Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].Einer Toten. Ach, daß du lebtest. Tausend schwarze Krähen, Die mich umflatterten auf allen Wegen, Entflohen, wenn sich deine Tauben zeigten, Die weißen Tauben deiner Fröhlichkeit. Daß du noch lebtest. Schwer und kalt umsaugt Die Erde deinen Sarg und hält dich fest. Ich geh' nicht hin, ich finde dich nicht mehr. Und Wiedersehn? Was soll ein Wiedersehn, Wenn wir zusammen Hosianna singen, Und ich dein Lachen nicht mehr hören kann? Dein Lachen, deine Sprache, deinen Trost: Der Tag ist heut so schön, wo ist Chasseur, Hol' aus dem Schranke deinen Lefaucheux, Und geh' ins Feld, die Hühner halten noch. Doch bieg' nicht in das Buchenwäldchen ein, Und leg' dich nicht ins Moos und träume nicht. Paß auf die Hühner und sei nicht zerstreut, Blamir' dich nicht vor deinem Hund, ich bitte. Und alle Orgeldreher heut verwünsch' ich, Die luftgetragnen Ton von fernen Dörfern Dir zusenden, ich seh' dann keine Hühner. Und doch, die braune Heide liegt so still, Dich hält ihr Zauber, laß dich nur bestricken. Wir essen heute Abend Erbsensuppe, Und der Margaux hat schon die Zimmerwärme. Bring' also Hunger mit und gute Laune. -- Einer Toten. Ach, daß du lebteſt. Tauſend ſchwarze Krähen, Die mich umflatterten auf allen Wegen, Entflohen, wenn ſich deine Tauben zeigten, Die weißen Tauben deiner Fröhlichkeit. Daß du noch lebteſt. Schwer und kalt umſaugt Die Erde deinen Sarg und hält dich feſt. Ich geh’ nicht hin, ich finde dich nicht mehr. Und Wiederſehn? Was ſoll ein Wiederſehn, Wenn wir zuſammen Hoſianna ſingen, Und ich dein Lachen nicht mehr hören kann? Dein Lachen, deine Sprache, deinen Troſt: Der Tag iſt heut ſo ſchön, wo iſt Chaſſeur, Hol’ aus dem Schranke deinen Lefaucheux, Und geh’ ins Feld, die Hühner halten noch. Doch bieg’ nicht in das Buchenwäldchen ein, Und leg’ dich nicht ins Moos und träume nicht. Paß auf die Hühner und ſei nicht zerſtreut, Blamir’ dich nicht vor deinem Hund, ich bitte. Und alle Orgeldreher heut verwünſch’ ich, Die luftgetragnen Ton von fernen Dörfern Dir zuſenden, ich ſeh’ dann keine Hühner. Und doch, die braune Heide liegt ſo ſtill, Dich hält ihr Zauber, laß dich nur beſtricken. Wir eſſen heute Abend Erbſenſuppe, Und der Margaux hat ſchon die Zimmerwärme. Bring’ alſo Hunger mit und gute Laune. — <TEI> <text> <body> <pb n="96" facs="#f0104"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Einer Toten.</hi> </head><lb/> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">A</hi>ch, daß du lebteſt.</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Tauſend ſchwarze Krähen,</hi> </l><lb/> <l>Die mich umflatterten auf allen Wegen,</l><lb/> <l>Entflohen, wenn ſich deine Tauben zeigten,</l><lb/> <l>Die weißen Tauben deiner Fröhlichkeit.</l><lb/> <l>Daß du noch lebteſt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l> <hi rendition="#et">Schwer und kalt umſaugt</hi> </l><lb/> <l>Die Erde deinen Sarg und hält dich feſt.</l><lb/> <l>Ich geh’ nicht hin, ich finde dich nicht mehr.</l><lb/> <l>Und Wiederſehn?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l> <hi rendition="#et">Was ſoll ein Wiederſehn,</hi> </l><lb/> <l>Wenn wir zuſammen Hoſianna ſingen,</l><lb/> <l>Und ich dein Lachen nicht mehr hören kann?</l><lb/> <l>Dein Lachen, deine Sprache, deinen Troſt:</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Der Tag iſt heut ſo ſchön, wo iſt Chaſſeur,</l><lb/> <l>Hol’ aus dem Schranke deinen Lefaucheux,</l><lb/> <l>Und geh’ ins Feld, die Hühner halten noch.</l><lb/> <l>Doch bieg’ nicht in das Buchenwäldchen ein,</l><lb/> <l>Und leg’ dich nicht ins Moos und träume nicht.</l><lb/> <l>Paß auf die Hühner und ſei nicht zerſtreut,</l><lb/> <l>Blamir’ dich nicht vor deinem Hund, ich bitte.</l><lb/> <l>Und alle Orgeldreher heut verwünſch’ ich,</l><lb/> <l>Die luftgetragnen Ton von fernen Dörfern</l><lb/> <l>Dir zuſenden, ich ſeh’ dann keine Hühner.</l><lb/> <l>Und doch, die braune Heide liegt ſo ſtill,</l><lb/> <l>Dich hält ihr Zauber, laß dich nur beſtricken.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wir eſſen heute Abend Erbſenſuppe,</l><lb/> <l>Und der Margaux hat ſchon die Zimmerwärme.</l><lb/> <l>Bring’ alſo Hunger mit und gute Laune. —</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [96/0104]
Einer Toten.
Ach, daß du lebteſt.
Tauſend ſchwarze Krähen,
Die mich umflatterten auf allen Wegen,
Entflohen, wenn ſich deine Tauben zeigten,
Die weißen Tauben deiner Fröhlichkeit.
Daß du noch lebteſt.
Schwer und kalt umſaugt
Die Erde deinen Sarg und hält dich feſt.
Ich geh’ nicht hin, ich finde dich nicht mehr.
Und Wiederſehn?
Was ſoll ein Wiederſehn,
Wenn wir zuſammen Hoſianna ſingen,
Und ich dein Lachen nicht mehr hören kann?
Dein Lachen, deine Sprache, deinen Troſt:
Der Tag iſt heut ſo ſchön, wo iſt Chaſſeur,
Hol’ aus dem Schranke deinen Lefaucheux,
Und geh’ ins Feld, die Hühner halten noch.
Doch bieg’ nicht in das Buchenwäldchen ein,
Und leg’ dich nicht ins Moos und träume nicht.
Paß auf die Hühner und ſei nicht zerſtreut,
Blamir’ dich nicht vor deinem Hund, ich bitte.
Und alle Orgeldreher heut verwünſch’ ich,
Die luftgetragnen Ton von fernen Dörfern
Dir zuſenden, ich ſeh’ dann keine Hühner.
Und doch, die braune Heide liegt ſo ſtill,
Dich hält ihr Zauber, laß dich nur beſtricken.
Wir eſſen heute Abend Erbſenſuppe,
Und der Margaux hat ſchon die Zimmerwärme.
Bring’ alſo Hunger mit und gute Laune. —
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Zitationshilfe: | Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/104>, abgerufen am 04.03.2025. |