Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].(Hinterm Deich.) Noch einmal rechts und links den Blick geschwind, Dann in das kleine Käthnerhaus hinein. Und vor mir steht ein schlankes, blondes Kind Madonnenhaft im Winterabendschein. Zwei Jahrmarktspudel schaun vom Kleiderspind, Und weinen Glas, und sind so hübsch und fein. Die Purpursonne schickt den Westerwind Mit letzten Grüßen unserm Stelldichein. Auf der Marschinsel. Düke Nommsen, der Strandvogt, stand vor mir. Uber Düke Nommsen, der Strandvogt, stand vor mir. Er- "Nun, Nommsen, was hast du, was giebt's?" Schon (Hinterm Deich.) Noch einmal rechts und links den Blick geſchwind, Dann in das kleine Käthnerhaus hinein. Und vor mir ſteht ein ſchlankes, blondes Kind Madonnenhaft im Winterabendſchein. Zwei Jahrmarktspudel ſchaun vom Kleiderſpind, Und weinen Glas, und ſind ſo hübſch und fein. Die Purpurſonne ſchickt den Weſterwind Mit letzten Grüßen unſerm Stelldichein. Auf der Marſchinſel. Düke Nommſen, der Strandvogt, ſtand vor mir. Uber Düke Nommſen, der Strandvogt, ſtand vor mir. Er- „Nun, Nommſen, was haſt du, was giebt’s?“ Schon <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0143" n="135"/> <div n="2"> <head>(<hi rendition="#b">Hinterm Deich.</hi>)</head><lb/> <lg type="poem"> <l>Noch einmal rechts und links den Blick geſchwind,</l><lb/> <l>Dann in das kleine Käthnerhaus hinein.</l><lb/> <l>Und vor mir ſteht ein ſchlankes, blondes Kind</l><lb/> <l>Madonnenhaft im Winterabendſchein.</l><lb/> <l>Zwei Jahrmarktspudel ſchaun vom Kleiderſpind,</l><lb/> <l>Und weinen Glas, und ſind ſo hübſch und fein.</l><lb/> <l>Die Purpurſonne ſchickt den Weſterwind</l><lb/> <l>Mit letzten Grüßen unſerm Stelldichein.</l> </lg> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Auf der Marſchinſel.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p><hi rendition="#in">D</hi>üke Nommſen, der Strandvogt, ſtand vor mir. Uber<lb/> 50 Jahre hatte der Regen Rinnen in ſein bartloſes Antlitz<lb/> gefurcht, hatten die Winde verſucht, das ſtets kurzgeſchorene<lb/> Haar zu packen. Über 50 Jahre war Düke Nommſen<lb/> Strandvogt. Er hatte mir nur zu melden, wenn etwas<lb/> ganz Beſonderes vorgefallen oder gefunden war. Das ge-<lb/> ſchah ſelten. Das gewöhnliche Strandgut ſind Balken, Tonnen,<lb/> Leichen, Wrackſtücke: Sachen die nur den Strandhauptmann<lb/> angehen.</p><lb/> <p>Düke Nommſen, der Strandvogt, ſtand vor mir. Er-<lb/> regt und — ſtumm. Die Lippen ſprachen, aber ich hörte<lb/> keine Worte.</p><lb/> <p>„Nun, Nommſen, was haſt du, was giebt’s?“ Schon<lb/> wollte ich anfangen, ungeduldig zu werden, als er heraus-<lb/> preßte: „Dat is to gräſig (grauenvoll), Herr.“ Ich nahm<lb/> Hut und Stock: „Haſt du einen Gendarmen benachrichtigt?“<lb/> Er ſchüttelte mit dem Kopfe, dann, während wir ſchon im<lb/> Gehen waren, ſagte er: „Dat deit ni nödig, Herr.“ Düke<lb/> Nommſen ſchien Alles um ſich her vergeſſen zu haben. Er,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [135/0143]
(Hinterm Deich.)
Noch einmal rechts und links den Blick geſchwind,
Dann in das kleine Käthnerhaus hinein.
Und vor mir ſteht ein ſchlankes, blondes Kind
Madonnenhaft im Winterabendſchein.
Zwei Jahrmarktspudel ſchaun vom Kleiderſpind,
Und weinen Glas, und ſind ſo hübſch und fein.
Die Purpurſonne ſchickt den Weſterwind
Mit letzten Grüßen unſerm Stelldichein.
Auf der Marſchinſel.
Düke Nommſen, der Strandvogt, ſtand vor mir. Uber
50 Jahre hatte der Regen Rinnen in ſein bartloſes Antlitz
gefurcht, hatten die Winde verſucht, das ſtets kurzgeſchorene
Haar zu packen. Über 50 Jahre war Düke Nommſen
Strandvogt. Er hatte mir nur zu melden, wenn etwas
ganz Beſonderes vorgefallen oder gefunden war. Das ge-
ſchah ſelten. Das gewöhnliche Strandgut ſind Balken, Tonnen,
Leichen, Wrackſtücke: Sachen die nur den Strandhauptmann
angehen.
Düke Nommſen, der Strandvogt, ſtand vor mir. Er-
regt und — ſtumm. Die Lippen ſprachen, aber ich hörte
keine Worte.
„Nun, Nommſen, was haſt du, was giebt’s?“ Schon
wollte ich anfangen, ungeduldig zu werden, als er heraus-
preßte: „Dat is to gräſig (grauenvoll), Herr.“ Ich nahm
Hut und Stock: „Haſt du einen Gendarmen benachrichtigt?“
Er ſchüttelte mit dem Kopfe, dann, während wir ſchon im
Gehen waren, ſagte er: „Dat deit ni nödig, Herr.“ Düke
Nommſen ſchien Alles um ſich her vergeſſen zu haben. Er,
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