Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].Adjutantenritte. Herrn Oberst A. v. Schell zugeeignet. (Erinnerungen aus einer Januarschlacht). Zu spät. Der Oberbefehlshaber hatte um Mitternacht den um ihn Es war drei Uhr morgens, als wir Adjutanten, uns die Als ich den Befehl zum Vormarsch verlesen, erhielt ich Dann ritt ich ab. Der Frühmorgen zeigte ein mürrisches Adjutantenritte. Herrn Oberſt A. v. Schell zugeeignet. (Erinnerungen aus einer Januarſchlacht). Zu ſpät. Der Oberbefehlshaber hatte um Mitternacht den um ihn Es war drei Uhr morgens, als wir Adjutanten, uns die Als ich den Befehl zum Vormarſch verleſen, erhielt ich Dann ritt ich ab. Der Frühmorgen zeigte ein mürriſches <TEI> <text> <body> <pb n="143" facs="#f0151"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Adjutantenritte.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Herrn Oberſt A. v. Schell zugeeignet.</hi> </hi> </p><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <p> <hi rendition="#c">(Erinnerungen aus einer Januarſchlacht).</hi> </p><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Zu ſpät.</hi> </head><lb/> <p>Der Oberbefehlshaber hatte um Mitternacht den um ihn<lb/> verſammelten Generalſtabsoffizieren und von allen Seiten<lb/> zum Befehlsempfang herbeigeeilten Adjutanten die Dispo-<lb/> ſitionen zur Schlacht für den folgenden Tag ſelbſt diktiert.<lb/> Klar und ruhig ſprach er jedes Wort, den Rücken gegen<lb/> den Kamin kehrend und ſich die Hände wärmend. Ohne<lb/> ein einziges Mal zu ſtocken, vollendete er den Armeebefehl.</p><lb/> <p>Es war drei Uhr morgens, als wir Adjutanten, uns die<lb/> Hände zum Abſchiede reichend, zu unſern Truppenteilen<lb/> zurückritten. Ich konnte erſt in drei bis vier Stunden bei<lb/> meinem General ſein. Es war eine naßkalte, windige<lb/> Winternacht mit ſpärlichem Monde. Meine beiden mich be-<lb/> gleitenden Huſaren und ich kamen ohne Abenteuer im Quartiere<lb/> an. Ich traf den General „fix und fertig.“ Er hatte ſich<lb/> unausgekleidet auf’s Bett gelegt und nur von ſeinen Män-<lb/> teln zudecken laſſen.</p><lb/> <p>Als ich den Befehl zum Vormarſch verleſen, erhielt ich<lb/> von ihm die Weiſung, ungeſäumt nach dem rechten Flügel<lb/> zu reiten, um dorthin eine wichtige Meldung zu bringen.<lb/> Ich hätte gerne einen heißen Schluck gehabt, aber der Kaffee<lb/> war noch nicht fertig; ſo nahm ich, was ich gerade fand.<lb/> Es wurde raſch eine Flaſche Sekt geleert, die der General ſo<lb/> liebenswürdig war mit mir zu teilen. Wir tranken ihn<lb/> aus Taſſen. Roher Schinken ſchmeckte nicht übel dazu.</p><lb/> <p>Dann ritt ich ab. Der Frühmorgen zeigte ein mürriſches<lb/> Geſicht; nur der Wind hatte ſich gelegt; dumpf und ſtill<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [143/0151]
Adjutantenritte.
Herrn Oberſt A. v. Schell zugeeignet.
(Erinnerungen aus einer Januarſchlacht).
Zu ſpät.
Der Oberbefehlshaber hatte um Mitternacht den um ihn
verſammelten Generalſtabsoffizieren und von allen Seiten
zum Befehlsempfang herbeigeeilten Adjutanten die Dispo-
ſitionen zur Schlacht für den folgenden Tag ſelbſt diktiert.
Klar und ruhig ſprach er jedes Wort, den Rücken gegen
den Kamin kehrend und ſich die Hände wärmend. Ohne
ein einziges Mal zu ſtocken, vollendete er den Armeebefehl.
Es war drei Uhr morgens, als wir Adjutanten, uns die
Hände zum Abſchiede reichend, zu unſern Truppenteilen
zurückritten. Ich konnte erſt in drei bis vier Stunden bei
meinem General ſein. Es war eine naßkalte, windige
Winternacht mit ſpärlichem Monde. Meine beiden mich be-
gleitenden Huſaren und ich kamen ohne Abenteuer im Quartiere
an. Ich traf den General „fix und fertig.“ Er hatte ſich
unausgekleidet auf’s Bett gelegt und nur von ſeinen Män-
teln zudecken laſſen.
Als ich den Befehl zum Vormarſch verleſen, erhielt ich
von ihm die Weiſung, ungeſäumt nach dem rechten Flügel
zu reiten, um dorthin eine wichtige Meldung zu bringen.
Ich hätte gerne einen heißen Schluck gehabt, aber der Kaffee
war noch nicht fertig; ſo nahm ich, was ich gerade fand.
Es wurde raſch eine Flaſche Sekt geleert, die der General ſo
liebenswürdig war mit mir zu teilen. Wir tranken ihn
aus Taſſen. Roher Schinken ſchmeckte nicht übel dazu.
Dann ritt ich ab. Der Frühmorgen zeigte ein mürriſches
Geſicht; nur der Wind hatte ſich gelegt; dumpf und ſtill
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Zitationshilfe: | Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/151>, abgerufen am 04.03.2025. |