Verwaltungsmaßregeln, die unabhängig von der ge- richtlichen Konstatierung einer strafbaren Handlung von den Organen der Staatsverwaltung verhängt werden können. Als Beispiele seien erwähnt die in dem Freizügigkeitsgesetz vom 1. November 1867, dem Jesuitengesetz vom 4. Juli 1872, dem Gesetz betr. die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern vom 4. Mai 1874 usw. an- gedrohten Nachteile.
II. Die Strafmittel.
§. 43. Im allgemeinen.1
I. Die Strafe ist Rechtsgüterschutz durch Rechtsgüterver- letzung. Sie ist Mittel zum Zweck. Jenes Strafmittel wird darum das geeignetste sein, das den Zweck (Rechts- güterschutz) am sichersten, am vollständigsten und zugleich am billigsten (durch möglichst geringe Rechtsgüterverletzung) er- reicht. Wir werden daher de lege ferenda folgende Anfor- derungen an die in Frage kommenden Strafmittel zu stellen haben.
1. Da die Strafe, je nach Lage der Umstände verschie- dene Zwecke verfolgt (vgl. oben §. 2 II), so müssen wir jenem Strafmittel den Vorzug geben, das am geeignetsten ist, sich den verschiedenen Strafzwecken je nach Bedürfnis anzupassen; jenem, mit dem wir bald drohen und ab- schrecken, bald bessern, bald die Rechtsordnung schützen und
1[Spaltenumbruch]
Lit. bei Binding Grund- riß S. 115. Insbesondere[Spaltenumbruch]Wahlberg Krimin. u. natio- nalökon. Gesichtspunkte 1872.
von Liszt, Strafrecht. 12
Die Strafmittel im allgemeinen. §. 43.
Verwaltungsmaßregeln, die unabhängig von der ge- richtlichen Konſtatierung einer ſtrafbaren Handlung von den Organen der Staatsverwaltung verhängt werden können. Als Beiſpiele ſeien erwähnt die in dem Freizügigkeitsgeſetz vom 1. November 1867, dem Jeſuitengeſetz vom 4. Juli 1872, dem Geſetz betr. die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern vom 4. Mai 1874 uſw. an- gedrohten Nachteile.
II. Die Strafmittel.
§. 43. Im allgemeinen.1
I. Die Strafe iſt Rechtsgüterſchutz durch Rechtsgüterver- letzung. Sie iſt Mittel zum Zweck. Jenes Strafmittel wird darum das geeignetſte ſein, das den Zweck (Rechts- güterſchutz) am ſicherſten, am vollſtändigſten und zugleich am billigſten (durch möglichſt geringe Rechtsgüterverletzung) er- reicht. Wir werden daher de lege ferenda folgende Anfor- derungen an die in Frage kommenden Strafmittel zu ſtellen haben.
1. Da die Strafe, je nach Lage der Umſtände verſchie- dene Zwecke verfolgt (vgl. oben §. 2 II), ſo müſſen wir jenem Strafmittel den Vorzug geben, das am geeignetſten iſt, ſich den verſchiedenen Strafzwecken je nach Bedürfnis anzupaſſen; jenem, mit dem wir bald drohen und ab- ſchrecken, bald beſſern, bald die Rechtsordnung ſchützen und
1[Spaltenumbruch]
Lit. bei Binding Grund- riß S. 115. Insbeſondere[Spaltenumbruch]Wahlberg Krimin. u. natio- nalökon. Geſichtspunkte 1872.
von Liszt, Strafrecht. 12
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0203"n="177"/><fwplace="top"type="header">Die Strafmittel im allgemeinen. §. 43.</fw><lb/><hirendition="#g">Verwaltungsmaßregeln</hi>, die unabhängig von der ge-<lb/>
richtlichen Konſtatierung einer ſtrafbaren Handlung von den<lb/>
Organen der Staatsverwaltung verhängt werden können.<lb/>
Als Beiſpiele ſeien erwähnt die in dem Freizügigkeitsgeſetz<lb/>
vom 1. November 1867, dem Jeſuitengeſetz vom 4. Juli<lb/>
1872, dem Geſetz betr. die Verhinderung der unbefugten<lb/>
Ausübung von Kirchenämtern vom 4. Mai 1874 uſw. an-<lb/>
gedrohten Nachteile.</p></div></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#aq">II.</hi> Die Strafmittel.</head><lb/><divn="4"><head>§. 43.<lb/><hirendition="#b">Im allgemeinen.</hi><noteplace="foot"n="1"><cb/>
Lit. bei <hirendition="#g">Binding</hi> Grund-<lb/>
riß S. 115. Insbeſondere<cb/><hirendition="#g">Wahlberg</hi> Krimin. u. natio-<lb/>
nalökon. Geſichtspunkte 1872.</note></head><lb/><p><hirendition="#aq">I.</hi> Die Strafe iſt Rechtsgüterſchutz durch Rechtsgüterver-<lb/>
letzung. Sie iſt Mittel zum Zweck. Jenes Strafmittel<lb/>
wird darum das geeignetſte ſein, das den Zweck (Rechts-<lb/>
güterſchutz) am ſicherſten, am vollſtändigſten und zugleich am<lb/>
billigſten (durch möglichſt geringe Rechtsgüterverletzung) er-<lb/>
reicht. Wir werden daher <hirendition="#aq">de lege ferenda</hi> folgende Anfor-<lb/>
derungen an die in Frage kommenden Strafmittel zu ſtellen<lb/>
haben.</p><lb/><p>1. Da die Strafe, je nach Lage der Umſtände verſchie-<lb/>
dene Zwecke verfolgt (vgl. oben §. 2 <hirendition="#aq">II</hi>), ſo müſſen wir jenem<lb/>
Strafmittel den Vorzug geben, das am geeignetſten iſt, <hirendition="#g">ſich<lb/>
den verſchiedenen Strafzwecken je nach Bedürfnis<lb/>
anzupaſſen</hi>; jenem, mit dem wir bald drohen und ab-<lb/>ſchrecken, bald beſſern, bald die Rechtsordnung ſchützen und<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">von Liszt</hi>, Strafrecht. 12</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[177/0203]
Die Strafmittel im allgemeinen. §. 43.
Verwaltungsmaßregeln, die unabhängig von der ge-
richtlichen Konſtatierung einer ſtrafbaren Handlung von den
Organen der Staatsverwaltung verhängt werden können.
Als Beiſpiele ſeien erwähnt die in dem Freizügigkeitsgeſetz
vom 1. November 1867, dem Jeſuitengeſetz vom 4. Juli
1872, dem Geſetz betr. die Verhinderung der unbefugten
Ausübung von Kirchenämtern vom 4. Mai 1874 uſw. an-
gedrohten Nachteile.
II. Die Strafmittel.
§. 43.
Im allgemeinen. 1
I. Die Strafe iſt Rechtsgüterſchutz durch Rechtsgüterver-
letzung. Sie iſt Mittel zum Zweck. Jenes Strafmittel
wird darum das geeignetſte ſein, das den Zweck (Rechts-
güterſchutz) am ſicherſten, am vollſtändigſten und zugleich am
billigſten (durch möglichſt geringe Rechtsgüterverletzung) er-
reicht. Wir werden daher de lege ferenda folgende Anfor-
derungen an die in Frage kommenden Strafmittel zu ſtellen
haben.
1. Da die Strafe, je nach Lage der Umſtände verſchie-
dene Zwecke verfolgt (vgl. oben §. 2 II), ſo müſſen wir jenem
Strafmittel den Vorzug geben, das am geeignetſten iſt, ſich
den verſchiedenen Strafzwecken je nach Bedürfnis
anzupaſſen; jenem, mit dem wir bald drohen und ab-
ſchrecken, bald beſſern, bald die Rechtsordnung ſchützen und
1
Lit. bei Binding Grund-
riß S. 115. Insbeſondere
Wahlberg Krimin. u. natio-
nalökon. Geſichtspunkte 1872.
von Liszt, Strafrecht. 12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/203>, abgerufen am 21.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.