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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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anzulegen. Das Unternehmen ward concessionirt und auch wirklich begonnen. Da aber die Angehörigen eines benachbarten Territoriums durch diesen Canalbau in ihren Interessen beeinträchtigt zu werden fürchteten, so zerstörten sie in der Nacht, was den Tag über gebaut worden war. Daß auf diese Weise das Unternehmen nicht besonders gedeihen, und daß der Erfolg desselben Andere zur Nachahmung wenig anreizen konnte, ist klar. Von dem freistädter Canal ist zur Zeit keine Spur mehr vorhanden, als, wenn wir nicht irren, ein Proceß, der bis jetzt noch nicht hat zur Erledigung kommen können. Dies ist die ganze Geschichte des süddeutschen Canalbaues.

Wenn wir von einem süddeutschen Canalsysteme sprechen, so kann unsere Ansicht nicht dahin gehen, die einzelnen Bestandtheile desselben als Unternehmungen darzustellen, deren Ausführung von Privaten zu erwarten stehe, oder von welchen, wenn sie auf Kosten der Staaten unternommen würden, eine baldige Rente zu hoffen sei.

Ja wir fürchten, daß wir für den blos rechnenden Finanzmann, welcher von dem wirthschaftlichen, der da weiß, daß man erst säen muß, bevor man ernten kann, wohl zu unterscheiden ist, nicht einmal eine plausible Berechnung aufzustellen vermögen, wodurch seine Angst, daß man ihn überreden wolle, sein Geld in's Wasser zu werfen, einigermaßen beschwichtigt werden könnte. Aber auch der volkswirthschaftliche Nutzen läßt sich nur im Allgemeinen nachweisen, und es erheischt Einsicht in alle volkswirthschaftlichen Zustände, um dieselben zu begreifen, und Glauben an eine volkswirthschaftliche Zukunft der Nation, um ihn nach seinem ganzen Umfange würdigen zu können. Wie bei den Eisenbahnen ist derselbe nicht sowohl bei jeder einzelnen Unternehmung für sich, als im Zusammenhange mit mehrern andern nachzuweisen. So z. B. muß man sich erst einen Canal von den saarbrücker Steinkohlengruben nach dem Rheine und eine viel bedeutendere und wohlfeilere Zufuhr rheinpreußischer Steinkohle nach Mannheim denken, um den Nutzen einer Canalisirung des Neckars und eines badischen Rhein-Lateral-Canals einzusehen. Ja man muß sich sogar Möglichkeiten denken, wie z. B., daß diese Zufuhr an wohlfeiler Steinkohle in Würtemberg und Baden zu einem ganz andern Betrieb der dortigen Eisenwerke und der Bergwerke überhaupt führen könne. Da bisher noch in allen Gegenden, wo Canäle gebaut worden sind, eine Menge neuer Fabriken und Gewerbszweige entstanden sind und die alten sich überall gehoben haben, so ist nicht einzusehen, warum ein Canalsystem in Süddeutschland, das so großen Überfluß an Wasserkraft und Menschen besitzt, nicht dieselben Wirkungen haben sollte. Wer kann ferner ermessen, welchen Aufschwung der Weinbau und die Landwirthschaft in Folge der erleichterten Zufuhr an Brennmaterial, Gyps und Kalk und der erleichterten Producten-Ausfuhr nach der Schweiz und auf dem Rheine nehmen werden, und um wieviel höher die Production und Consumtion an Salze steigen wird. Nehmen wir z. B. den Holz- und Torftransport: welche Gewinnste und Ersparnisse lassen sich nur in Beziehung auf diesen erwarten. Das

anzulegen. Das Unternehmen ward concessionirt und auch wirklich begonnen. Da aber die Angehörigen eines benachbarten Territoriums durch diesen Canalbau in ihren Interessen beeinträchtigt zu werden fürchteten, so zerstörten sie in der Nacht, was den Tag über gebaut worden war. Daß auf diese Weise das Unternehmen nicht besonders gedeihen, und daß der Erfolg desselben Andere zur Nachahmung wenig anreizen konnte, ist klar. Von dem freistädter Canal ist zur Zeit keine Spur mehr vorhanden, als, wenn wir nicht irren, ein Proceß, der bis jetzt noch nicht hat zur Erledigung kommen können. Dies ist die ganze Geschichte des süddeutschen Canalbaues.

Wenn wir von einem süddeutschen Canalsysteme sprechen, so kann unsere Ansicht nicht dahin gehen, die einzelnen Bestandtheile desselben als Unternehmungen darzustellen, deren Ausführung von Privaten zu erwarten stehe, oder von welchen, wenn sie auf Kosten der Staaten unternommen würden, eine baldige Rente zu hoffen sei.

Ja wir fürchten, daß wir für den blos rechnenden Finanzmann, welcher von dem wirthschaftlichen, der da weiß, daß man erst säen muß, bevor man ernten kann, wohl zu unterscheiden ist, nicht einmal eine plausible Berechnung aufzustellen vermögen, wodurch seine Angst, daß man ihn überreden wolle, sein Geld in’s Wasser zu werfen, einigermaßen beschwichtigt werden könnte. Aber auch der volkswirthschaftliche Nutzen läßt sich nur im Allgemeinen nachweisen, und es erheischt Einsicht in alle volkswirthschaftlichen Zustände, um dieselben zu begreifen, und Glauben an eine volkswirthschaftliche Zukunft der Nation, um ihn nach seinem ganzen Umfange würdigen zu können. Wie bei den Eisenbahnen ist derselbe nicht sowohl bei jeder einzelnen Unternehmung für sich, als im Zusammenhange mit mehrern andern nachzuweisen. So z. B. muß man sich erst einen Canal von den saarbrücker Steinkohlengruben nach dem Rheine und eine viel bedeutendere und wohlfeilere Zufuhr rheinpreußischer Steinkohle nach Mannheim denken, um den Nutzen einer Canalisirung des Neckars und eines badischen Rhein-Lateral-Canals einzusehen. Ja man muß sich sogar Möglichkeiten denken, wie z. B., daß diese Zufuhr an wohlfeiler Steinkohle in Würtemberg und Baden zu einem ganz andern Betrieb der dortigen Eisenwerke und der Bergwerke überhaupt führen könne. Da bisher noch in allen Gegenden, wo Canäle gebaut worden sind, eine Menge neuer Fabriken und Gewerbszweige entstanden sind und die alten sich überall gehoben haben, so ist nicht einzusehen, warum ein Canalsystem in Süddeutschland, das so großen Überfluß an Wasserkraft und Menschen besitzt, nicht dieselben Wirkungen haben sollte. Wer kann ferner ermessen, welchen Aufschwung der Weinbau und die Landwirthschaft in Folge der erleichterten Zufuhr an Brennmaterial, Gyps und Kalk und der erleichterten Producten-Ausfuhr nach der Schweiz und auf dem Rheine nehmen werden, und um wieviel höher die Production und Consumtion an Salze steigen wird. Nehmen wir z. B. den Holz- und Torftransport: welche Gewinnste und Ersparnisse lassen sich nur in Beziehung auf diesen erwarten. Das

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[83/0084] anzulegen. Das Unternehmen ward concessionirt und auch wirklich begonnen. Da aber die Angehörigen eines benachbarten Territoriums durch diesen Canalbau in ihren Interessen beeinträchtigt zu werden fürchteten, so zerstörten sie in der Nacht, was den Tag über gebaut worden war. Daß auf diese Weise das Unternehmen nicht besonders gedeihen, und daß der Erfolg desselben Andere zur Nachahmung wenig anreizen konnte, ist klar. Von dem freistädter Canal ist zur Zeit keine Spur mehr vorhanden, als, wenn wir nicht irren, ein Proceß, der bis jetzt noch nicht hat zur Erledigung kommen können. Dies ist die ganze Geschichte des süddeutschen Canalbaues. Wenn wir von einem süddeutschen Canalsysteme sprechen, so kann unsere Ansicht nicht dahin gehen, die einzelnen Bestandtheile desselben als Unternehmungen darzustellen, deren Ausführung von Privaten zu erwarten stehe, oder von welchen, wenn sie auf Kosten der Staaten unternommen würden, eine baldige Rente zu hoffen sei. Ja wir fürchten, daß wir für den blos rechnenden Finanzmann, welcher von dem wirthschaftlichen, der da weiß, daß man erst säen muß, bevor man ernten kann, wohl zu unterscheiden ist, nicht einmal eine plausible Berechnung aufzustellen vermögen, wodurch seine Angst, daß man ihn überreden wolle, sein Geld in’s Wasser zu werfen, einigermaßen beschwichtigt werden könnte. Aber auch der volkswirthschaftliche Nutzen läßt sich nur im Allgemeinen nachweisen, und es erheischt Einsicht in alle volkswirthschaftlichen Zustände, um dieselben zu begreifen, und Glauben an eine volkswirthschaftliche Zukunft der Nation, um ihn nach seinem ganzen Umfange würdigen zu können. Wie bei den Eisenbahnen ist derselbe nicht sowohl bei jeder einzelnen Unternehmung für sich, als im Zusammenhange mit mehrern andern nachzuweisen. So z. B. muß man sich erst einen Canal von den saarbrücker Steinkohlengruben nach dem Rheine und eine viel bedeutendere und wohlfeilere Zufuhr rheinpreußischer Steinkohle nach Mannheim denken, um den Nutzen einer Canalisirung des Neckars und eines badischen Rhein-Lateral-Canals einzusehen. Ja man muß sich sogar Möglichkeiten denken, wie z. B., daß diese Zufuhr an wohlfeiler Steinkohle in Würtemberg und Baden zu einem ganz andern Betrieb der dortigen Eisenwerke und der Bergwerke überhaupt führen könne. Da bisher noch in allen Gegenden, wo Canäle gebaut worden sind, eine Menge neuer Fabriken und Gewerbszweige entstanden sind und die alten sich überall gehoben haben, so ist nicht einzusehen, warum ein Canalsystem in Süddeutschland, das so großen Überfluß an Wasserkraft und Menschen besitzt, nicht dieselben Wirkungen haben sollte. Wer kann ferner ermessen, welchen Aufschwung der Weinbau und die Landwirthschaft in Folge der erleichterten Zufuhr an Brennmaterial, Gyps und Kalk und der erleichterten Producten-Ausfuhr nach der Schweiz und auf dem Rheine nehmen werden, und um wieviel höher die Production und Consumtion an Salze steigen wird. Nehmen wir z. B. den Holz- und Torftransport: welche Gewinnste und Ersparnisse lassen sich nur in Beziehung auf diesen erwarten. Das

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/84>, abgerufen am 26.04.2024.