klügste, so der Hr. Manzel thun kan. Aber daß er den Leuten weiß machen will, er könne wohl ant- worten, wenn er nur wolte, und würde es auch thun, wenn er nur seines Gegners Nahmen wüste, ist ein wenig zu viel. Wer will ihm das glauben? Die Ursache, so er von seinem Stillschweigen giebt, ist gewiß nicht weit her. Denn was liegt ihm daran, wie sein Widersacher heisset? Antworte er, wenn er was Kluges vorzubringen hat, und laß ihn heissen wie er will. Allein er kan nicht, und thut also wohl, daß er still schweiget. Nur muß er nicht, bey seiner Schwachheit, pochen, und groß thun. Ein solcher Trotz, als er bezeuget, stehet ihm in der That sehr übel an, macht ihn alles Mittleidens unwürdig, und reichet nicht zu, sein Unvermögen vor den Augen kluger Leute zu verbergen. Der Kunst-Grif, dessen sich die angefochtenen und noth- leidenden Scribenten von je her zu bedienen gewoh- net sind, ut, quae dicendo refutare non possunt, quasi fastidiendo calcent. (Quinctilianus instit. Orat. L. V. Cap. 13.) ist heutiges Tages gar zu bekannt.
No. XXXII.
Göttingen. Von dort aus hat eine unbekand- te Hand uns drey Stücke einer Schrift, die wö- chentlich alle Donnerstag daselbst ausgegeben wird, übersandt. Sie hat den Titul: Der Freydenker, und beträgt jedesmahl einen halben Bogen in Qvart. Es scheinet dieser neue Sitten- oder Vernunft-Leh- rer wohl durch nichts als den innerlichen Ruf, wel- chen er im Magen fühlet, zur Ausgabe dieser Blät- ter bewogen zu seyn:
- - - - - Paupertas impulit audax. Horat. Lib. II. Ep. II.
Das
L l l
(o)
kluͤgſte, ſo der Hr. Manzel thun kan. Aber daß er den Leuten weiß machen will, er koͤnne wohl ant- worten, wenn er nur wolte, und wuͤrde es auch thun, wenn er nur ſeines Gegners Nahmen wuͤſte, iſt ein wenig zu viel. Wer will ihm das glauben? Die Urſache, ſo er von ſeinem Stillſchweigen giebt, iſt gewiß nicht weit her. Denn was liegt ihm daran, wie ſein Widerſacher heiſſet? Antworte er, wenn er was Kluges vorzubringen hat, und laß ihn heiſſen wie er will. Allein er kan nicht, und thut alſo wohl, daß er ſtill ſchweiget. Nur muß er nicht, bey ſeiner Schwachheit, pochen, und groß thun. Ein ſolcher Trotz, als er bezeuget, ſtehet ihm in der That ſehr uͤbel an, macht ihn alles Mittleidens unwuͤrdig, und reichet nicht zu, ſein Unvermoͤgen vor den Augen kluger Leute zu verbergen. Der Kunſt-Grif, deſſen ſich die angefochtenen und noth- leidenden Scribenten von je her zu bedienen gewoh- net ſind, ut, quæ dicendo refutare non poſſunt, quaſi faſtidiendo calcent. (Quinctilianus inſtit. Orat. L. V. Cap. 13.) iſt heutiges Tages gar zu bekañt.
No. XXXII.
Goͤttingen. Von dort aus hat eine unbekand- te Hand uns drey Stuͤcke einer Schrift, die woͤ- chentlich alle Donnerſtag daſelbſt ausgegeben wird, uͤberſandt. Sie hat den Titul: Der Freydenker, und betraͤgt jedesmahl einen halben Bogen in Qvart. Es ſcheinet dieſer neue Sitten- oder Vernunft-Leh- rer wohl durch nichts als den innerlichen Ruf, wel- chen er im Magen fuͤhlet, zur Ausgabe dieſer Blaͤt- ter bewogen zu ſeyn:
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Paupertas impulit audax. Horat. Lib. II. Ep. II.
Das
L l l
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0989"n="869[897]"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
kluͤgſte, ſo der Hr. Manzel thun kan. Aber daß<lb/>
er den Leuten weiß machen will, er koͤnne wohl ant-<lb/>
worten, wenn er nur wolte, und wuͤrde es auch<lb/>
thun, wenn er nur ſeines Gegners Nahmen wuͤſte,<lb/>
iſt ein wenig zu viel. Wer will ihm das glauben?<lb/>
Die Urſache, ſo er von ſeinem Stillſchweigen giebt,<lb/>
iſt gewiß nicht weit her. Denn was liegt ihm<lb/>
daran, wie ſein Widerſacher heiſſet? Antworte er,<lb/>
wenn er was Kluges vorzubringen hat, und laß ihn<lb/>
heiſſen wie er will. Allein er kan nicht, und thut alſo<lb/>
wohl, daß er ſtill ſchweiget. Nur muß er nicht,<lb/>
bey ſeiner Schwachheit, pochen, und groß thun.<lb/>
Ein ſolcher Trotz, als er bezeuget, ſtehet ihm in der<lb/>
That ſehr uͤbel an, macht ihn alles Mittleidens<lb/>
unwuͤrdig, und reichet nicht zu, ſein Unvermoͤgen<lb/>
vor den Augen kluger Leute zu verbergen. Der<lb/>
Kunſt-Grif, deſſen ſich die angefochtenen und noth-<lb/>
leidenden Scribenten von je her zu bedienen gewoh-<lb/>
net ſind, <hirendition="#aq">ut, quæ dicendo refutare non poſſunt,<lb/>
quaſi faſtidiendo calcent. (Quinctilianus inſtit.<lb/>
Orat. L. V. Cap.</hi> 13.) iſt heutiges Tages gar zu bekañt.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq">No. XXXII.</hi></head><lb/><p><hirendition="#fr">Goͤttingen.</hi> Von dort aus hat eine unbekand-<lb/>
te Hand uns drey Stuͤcke einer Schrift, die woͤ-<lb/>
chentlich alle Donnerſtag daſelbſt ausgegeben wird,<lb/>
uͤberſandt. Sie hat den Titul: Der Freydenker,<lb/>
und betraͤgt jedesmahl einen halben Bogen in Qvart.<lb/>
Es ſcheinet dieſer neue Sitten- oder Vernunft-Leh-<lb/>
rer wohl durch nichts als den innerlichen Ruf, wel-<lb/>
chen er im Magen fuͤhlet, zur Ausgabe dieſer Blaͤt-<lb/>
ter bewogen zu ſeyn:</p><lb/><cit><quote>‒‒‒‒‒<hirendition="#aq">Paupertas impulit audax.<lb/><hirendition="#et">Horat. Lib. II. Ep. II.</hi></hi></quote></cit><lb/><fwplace="bottom"type="sig">L l l</fw><fwplace="bottom"type="catch">Das</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[869[897]/0989]
(o)
kluͤgſte, ſo der Hr. Manzel thun kan. Aber daß
er den Leuten weiß machen will, er koͤnne wohl ant-
worten, wenn er nur wolte, und wuͤrde es auch
thun, wenn er nur ſeines Gegners Nahmen wuͤſte,
iſt ein wenig zu viel. Wer will ihm das glauben?
Die Urſache, ſo er von ſeinem Stillſchweigen giebt,
iſt gewiß nicht weit her. Denn was liegt ihm
daran, wie ſein Widerſacher heiſſet? Antworte er,
wenn er was Kluges vorzubringen hat, und laß ihn
heiſſen wie er will. Allein er kan nicht, und thut alſo
wohl, daß er ſtill ſchweiget. Nur muß er nicht,
bey ſeiner Schwachheit, pochen, und groß thun.
Ein ſolcher Trotz, als er bezeuget, ſtehet ihm in der
That ſehr uͤbel an, macht ihn alles Mittleidens
unwuͤrdig, und reichet nicht zu, ſein Unvermoͤgen
vor den Augen kluger Leute zu verbergen. Der
Kunſt-Grif, deſſen ſich die angefochtenen und noth-
leidenden Scribenten von je her zu bedienen gewoh-
net ſind, ut, quæ dicendo refutare non poſſunt,
quaſi faſtidiendo calcent. (Quinctilianus inſtit.
Orat. L. V. Cap. 13.) iſt heutiges Tages gar zu bekañt.
No. XXXII.
Goͤttingen. Von dort aus hat eine unbekand-
te Hand uns drey Stuͤcke einer Schrift, die woͤ-
chentlich alle Donnerſtag daſelbſt ausgegeben wird,
uͤberſandt. Sie hat den Titul: Der Freydenker,
und betraͤgt jedesmahl einen halben Bogen in Qvart.
Es ſcheinet dieſer neue Sitten- oder Vernunft-Leh-
rer wohl durch nichts als den innerlichen Ruf, wel-
chen er im Magen fuͤhlet, zur Ausgabe dieſer Blaͤt-
ter bewogen zu ſeyn:
‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Paupertas impulit audax.
Horat. Lib. II. Ep. II.
Das
L l l
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 869[897]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/989>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.