
Als letzter wichtigerer Schiedsvertrag ist die Washingtoner Verein-
barung zwischen England und Venezuela vom 2. Februar 1897 zu
erwähnen (v. Martens Vorsitzender des Schiedsgerichts).

2. Daneben aber findet sich in den zwischen einzelnen Staaten
geschlossenen Verträgen verschiedensten Inhalts (insbesondere aber in
den von Italien, Belgien, der Schweiz u. s. w. geschlossenen Handels-
verträgen) die sogenannte kompromissarische Klausel, durch welche die
Vertragschliessenden sich verpflichten, alle bei Auslegung und Anwen-
dung des Vertrags sich ergebenden Streitigkeiten einem Schiedsgericht
zur Entscheidung zu übertragen
(oben § 28 III).

Das Deutsche Reich hat bisher die Aufnahme einer solchen
Klausel in seine Verträge abgelehnt. Dagegen findet sie sich auch
in einzelnen allgemeinen Verträgen. So im Postvereinsvertrag
seit dem 9. Oktober 1874, in der Brüsseler Antisklavereiakte vom
2. Juli 1890 Artikel LIV und LV, sowie in dem Vertrag über den
Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890 (R. G. Bl. 1892 S. 793)
Artikel 57.

3. Auch allgemeine Schiedsverträge, durch welche die sämt-
lichen zwischen den Vertragschliessenden künftig entstehenden Streitig-
keiten (sei es uneingeschränkt, sei es mit Ausnahme derjenigen Streitig-

IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
II.

Die friedliche Beilegung völkerrechtlicher Streitigkeiten kann
auch durch Schiedsspruch geschehen.

Vgl. insbesondere A. Mérignhac, Traité théorique et pratique de l’arbi-
trage. 1895.

1. Die Befugnis der Schiedsrichter ruht in der Mehrzahl der
Fälle auf einem besonderen Schiedsvertrag (compromissum) der betei-
ligten Staaten, durch welche diese sich verpflichten, die Entscheidung
der zwischen ihnen entstandenen Streitigkeit dem Ausspruch der von
ihnen vereinbarten Schiedsrichter zu übertragen.

Solche Schiedsverträge, schon in früherer Zeit nicht selten,
finden sich mit steigender Häufigkeit insbesondere seit dem Beginn
dieses Jahrhunderts. Der bekannteste Schiedsspruch wurde in der
Alabamafrage zwischen England und den Vereinigten Staaten am
14. September 1872 gefällt. Er verurteilte die englische Regierung
zur Zahlung von 15½ Millionen Dollars, weil sie geduldet hatte,
daſs während des amerikanischen Bürgerkrieges Kreuzer der Süd-
staaten in englischen Häfen ausgerüstet wurden (unten § 43 II).
Als letzter wichtigerer Schiedsvertrag ist die Washingtoner Verein-
barung zwischen England und Venezuela vom 2. Februar 1897 zu
erwähnen (v. Martens Vorsitzender des Schiedsgerichts).

2. Daneben aber findet sich in den zwischen einzelnen Staaten
geschlossenen Verträgen verschiedensten Inhalts (insbesondere aber in
den von Italien, Belgien, der Schweiz u. s. w. geschlossenen Handels-
verträgen) die sogenannte kompromissarische Klausel, durch welche die
Vertragschlieſsenden sich verpflichten, alle bei Auslegung und Anwen-
dung des Vertrags sich ergebenden Streitigkeiten einem Schiedsgericht
zur Entscheidung zu übertragen
(oben § 28 III).

Das Deutsche Reich hat bisher die Aufnahme einer solchen
Klausel in seine Verträge abgelehnt. Dagegen findet sie sich auch
in einzelnen allgemeinen Verträgen. So im Postvereinsvertrag
seit dem 9. Oktober 1874, in der Brüsseler Antisklavereiakte vom
2. Juli 1890 Artikel LIV und LV, sowie in dem Vertrag über den
Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890 (R. G. Bl. 1892 S. 793)
Artikel 57.

3. Auch allgemeine Schiedsverträge, durch welche die sämt-
lichen zwischen den Vertragschlieſsenden künftig entstehenden Streitig-
keiten (sei es uneingeschränkt, sei es mit Ausnahme derjenigen Streitig-

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[202/0224] IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung. II. Die friedliche Beilegung völkerrechtlicher Streitigkeiten kann auch durch Schiedsspruch geschehen. Vgl. insbesondere A. Mérignhac, Traité théorique et pratique de l’arbi- trage. 1895. 1. Die Befugnis der Schiedsrichter ruht in der Mehrzahl der Fälle auf einem besonderen Schiedsvertrag (compromissum) der betei- ligten Staaten, durch welche diese sich verpflichten, die Entscheidung der zwischen ihnen entstandenen Streitigkeit dem Ausspruch der von ihnen vereinbarten Schiedsrichter zu übertragen. Solche Schiedsverträge, schon in früherer Zeit nicht selten, finden sich mit steigender Häufigkeit insbesondere seit dem Beginn dieses Jahrhunderts. Der bekannteste Schiedsspruch wurde in der Alabamafrage zwischen England und den Vereinigten Staaten am 14. September 1872 gefällt. Er verurteilte die englische Regierung zur Zahlung von 15½ Millionen Dollars, weil sie geduldet hatte, daſs während des amerikanischen Bürgerkrieges Kreuzer der Süd- staaten in englischen Häfen ausgerüstet wurden (unten § 43 II). Als letzter wichtigerer Schiedsvertrag ist die Washingtoner Verein- barung zwischen England und Venezuela vom 2. Februar 1897 zu erwähnen (v. Martens Vorsitzender des Schiedsgerichts). 2. Daneben aber findet sich in den zwischen einzelnen Staaten geschlossenen Verträgen verschiedensten Inhalts (insbesondere aber in den von Italien, Belgien, der Schweiz u. s. w. geschlossenen Handels- verträgen) die sogenannte kompromissarische Klausel, durch welche die Vertragschlieſsenden sich verpflichten, alle bei Auslegung und Anwen- dung des Vertrags sich ergebenden Streitigkeiten einem Schiedsgericht zur Entscheidung zu übertragen (oben § 28 III). Das Deutsche Reich hat bisher die Aufnahme einer solchen Klausel in seine Verträge abgelehnt. Dagegen findet sie sich auch in einzelnen allgemeinen Verträgen. So im Postvereinsvertrag seit dem 9. Oktober 1874, in der Brüsseler Antisklavereiakte vom 2. Juli 1890 Artikel LIV und LV, sowie in dem Vertrag über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890 (R. G. Bl. 1892 S. 793) Artikel 57. 3. Auch allgemeine Schiedsverträge, durch welche die sämt- lichen zwischen den Vertragschlieſsenden künftig entstehenden Streitig- keiten (sei es uneingeschränkt, sei es mit Ausnahme derjenigen Streitig-

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das Völkerrecht. Berlin, 1898, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_voelkerrecht_1898/224>, abgerufen am 21.11.2024.