Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].(Little remembrance.) Im Schneegestöber mag die Stadt ertrinken, Was kümmert's mich, ich sitze warm und trocken. Bemerklich kaum hör' ich die Thüre klinken, Und hinter mir schleicht irgendwer auf Socken, Um raschen Sprungs an meine Brust zu sinken! Ich thue wild und grenzenlos erschrocken. Sie lacht wie toll, die weißen Zähne blinken, Auf ihren Backen schmelzen noch die Flocken. Die Zähne aufeinander, weit die Augen, Willst du das Ungeheuer "Leben" binden. Es gilt! Nimm Waffen, die zum Kampfe taugen, Ein schlaffes Volk, das gleich sich giebt den Winden. Voran denn! Bade dich in scharfen Laugen, Und nage, muß es sein, an harten Rinden. Geduld! Am Ende wirst du Honig saugen, Und wohnen unter selbstgepflanzten Linden. (Reinigung.) Es singt ein Lied von Felix Mendelmaier Der lange Lieutenant mit dem Ordensbändel. Das alte Fräulein brütet Rätseleier, Besorgt den Thee und duftet nach Lavendel. "O Isis" baßt der Rath, der liebe Schreier. Weh mir, wie langsam schwingt der Abendpendel. Zu Ende. Gott sei Dank. Ich atme freier, Und bade mich daheim in Bach und Händel. (Little remembrance.) Im Schneegeſtöber mag die Stadt ertrinken, Was kümmert’s mich, ich ſitze warm und trocken. Bemerklich kaum hör’ ich die Thüre klinken, Und hinter mir ſchleicht irgendwer auf Socken, Um raſchen Sprungs an meine Bruſt zu ſinken! Ich thue wild und grenzenlos erſchrocken. Sie lacht wie toll, die weißen Zähne blinken, Auf ihren Backen ſchmelzen noch die Flocken. Die Zähne aufeinander, weit die Augen, Willſt du das Ungeheuer „Leben“ binden. Es gilt! Nimm Waffen, die zum Kampfe taugen, Ein ſchlaffes Volk, das gleich ſich giebt den Winden. Voran denn! Bade dich in ſcharfen Laugen, Und nage, muß es ſein, an harten Rinden. Geduld! Am Ende wirſt du Honig ſaugen, Und wohnen unter ſelbſtgepflanzten Linden. (Reinigung.) Es ſingt ein Lied von Felix Mendelmaier Der lange Lieutenant mit dem Ordensbändel. Das alte Fräulein brütet Rätſeleier, Beſorgt den Thee und duftet nach Lavendel. „O Iſis“ baßt der Rath, der liebe Schreier. Weh mir, wie langſam ſchwingt der Abendpendel. Zu Ende. Gott ſei Dank. Ich atme freier, Und bade mich daheim in Bach und Händel. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="11" facs="#f0019"/> <div n="2"> <head>(<hi rendition="#b">Little remembrance.</hi>)</head><lb/> <lg type="poem"> <l>Im Schneegeſtöber mag die Stadt ertrinken,</l><lb/> <l>Was kümmert’s mich, ich ſitze warm und trocken.</l><lb/> <l>Bemerklich kaum hör’ ich die Thüre klinken,</l><lb/> <l>Und hinter mir ſchleicht irgendwer auf Socken,</l><lb/> <l>Um raſchen Sprungs an meine Bruſt zu ſinken!</l><lb/> <l>Ich thue wild und grenzenlos erſchrocken.</l><lb/> <l>Sie lacht wie toll, die weißen Zähne blinken,</l><lb/> <l>Auf ihren Backen ſchmelzen noch die Flocken.</l> </lg><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <lg type="poem"> <l>Die Zähne aufeinander, weit die Augen,</l><lb/> <l>Willſt du das Ungeheuer „Leben“ binden.</l><lb/> <l>Es gilt! Nimm Waffen, die zum Kampfe taugen,</l><lb/> <l>Ein ſchlaffes Volk, das gleich ſich giebt den Winden.</l><lb/> <l>Voran denn! Bade dich in ſcharfen Laugen,</l><lb/> <l>Und nage, muß es ſein, an harten Rinden.</l><lb/> <l>Geduld! Am Ende wirſt du Honig ſaugen,</l><lb/> <l>Und wohnen unter ſelbſtgepflanzten Linden.</l> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head>(<hi rendition="#b">Reinigung.</hi>)</head><lb/> <lg type="poem"> <l>Es ſingt ein Lied von Felix Mendelmaier</l><lb/> <l>Der lange Lieutenant mit dem Ordensbändel.</l><lb/> <l>Das alte Fräulein brütet Rätſeleier,</l><lb/> <l>Beſorgt den Thee und duftet nach Lavendel.</l><lb/> <l>„O Iſis“ baßt der Rath, der liebe Schreier.</l><lb/> <l>Weh mir, wie langſam ſchwingt der Abendpendel.</l><lb/> <l>Zu Ende. Gott ſei Dank. Ich atme freier,</l><lb/> <l>Und bade mich daheim in Bach und Händel.</l> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </body> </text> </TEI> [11/0019]
(Little remembrance.)
Im Schneegeſtöber mag die Stadt ertrinken,
Was kümmert’s mich, ich ſitze warm und trocken.
Bemerklich kaum hör’ ich die Thüre klinken,
Und hinter mir ſchleicht irgendwer auf Socken,
Um raſchen Sprungs an meine Bruſt zu ſinken!
Ich thue wild und grenzenlos erſchrocken.
Sie lacht wie toll, die weißen Zähne blinken,
Auf ihren Backen ſchmelzen noch die Flocken.
Die Zähne aufeinander, weit die Augen,
Willſt du das Ungeheuer „Leben“ binden.
Es gilt! Nimm Waffen, die zum Kampfe taugen,
Ein ſchlaffes Volk, das gleich ſich giebt den Winden.
Voran denn! Bade dich in ſcharfen Laugen,
Und nage, muß es ſein, an harten Rinden.
Geduld! Am Ende wirſt du Honig ſaugen,
Und wohnen unter ſelbſtgepflanzten Linden.
(Reinigung.)
Es ſingt ein Lied von Felix Mendelmaier
Der lange Lieutenant mit dem Ordensbändel.
Das alte Fräulein brütet Rätſeleier,
Beſorgt den Thee und duftet nach Lavendel.
„O Iſis“ baßt der Rath, der liebe Schreier.
Weh mir, wie langſam ſchwingt der Abendpendel.
Zu Ende. Gott ſei Dank. Ich atme freier,
Und bade mich daheim in Bach und Händel.
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Zitationshilfe: | Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/19>, abgerufen am 04.03.2025. |