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List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838.

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erforderlichen Geldmittel aufzutreiben, so kann noch die mittlere Generation unserer Zeitgenossen erleben, daß man von Wien nicht nur nach Constantinopel, sondern bis nach Kleinasien und Ägypten, ja bis an die Grenzen von Abyssinien und in das Innere von Afrika und Asien vermittelst Dampfwagen und Eisenbahnen gelangen kann.

Nicht minder muß es Östreich daran gelegen sein, Wien und Ungarn mit Triest und Venedig in Eisenbahnverbindung zu bringen, schon darum, weil erst durch diese Verbindung die bereits im Bau begriffene Bahn von Venedig nach Mailand in militärischer wie in commercieller Beziehung ihre volle Bedeutung erlangt.

Auch die Schweiz fühlt bereits, daß sie inmitten dieser großen Bewegung nicht stehen bleiben darf; sie projectirt bereits eine Route von Basel über Zürich bis Chur, um dadurch Deutschland und Frankreich mit dem italienischen Eisenbahn-System in Verbindung zu setzen.

Folgendes sind die deutschen Hauptrouten, welche europäische Wichtigkeit erlangen werden:

1) in westöstlicher Richtung die Bahn von Lüttich nach Aachen und Köln, mit ihrer Fortsetzung von Elberfeld nach Minden und von da über Hannover, Braunschweig, Magdeburg und Berlin nach Rußland.

Die Bahn vom baierischen Rheinkreis nach Manheim, Frankfurt am Main, durch Thüringen nach Leipzig, Dresden, Berlin und Breslau.

Die Bahn von Straßburg über Carlsruhe, Stuttgart, Augsburg, München, Passau, Wien, durch Ungarn nach der Türkei und dem Orient.

2) in nördlich-südlicher Richtung die Bahn von den Hanse-Städten über Hannover, Kassel, Frankfurt a. M. nach Frankreich, ferner durch Baden oder Würtemberg nach der Schweiz und Italien, die Bahn von Hamburg nach Berlin und von dort einerseits über Breslau nach Wien und Triest, anderseits durch Sachsen über Nürnberg, Augsburg und München nach dem Bodensee, und jenseit des Sees über Zürich nach Chur und Italien.

Insofern die deutschen Staaten sich nicht durch ihr eigenes Interesse und durch wechselseitige Nacheiferung angespornt fühlen sollten, die Anlegung der Eisenbahnen mit Energie und durch Ergreifung großartiger Maßregeln zu betreiben, wird ihnen der Impuls dazu von Frankreich oder Belgien gegeben werden.

Das große Beispiel von Belgien und das Gelingen der kleinen Bahn von Paris nach St. Germain hat in allen Theilen von Frankreich den Wunsch nach dem Besitz dieses gewaltigen Instruments des Reichthums und der Civilisation rege gemacht, und daß die Anlegung großer Eisenbahnen in der nächsten Parlaments-Sitzung (1837 bis 1838) ein Hauptgegenstand der Verhandlungen bilden wird, erhellt schon daraus, daß nicht nur die Minister, sondern auch die Wortführer aller Parteien im verflossenen Spätsommer (1837) Belgien und England bereis't haben, um sich an Ort und Stelle über diesen Gegenstand zu unterrichten.

erforderlichen Geldmittel aufzutreiben, so kann noch die mittlere Generation unserer Zeitgenossen erleben, daß man von Wien nicht nur nach Constantinopel, sondern bis nach Kleinasien und Ägypten, ja bis an die Grenzen von Abyssinien und in das Innere von Afrika und Asien vermittelst Dampfwagen und Eisenbahnen gelangen kann.

Nicht minder muß es Östreich daran gelegen sein, Wien und Ungarn mit Triest und Venedig in Eisenbahnverbindung zu bringen, schon darum, weil erst durch diese Verbindung die bereits im Bau begriffene Bahn von Venedig nach Mailand in militärischer wie in commercieller Beziehung ihre volle Bedeutung erlangt.

Auch die Schweiz fühlt bereits, daß sie inmitten dieser großen Bewegung nicht stehen bleiben darf; sie projectirt bereits eine Route von Basel über Zürich bis Chur, um dadurch Deutschland und Frankreich mit dem italienischen Eisenbahn-System in Verbindung zu setzen.

Folgendes sind die deutschen Hauptrouten, welche europäische Wichtigkeit erlangen werden:

1) in westöstlicher Richtung die Bahn von Lüttich nach Aachen und Köln, mit ihrer Fortsetzung von Elberfeld nach Minden und von da über Hannover, Braunschweig, Magdeburg und Berlin nach Rußland.

Die Bahn vom baierischen Rheinkreis nach Manheim, Frankfurt am Main, durch Thüringen nach Leipzig, Dresden, Berlin und Breslau.

Die Bahn von Straßburg über Carlsruhe, Stuttgart, Augsburg, München, Passau, Wien, durch Ungarn nach der Türkei und dem Orient.

2) in nördlich-südlicher Richtung die Bahn von den Hanse-Städten über Hannover, Kassel, Frankfurt a. M. nach Frankreich, ferner durch Baden oder Würtemberg nach der Schweiz und Italien, die Bahn von Hamburg nach Berlin und von dort einerseits über Breslau nach Wien und Triest, anderseits durch Sachsen über Nürnberg, Augsburg und München nach dem Bodensee, und jenseit des Sees über Zürich nach Chur und Italien.

Insofern die deutschen Staaten sich nicht durch ihr eigenes Interesse und durch wechselseitige Nacheiferung angespornt fühlen sollten, die Anlegung der Eisenbahnen mit Energie und durch Ergreifung großartiger Maßregeln zu betreiben, wird ihnen der Impuls dazu von Frankreich oder Belgien gegeben werden.

Das große Beispiel von Belgien und das Gelingen der kleinen Bahn von Paris nach St. Germain hat in allen Theilen von Frankreich den Wunsch nach dem Besitz dieses gewaltigen Instruments des Reichthums und der Civilisation rege gemacht, und daß die Anlegung großer Eisenbahnen in der nächsten Parlaments-Sitzung (1837 bis 1838) ein Hauptgegenstand der Verhandlungen bilden wird, erhellt schon daraus, daß nicht nur die Minister, sondern auch die Wortführer aller Parteien im verflossenen Spätsommer (1837) Belgien und England bereis’t haben, um sich an Ort und Stelle über diesen Gegenstand zu unterrichten.

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[127/0128] erforderlichen Geldmittel aufzutreiben, so kann noch die mittlere Generation unserer Zeitgenossen erleben, daß man von Wien nicht nur nach Constantinopel, sondern bis nach Kleinasien und Ägypten, ja bis an die Grenzen von Abyssinien und in das Innere von Afrika und Asien vermittelst Dampfwagen und Eisenbahnen gelangen kann. Nicht minder muß es Östreich daran gelegen sein, Wien und Ungarn mit Triest und Venedig in Eisenbahnverbindung zu bringen, schon darum, weil erst durch diese Verbindung die bereits im Bau begriffene Bahn von Venedig nach Mailand in militärischer wie in commercieller Beziehung ihre volle Bedeutung erlangt. Auch die Schweiz fühlt bereits, daß sie inmitten dieser großen Bewegung nicht stehen bleiben darf; sie projectirt bereits eine Route von Basel über Zürich bis Chur, um dadurch Deutschland und Frankreich mit dem italienischen Eisenbahn-System in Verbindung zu setzen. Folgendes sind die deutschen Hauptrouten, welche europäische Wichtigkeit erlangen werden: 1) in westöstlicher Richtung die Bahn von Lüttich nach Aachen und Köln, mit ihrer Fortsetzung von Elberfeld nach Minden und von da über Hannover, Braunschweig, Magdeburg und Berlin nach Rußland. Die Bahn vom baierischen Rheinkreis nach Manheim, Frankfurt am Main, durch Thüringen nach Leipzig, Dresden, Berlin und Breslau. Die Bahn von Straßburg über Carlsruhe, Stuttgart, Augsburg, München, Passau, Wien, durch Ungarn nach der Türkei und dem Orient. 2) in nördlich-südlicher Richtung die Bahn von den Hanse-Städten über Hannover, Kassel, Frankfurt a. M. nach Frankreich, ferner durch Baden oder Würtemberg nach der Schweiz und Italien, die Bahn von Hamburg nach Berlin und von dort einerseits über Breslau nach Wien und Triest, anderseits durch Sachsen über Nürnberg, Augsburg und München nach dem Bodensee, und jenseit des Sees über Zürich nach Chur und Italien. Insofern die deutschen Staaten sich nicht durch ihr eigenes Interesse und durch wechselseitige Nacheiferung angespornt fühlen sollten, die Anlegung der Eisenbahnen mit Energie und durch Ergreifung großartiger Maßregeln zu betreiben, wird ihnen der Impuls dazu von Frankreich oder Belgien gegeben werden. Das große Beispiel von Belgien und das Gelingen der kleinen Bahn von Paris nach St. Germain hat in allen Theilen von Frankreich den Wunsch nach dem Besitz dieses gewaltigen Instruments des Reichthums und der Civilisation rege gemacht, und daß die Anlegung großer Eisenbahnen in der nächsten Parlaments-Sitzung (1837 bis 1838) ein Hauptgegenstand der Verhandlungen bilden wird, erhellt schon daraus, daß nicht nur die Minister, sondern auch die Wortführer aller Parteien im verflossenen Spätsommer (1837) Belgien und England bereis’t haben, um sich an Ort und Stelle über diesen Gegenstand zu unterrichten.

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Zitationshilfe: List, Friedrich: Das deutsche National-Transport-System in volks- und staatswirthschaftlicher Beziehung. Altona u. a., 1838, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/list_transportsystem_1838/128>, abgerufen am 26.04.2024.