Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].(Jagdstück.) Der Edelhirsch hebt stolz die sechszehn Enden, Und sichert, thaubedeckt, in Morgenfunken. Diana schürzt sich, um den Pfeil zu senden, Die Rüdenhunde läuten, todgiertrunken. Durch Busch und Bruch, es neigt die Kraft der Lenden, Am stillen Waldteich ist er hingesunken. Halali, Zinkentusch und Jubelspenden, Die Trauermesse halten Nix und Unken. Wohin die Zeit, als meine Brust umbrandet Von Wettern und von schweren Schicksalschlägen. Im Sicherhafen bin ich längst gelandet, Und wandle stumpf in ausgetretnen Wegen. Fast wär's mein Wunsch, daß ich im Sturm gestrandet, Ein Ufernichterreichender, erlegen. Als daß ich hier, verrostet und versandet, Ein altes Wrack, um das die Winde fegen. (Meiner Mutter.) Wie oft sah ich die blassen Hände nähen, Ein Stück für mich -- wie liebevoll du sorgtest. Ich sah zum Himmel deine Augen flehen, Ein Wunsch für mich -- wie liebevoll du sorgtest. Und an mein Bett kamst du mit leisen Zehen, Ein Schutz für mich -- wie sorgenvoll du horchtest. Schon längst dein Grab die Winde überwehen, Ein Gruß für mich -- wie liebevoll du sorgtest. (Jagdſtück.) Der Edelhirſch hebt ſtolz die ſechszehn Enden, Und ſichert, thaubedeckt, in Morgenfunken. Diana ſchürzt ſich, um den Pfeil zu ſenden, Die Rüdenhunde läuten, todgiertrunken. Durch Buſch und Bruch, es neigt die Kraft der Lenden, Am ſtillen Waldteich iſt er hingeſunken. Halali, Zinkentuſch und Jubelſpenden, Die Trauermeſſe halten Nix und Unken. Wohin die Zeit, als meine Bruſt umbrandet Von Wettern und von ſchweren Schickſalſchlägen. Im Sicherhafen bin ich längſt gelandet, Und wandle ſtumpf in ausgetretnen Wegen. Faſt wär’s mein Wunſch, daß ich im Sturm geſtrandet, Ein Ufernichterreichender, erlegen. Als daß ich hier, verroſtet und verſandet, Ein altes Wrack, um das die Winde fegen. (Meiner Mutter.) Wie oft ſah ich die blaſſen Hände nähen, Ein Stück für mich — wie liebevoll du ſorgteſt. Ich ſah zum Himmel deine Augen flehen, Ein Wunſch für mich — wie liebevoll du ſorgteſt. Und an mein Bett kamſt du mit leiſen Zehen, Ein Schutz für mich — wie ſorgenvoll du horchteſt. Schon längſt dein Grab die Winde überwehen, Ein Gruß für mich — wie liebevoll du ſorgteſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb n="10" facs="#f0018"/> <div n="2"> <head>(<hi rendition="#b">Jagdſtück.</hi>)</head><lb/> <lg type="poem"> <l>Der Edelhirſch hebt ſtolz die ſechszehn Enden,</l><lb/> <l>Und ſichert, thaubedeckt, in Morgenfunken.</l><lb/> <l>Diana ſchürzt ſich, um den Pfeil zu ſenden,</l><lb/> <l>Die Rüdenhunde läuten, todgiertrunken.</l><lb/> <l>Durch Buſch und Bruch, es neigt die Kraft der Lenden,</l><lb/> <l>Am ſtillen Waldteich iſt er hingeſunken.</l><lb/> <l>Halali, Zinkentuſch und Jubelſpenden,</l><lb/> <l>Die Trauermeſſe halten Nix und Unken.</l> </lg><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <lg type="poem"> <l>Wohin die Zeit, als meine Bruſt umbrandet</l><lb/> <l>Von Wettern und von ſchweren Schickſalſchlägen.</l><lb/> <l>Im Sicherhafen bin ich längſt gelandet,</l><lb/> <l>Und wandle ſtumpf in ausgetretnen Wegen.</l><lb/> <l>Faſt wär’s mein Wunſch, daß ich im Sturm geſtrandet,</l><lb/> <l>Ein Ufernichterreichender, erlegen.</l><lb/> <l>Als daß ich hier, verroſtet und verſandet,</l><lb/> <l>Ein altes Wrack, um das die Winde fegen.</l> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head>(<hi rendition="#b">Meiner Mutter.</hi>)</head><lb/> <lg type="poem"> <l>Wie oft ſah ich die blaſſen Hände nähen,</l><lb/> <l>Ein Stück für mich — wie liebevoll du ſorgteſt.</l><lb/> <l>Ich ſah zum Himmel deine Augen flehen,</l><lb/> <l>Ein Wunſch für mich — wie liebevoll du ſorgteſt.</l><lb/> <l>Und an mein Bett kamſt du mit leiſen Zehen,</l><lb/> <l>Ein Schutz für mich — wie ſorgenvoll du horchteſt.</l><lb/> <l>Schon längſt dein Grab die Winde überwehen,</l><lb/> <l>Ein Gruß für mich — wie liebevoll du ſorgteſt.</l> </lg> </div><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </body> </text> </TEI> [10/0018]
(Jagdſtück.)
Der Edelhirſch hebt ſtolz die ſechszehn Enden,
Und ſichert, thaubedeckt, in Morgenfunken.
Diana ſchürzt ſich, um den Pfeil zu ſenden,
Die Rüdenhunde läuten, todgiertrunken.
Durch Buſch und Bruch, es neigt die Kraft der Lenden,
Am ſtillen Waldteich iſt er hingeſunken.
Halali, Zinkentuſch und Jubelſpenden,
Die Trauermeſſe halten Nix und Unken.
Wohin die Zeit, als meine Bruſt umbrandet
Von Wettern und von ſchweren Schickſalſchlägen.
Im Sicherhafen bin ich längſt gelandet,
Und wandle ſtumpf in ausgetretnen Wegen.
Faſt wär’s mein Wunſch, daß ich im Sturm geſtrandet,
Ein Ufernichterreichender, erlegen.
Als daß ich hier, verroſtet und verſandet,
Ein altes Wrack, um das die Winde fegen.
(Meiner Mutter.)
Wie oft ſah ich die blaſſen Hände nähen,
Ein Stück für mich — wie liebevoll du ſorgteſt.
Ich ſah zum Himmel deine Augen flehen,
Ein Wunſch für mich — wie liebevoll du ſorgteſt.
Und an mein Bett kamſt du mit leiſen Zehen,
Ein Schutz für mich — wie ſorgenvoll du horchteſt.
Schon längſt dein Grab die Winde überwehen,
Ein Gruß für mich — wie liebevoll du ſorgteſt.
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Zitationshilfe: | Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/18>, abgerufen am 04.03.2025. |