Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

1) Die Soldaten waren zu kurze Zeit beschäftigt, um in dieser Art Arbeiten die erforderliche Übung zu erlangen. 2) Die Soldaten waren ohne Berücksichtigung ihres vorherigen Standes, ohne Rücksicht auf körperliche Stärke und Arbeitsfähigkeit, aus der Masse der Corps ausgehoben worden. Es befanden sich also eine große Anzahl unter denselben, die, nur an gewerbliche Beschäftigung gewöhnt, sehr wenig leisteten. Für das Departement Loire inferieure hatte man eine zweckmäßigere Auswahl getroffen, und hier war auch der Erfolg günstiger; die Kosten betrugen 10 pCt. weniger, als die Voranschläge. 3) Die Arbeiten wurden von Officieren geleitet und beaufsichtigt; die Zahl derselben war aber viel größer als nöthig gewesen. 4) Die Löhne waren die nämlichen wie bei den gewöhnlichen Arbeitern, während man sie hätte bedeutend reduciren können. 5) Es ward bezweifelt, daß die Officiere das Werk mit dem erforderlichen Eifer geleitet haben. Sie hatten ihre Abneigung gegen die Beschäftigung des Militairs für dergleichen Zwecke nicht verhehlt.

Im Jahre 1836 wurden ferner von der Paris- und St. Germain-Eisenbahn-Compagnie Soldaten zum Behuf ihrer Arbeiten verwendet. Die Regierung hatte sich aber geweigert, blos Freiwillige abzugeben, und die Compagnie mußte sich dazu verstehen, ganze Compagnien in Dienst zu nehmen. Auch ward ihr nicht gestattet, den Soldaten die Arbeiten in Accord zu geben; sie mußte ihnen Tagelohn bezahlen und zwar ohne Rücksicht auf die Leistung; es war sogar ausdrücklich untersagt, die Fleißigsten besser zu belohnen als die Trägen, und nicht einmal diejenigen, welche wegen Untauglichkeit weggeschickt werden mußten, durften auf der Zahlungsliste gestrichen werden. Aller Wetteifer fiel demnach weg, und das Resultat war, wie es nicht anders sein konnte: die Arbeiten der Soldaten kamen 60 pCt. theuerer zu stehen, als wenn sie durch Arbeiter aus dem Civilstande verrichtet worden wären. Bezahlt wurde 1 Fr. 30 C. per Kopf, also wöchentlich 7 Fr. 80 C., davon gingen 3 Fr. für die Kost und 2 Fr. 40 C. für den Dienst ab; jeder Soldat erhielt also noch am Sonntag 2 Fr. 40 C. ausbezahlt. Bei schlechtem Wetter ward die Löhnung wie bei'm guten gereicht. Mit Inbegriff der Löhnung für die Officiere, Unterofficiere und Tambours kostete die tägliche Arbeit eines Soldaten 2 Fr. 60 C.

Vermittelst dieses Versuchs gelangte man in Frankreich zur Überzeugung, daß die Soldaten nur im Dienste des Staats zu öffentlichen Arbeiten mit Nutzen zu verwenden seien; daß aber auch dann nur Erfolg zu hoffen, wenn die Officiere erst zu Leitung dieser Arbeiten gehörig gebildet, und wenn dazu vorzugsweise nur Genie- und Artillerie-Officiere verwendet würden. Jedenfalls, glaubte man, werde diese Neuerung, wie alles Neue, was großartigen Nutzen verspreche, im Anfange mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, aber doch am Ende Bestand gewinnen.

Wir haben oben der Creirung von Papiergeld als eines sehr

1) Die Soldaten waren zu kurze Zeit beschäftigt, um in dieser Art Arbeiten die erforderliche Übung zu erlangen. 2) Die Soldaten waren ohne Berücksichtigung ihres vorherigen Standes, ohne Rücksicht auf körperliche Stärke und Arbeitsfähigkeit, aus der Masse der Corps ausgehoben worden. Es befanden sich also eine große Anzahl unter denselben, die, nur an gewerbliche Beschäftigung gewöhnt, sehr wenig leisteten. Für das Departement Loire inférieure hatte man eine zweckmäßigere Auswahl getroffen, und hier war auch der Erfolg günstiger; die Kosten betrugen 10 pCt. weniger, als die Voranschläge. 3) Die Arbeiten wurden von Officieren geleitet und beaufsichtigt; die Zahl derselben war aber viel größer als nöthig gewesen. 4) Die Löhne waren die nämlichen wie bei den gewöhnlichen Arbeitern, während man sie hätte bedeutend reduciren können. 5) Es ward bezweifelt, daß die Officiere das Werk mit dem erforderlichen Eifer geleitet haben. Sie hatten ihre Abneigung gegen die Beschäftigung des Militairs für dergleichen Zwecke nicht verhehlt.

Im Jahre 1836 wurden ferner von der Paris- und St. Germain-Eisenbahn-Compagnie Soldaten zum Behuf ihrer Arbeiten verwendet. Die Regierung hatte sich aber geweigert, blos Freiwillige abzugeben, und die Compagnie mußte sich dazu verstehen, ganze Compagnien in Dienst zu nehmen. Auch ward ihr nicht gestattet, den Soldaten die Arbeiten in Accord zu geben; sie mußte ihnen Tagelohn bezahlen und zwar ohne Rücksicht auf die Leistung; es war sogar ausdrücklich untersagt, die Fleißigsten besser zu belohnen als die Trägen, und nicht einmal diejenigen, welche wegen Untauglichkeit weggeschickt werden mußten, durften auf der Zahlungsliste gestrichen werden. Aller Wetteifer fiel demnach weg, und das Resultat war, wie es nicht anders sein konnte: die Arbeiten der Soldaten kamen 60 pCt. theuerer zu stehen, als wenn sie durch Arbeiter aus dem Civilstande verrichtet worden wären. Bezahlt wurde 1 Fr. 30 C. per Kopf, also wöchentlich 7 Fr. 80 C., davon gingen 3 Fr. für die Kost und 2 Fr. 40 C. für den Dienst ab; jeder Soldat erhielt also noch am Sonntag 2 Fr. 40 C. ausbezahlt. Bei schlechtem Wetter ward die Löhnung wie bei’m guten gereicht. Mit Inbegriff der Löhnung für die Officiere, Unterofficiere und Tambours kostete die tägliche Arbeit eines Soldaten 2 Fr. 60 C.

Vermittelst dieses Versuchs gelangte man in Frankreich zur Überzeugung, daß die Soldaten nur im Dienste des Staats zu öffentlichen Arbeiten mit Nutzen zu verwenden seien; daß aber auch dann nur Erfolg zu hoffen, wenn die Officiere erst zu Leitung dieser Arbeiten gehörig gebildet, und wenn dazu vorzugsweise nur Genie- und Artillerie-Officiere verwendet würden. Jedenfalls, glaubte man, werde diese Neuerung, wie alles Neue, was großartigen Nutzen verspreche, im Anfange mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, aber doch am Ende Bestand gewinnen.

Wir haben oben der Creirung von Papiergeld als eines sehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0061" n="60"/>
1) Die Soldaten waren zu kurze Zeit beschäftigt, um in dieser Art Arbeiten die erforderliche Übung zu erlangen. 2) Die Soldaten waren ohne Berücksichtigung ihres vorherigen Standes, ohne Rücksicht auf körperliche Stärke und Arbeitsfähigkeit, aus der Masse der Corps ausgehoben worden. Es befanden sich also eine große Anzahl unter denselben, die, nur an gewerbliche Beschäftigung gewöhnt, sehr wenig leisteten. Für das Departement Loire inférieure hatte man eine zweckmäßigere Auswahl getroffen, und hier war auch der Erfolg günstiger; die Kosten betrugen 10 pCt. weniger, als die Voranschläge. 3) Die Arbeiten wurden von Officieren geleitet und beaufsichtigt; die Zahl derselben war aber viel größer als nöthig gewesen. 4) Die Löhne waren die nämlichen wie bei den gewöhnlichen Arbeitern, während man sie hätte bedeutend reduciren können. 5) Es ward bezweifelt, daß die Officiere das Werk mit dem erforderlichen Eifer geleitet haben. Sie hatten ihre Abneigung gegen die Beschäftigung des Militairs für dergleichen Zwecke nicht verhehlt.</p>
        <p>Im Jahre 1836 wurden ferner <hi rendition="#g">von der Paris- und St. Germain-Eisenbahn-Compagnie Soldaten zum Behuf ihrer Arbeiten verwendet</hi>. Die Regierung hatte sich aber geweigert, blos Freiwillige abzugeben, und die Compagnie mußte sich dazu verstehen, ganze Compagnien in Dienst zu nehmen. Auch ward ihr nicht gestattet, den Soldaten die Arbeiten in Accord zu geben; sie mußte ihnen Tagelohn bezahlen und zwar ohne Rücksicht auf die Leistung; es war sogar ausdrücklich untersagt, die Fleißigsten besser zu belohnen als die Trägen, und nicht einmal diejenigen, welche wegen Untauglichkeit weggeschickt werden mußten, durften auf der Zahlungsliste gestrichen werden. Aller Wetteifer fiel demnach weg, und das Resultat war, wie es nicht anders sein konnte: die Arbeiten der Soldaten kamen 60 pCt. theuerer zu stehen, als wenn sie durch Arbeiter aus dem Civilstande verrichtet worden wären. Bezahlt wurde 1 Fr. 30 C. per Kopf, also wöchentlich 7 Fr. 80 C., davon gingen 3 Fr. für die Kost und 2 Fr. 40 C. für den Dienst ab; jeder Soldat erhielt also noch am Sonntag 2 Fr. 40 C. ausbezahlt. Bei schlechtem Wetter ward die Löhnung wie bei&#x2019;m guten gereicht. Mit Inbegriff der Löhnung für die Officiere, Unterofficiere und Tambours kostete die tägliche Arbeit eines Soldaten 2 Fr. 60 C.</p>
        <p>Vermittelst dieses Versuchs gelangte man in Frankreich zur Überzeugung, <hi rendition="#g">daß die Soldaten nur im Dienste des Staats zu öffentlichen Arbeiten mit Nutzen zu verwenden seien</hi>; daß aber auch dann nur Erfolg zu hoffen, wenn die Officiere erst zu Leitung dieser Arbeiten gehörig gebildet, und wenn dazu vorzugsweise nur Genie- und Artillerie-Officiere verwendet würden. Jedenfalls, glaubte man, werde diese <hi rendition="#g">Neuerung</hi>, wie alles Neue, was großartigen Nutzen verspreche, <hi rendition="#g">im Anfange mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, aber doch am Ende Bestand gewinnen</hi>.</p>
        <p>Wir haben oben der <hi rendition="#g">Creirung von Papiergeld</hi> als eines sehr
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0061] 1) Die Soldaten waren zu kurze Zeit beschäftigt, um in dieser Art Arbeiten die erforderliche Übung zu erlangen. 2) Die Soldaten waren ohne Berücksichtigung ihres vorherigen Standes, ohne Rücksicht auf körperliche Stärke und Arbeitsfähigkeit, aus der Masse der Corps ausgehoben worden. Es befanden sich also eine große Anzahl unter denselben, die, nur an gewerbliche Beschäftigung gewöhnt, sehr wenig leisteten. Für das Departement Loire inférieure hatte man eine zweckmäßigere Auswahl getroffen, und hier war auch der Erfolg günstiger; die Kosten betrugen 10 pCt. weniger, als die Voranschläge. 3) Die Arbeiten wurden von Officieren geleitet und beaufsichtigt; die Zahl derselben war aber viel größer als nöthig gewesen. 4) Die Löhne waren die nämlichen wie bei den gewöhnlichen Arbeitern, während man sie hätte bedeutend reduciren können. 5) Es ward bezweifelt, daß die Officiere das Werk mit dem erforderlichen Eifer geleitet haben. Sie hatten ihre Abneigung gegen die Beschäftigung des Militairs für dergleichen Zwecke nicht verhehlt. Im Jahre 1836 wurden ferner von der Paris- und St. Germain-Eisenbahn-Compagnie Soldaten zum Behuf ihrer Arbeiten verwendet. Die Regierung hatte sich aber geweigert, blos Freiwillige abzugeben, und die Compagnie mußte sich dazu verstehen, ganze Compagnien in Dienst zu nehmen. Auch ward ihr nicht gestattet, den Soldaten die Arbeiten in Accord zu geben; sie mußte ihnen Tagelohn bezahlen und zwar ohne Rücksicht auf die Leistung; es war sogar ausdrücklich untersagt, die Fleißigsten besser zu belohnen als die Trägen, und nicht einmal diejenigen, welche wegen Untauglichkeit weggeschickt werden mußten, durften auf der Zahlungsliste gestrichen werden. Aller Wetteifer fiel demnach weg, und das Resultat war, wie es nicht anders sein konnte: die Arbeiten der Soldaten kamen 60 pCt. theuerer zu stehen, als wenn sie durch Arbeiter aus dem Civilstande verrichtet worden wären. Bezahlt wurde 1 Fr. 30 C. per Kopf, also wöchentlich 7 Fr. 80 C., davon gingen 3 Fr. für die Kost und 2 Fr. 40 C. für den Dienst ab; jeder Soldat erhielt also noch am Sonntag 2 Fr. 40 C. ausbezahlt. Bei schlechtem Wetter ward die Löhnung wie bei’m guten gereicht. Mit Inbegriff der Löhnung für die Officiere, Unterofficiere und Tambours kostete die tägliche Arbeit eines Soldaten 2 Fr. 60 C. Vermittelst dieses Versuchs gelangte man in Frankreich zur Überzeugung, daß die Soldaten nur im Dienste des Staats zu öffentlichen Arbeiten mit Nutzen zu verwenden seien; daß aber auch dann nur Erfolg zu hoffen, wenn die Officiere erst zu Leitung dieser Arbeiten gehörig gebildet, und wenn dazu vorzugsweise nur Genie- und Artillerie-Officiere verwendet würden. Jedenfalls, glaubte man, werde diese Neuerung, wie alles Neue, was großartigen Nutzen verspreche, im Anfange mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, aber doch am Ende Bestand gewinnen. Wir haben oben der Creirung von Papiergeld als eines sehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Die innerhalb des Werks inkonsistente Rechtschreibung und Schreibung von z. B. Ortsnamen wird beibehalten. Offensichtliche Druckfehler des Originals werden im sichtbaren Editionstext stillschweigend korrigiert, im Quelltext jedoch auskommentiert dargestellt.
  • Die Frakturschrift der Vorlage kennt keine großen Umlaute; Ae, Oe, Ue werden zu Ä, Ö und Ü umgesetzt. Weiterhin wird im Original für die großen I und J nur die Type J benutzt; hier werden I und J eingesetzt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/61
Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/61>, abgerufen am 26.04.2024.