Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].VI. (Einsamer Baum.) Funkelt dort die Säulenfronte, Ueberdacht von einer Pinie? Einsam, fern am Horizonte, Fern am Deich, der blassen Linie, Steht ein Bäumchen, krank und ruppig, Ohne Blätter, ohne Nest, Schwarz vom Seesalz, kraus und struppig, Arg zerzaust vom ewigen West. Einmal ist er grün geworden, Als ein heißes Land im Süden Sandte seinen Gruß nach Norden, Kuß und Trost dem Lebensmüden. Einmal blühten seine Zweige, Einmal zog ein Cymbelzug, Als in roter Sonnenneige Dort ein Herz am andern schlug. Leise kam die Flut gezogen, Trümmer hob sie von den Watten, Dunkle Halligwerften trogen, Todesfeuchte Kasematten. Durch die Luft, wie müde Greise, Schleppt ein weiß Gewölke sich, Abgemattet von der Reise, Marsch aus fremdem Himmelstrich. VI. (Einſamer Baum.) Funkelt dort die Säulenfronte, Ueberdacht von einer Pinie? Einſam, fern am Horizonte, Fern am Deich, der blaſſen Linie, Steht ein Bäumchen, krank und ruppig, Ohne Blätter, ohne Neſt, Schwarz vom Seeſalz, kraus und ſtruppig, Arg zerzauſt vom ewigen Weſt. Einmal iſt er grün geworden, Als ein heißes Land im Süden Sandte ſeinen Gruß nach Norden, Kuß und Troſt dem Lebensmüden. Einmal blühten ſeine Zweige, Einmal zog ein Cymbelzug, Als in roter Sonnenneige Dort ein Herz am andern ſchlug. Leiſe kam die Flut gezogen, Trümmer hob ſie von den Watten, Dunkle Halligwerften trogen, Todesfeuchte Kaſematten. Durch die Luft, wie müde Greiſe, Schleppt ein weiß Gewölke ſich, Abgemattet von der Reiſe, Marſch aus fremdem Himmelſtrich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0122" n="114"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#aq">VI.</hi><lb/> (Einſamer Baum.)</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Funkelt dort die Säulenfronte,</l><lb/> <l>Ueberdacht von einer Pinie?</l><lb/> <l>Einſam, fern am Horizonte,</l><lb/> <l>Fern am Deich, der blaſſen Linie,</l><lb/> <l>Steht ein Bäumchen, krank und ruppig,</l><lb/> <l>Ohne Blätter, ohne Neſt,</l><lb/> <l>Schwarz vom Seeſalz, kraus und ſtruppig,</l><lb/> <l>Arg zerzauſt vom ewigen Weſt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Einmal iſt er grün geworden,</l><lb/> <l>Als ein heißes Land im Süden</l><lb/> <l>Sandte ſeinen Gruß nach Norden,</l><lb/> <l>Kuß und Troſt dem Lebensmüden.</l><lb/> <l>Einmal blühten ſeine Zweige,</l><lb/> <l>Einmal zog ein Cymbelzug,</l><lb/> <l>Als in roter Sonnenneige</l><lb/> <l>Dort ein Herz am andern ſchlug.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Leiſe kam die Flut gezogen,</l><lb/> <l>Trümmer hob ſie von den Watten,</l><lb/> <l>Dunkle Halligwerften trogen,</l><lb/> <l>Todesfeuchte Kaſematten.</l><lb/> <l>Durch die Luft, wie müde Greiſe,</l><lb/> <l>Schleppt ein weiß Gewölke ſich,</l><lb/> <l>Abgemattet von der Reiſe,</l><lb/> <l>Marſch aus fremdem Himmelſtrich.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0122]
VI.
(Einſamer Baum.)
Funkelt dort die Säulenfronte,
Ueberdacht von einer Pinie?
Einſam, fern am Horizonte,
Fern am Deich, der blaſſen Linie,
Steht ein Bäumchen, krank und ruppig,
Ohne Blätter, ohne Neſt,
Schwarz vom Seeſalz, kraus und ſtruppig,
Arg zerzauſt vom ewigen Weſt.
Einmal iſt er grün geworden,
Als ein heißes Land im Süden
Sandte ſeinen Gruß nach Norden,
Kuß und Troſt dem Lebensmüden.
Einmal blühten ſeine Zweige,
Einmal zog ein Cymbelzug,
Als in roter Sonnenneige
Dort ein Herz am andern ſchlug.
Leiſe kam die Flut gezogen,
Trümmer hob ſie von den Watten,
Dunkle Halligwerften trogen,
Todesfeuchte Kaſematten.
Durch die Luft, wie müde Greiſe,
Schleppt ein weiß Gewölke ſich,
Abgemattet von der Reiſe,
Marſch aus fremdem Himmelſtrich.
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