Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].Hier hatte ein heißer Kampf stattgefunden. Thür und Einige Schritte vor seinen Soldaten, kurz vor der ein- Frühlingsfriede. Es war so still wie Stein auf Gräbern II. Dieselbe Frühlingsnacht lag auch auf Wald und Feld, Hier hatte ein heißer Kampf ſtattgefunden. Thür und Einige Schritte vor ſeinen Soldaten, kurz vor der ein- Frühlingsfriede. Es war ſo ſtill wie Stein auf Gräbern II. Dieſelbe Frühlingsnacht lag auch auf Wald und Feld, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="140" facs="#f0148"/> <p>Hier hatte ein heißer Kampf ſtattgefunden. Thür und<lb/> Fenſter waren zertrümmert; Kugelſpuren an den Wänden.<lb/> Gefallene Grenadiere, Schmerz und Wuth noch auf den<lb/> Geſichtern, hatten mit ihrem Blut den Raſen gefärbt. Einer<lb/> lehnte am Sockel der Diana. Sein Nacken war zurückge-<lb/> bogen; die halb offenen Augen blickten zu ihr auf. Die<lb/> altitaliſche Göttin hatte dem deutſchen Krieger den Weg zur<lb/> Walhalla gezeigt.</p><lb/> <p>Einige Schritte vor ſeinen Soldaten, kurz vor der ein-<lb/> geſchlagenen Thür, lag ausgeſtreckt ein junger Offizier. Das<lb/> blaſſe Antlitz war zur Seite geneigt. Unter dem Helm her-<lb/> vor drängte ſich zwiſchen die gebrochenen Augen eine dichte<lb/> ſchwarze Locke. Seine Rechte hielt noch, wie im Leben, den<lb/> Degen umfaßt. Die Linke lag auf dem Herzen. Nur ein<lb/> einziger Blutstropfen war ihm aus der Wunde auf die Hand<lb/> geträufelt, im Sternenlicht glänzend, als wäre er ein Rubin,<lb/> der zu dem kleinen, den vierten Finger umſchließenden Gold-<lb/> reifen gehöre ....</p><lb/> <p>Frühlingsfriede. Es war ſo ſtill wie Stein auf Gräbern<lb/> ruht. Ab und zu nur rauſchte ein Windhauch durch die<lb/> Zweige, klagend und gleichgültig zugleich: er rauſchte das<lb/> ewige Lied des Todes — der Entſagung.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">II.</hi> </head><lb/> <p>Dieſelbe Frühlingsnacht lag auch auf Wald und Feld,<lb/> auf Stadt und Dorf im Norden unſeres Vaterlandes. In<lb/> dem kleinen Orte war alles ſchon zur Ruhe gegangen. Auch<lb/> in dem großen, ſchloßartigen Hauſe des Amtmannes ſchien<lb/> Alles ſtill. Hinter den Fenſtern waren die weißen Rouleaux<lb/> hinuntergelaſſen. Nur nach der Gartenſeite im Erdgeſchoß,<lb/> waren zwei Fenſter weit geöffnet. Ein perſiſcher Teppich<lb/> bedeckte den Fußboden des Zimmers. Auf dem runden Tiſch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0148]
Hier hatte ein heißer Kampf ſtattgefunden. Thür und
Fenſter waren zertrümmert; Kugelſpuren an den Wänden.
Gefallene Grenadiere, Schmerz und Wuth noch auf den
Geſichtern, hatten mit ihrem Blut den Raſen gefärbt. Einer
lehnte am Sockel der Diana. Sein Nacken war zurückge-
bogen; die halb offenen Augen blickten zu ihr auf. Die
altitaliſche Göttin hatte dem deutſchen Krieger den Weg zur
Walhalla gezeigt.
Einige Schritte vor ſeinen Soldaten, kurz vor der ein-
geſchlagenen Thür, lag ausgeſtreckt ein junger Offizier. Das
blaſſe Antlitz war zur Seite geneigt. Unter dem Helm her-
vor drängte ſich zwiſchen die gebrochenen Augen eine dichte
ſchwarze Locke. Seine Rechte hielt noch, wie im Leben, den
Degen umfaßt. Die Linke lag auf dem Herzen. Nur ein
einziger Blutstropfen war ihm aus der Wunde auf die Hand
geträufelt, im Sternenlicht glänzend, als wäre er ein Rubin,
der zu dem kleinen, den vierten Finger umſchließenden Gold-
reifen gehöre ....
Frühlingsfriede. Es war ſo ſtill wie Stein auf Gräbern
ruht. Ab und zu nur rauſchte ein Windhauch durch die
Zweige, klagend und gleichgültig zugleich: er rauſchte das
ewige Lied des Todes — der Entſagung.
II.
Dieſelbe Frühlingsnacht lag auch auf Wald und Feld,
auf Stadt und Dorf im Norden unſeres Vaterlandes. In
dem kleinen Orte war alles ſchon zur Ruhe gegangen. Auch
in dem großen, ſchloßartigen Hauſe des Amtmannes ſchien
Alles ſtill. Hinter den Fenſtern waren die weißen Rouleaux
hinuntergelaſſen. Nur nach der Gartenſeite im Erdgeſchoß,
waren zwei Fenſter weit geöffnet. Ein perſiſcher Teppich
bedeckte den Fußboden des Zimmers. Auf dem runden Tiſch
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Zitationshilfe: | Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/148>, abgerufen am 04.03.2025. |