In der belebten Pflanze überwiegt die Intensität der Le- benskraft bei weitem die chemische Action des Sauerstoffs.
Wir wissen mit der größten Bestimmtheit, daß der Sauer- stoff durch den Einfluß der Lebenskraft von Elementen ab- geschieden wird, zu denen er die stärkste Affinität besitzt; daß er in Gasform austritt, ohne die geringste Einwirkung auf die Bestandtheile der Säfte auszuüben.
Wie groß muß in der That der Widerstand erscheinen, den die Lebenskraft dem terpentinöl- oder gerbsäurehalti- gen Blatte verleiht, wenn wir die Verwandtschaft in Be- tracht ziehen, welche der Sauerstoff zu diesen Bestandtheilen besitzt!
Diese Intensität der Wirkung oder des Widerstandes er- hält das belebte Blatt durch das Sonnenlicht, dessen Ein- fluß in chemischen Actionen mit der eines hohen Wärme- grades (einer schwachen Glühhitze) vergleichbar ist und ver- glichen wird.
In der Nacht zeigt sich in der lebendigen Pflanze ein entgegengesetzter Proceß, wir sehen, daß sich die Bestand- theile der Blätter und grünen Theile mit dem Sauerstoff der Luft verbinden, eine Fähigkeit, die ihnen im Lichte ab- ging.
Man kann hieraus keinen andern Schluß ziehen, als daß die Intensität der Lebenskraft mit der Abnahme des Lichts
Die Bewegungserſcheinungen
II.
In der belebten Pflanze überwiegt die Intenſität der Le- benskraft bei weitem die chemiſche Action des Sauerſtoffs.
Wir wiſſen mit der größten Beſtimmtheit, daß der Sauer- ſtoff durch den Einfluß der Lebenskraft von Elementen ab- geſchieden wird, zu denen er die ſtärkſte Affinität beſitzt; daß er in Gasform austritt, ohne die geringſte Einwirkung auf die Beſtandtheile der Säfte auszuüben.
Wie groß muß in der That der Widerſtand erſcheinen, den die Lebenskraft dem terpentinöl- oder gerbſäurehalti- gen Blatte verleiht, wenn wir die Verwandtſchaft in Be- tracht ziehen, welche der Sauerſtoff zu dieſen Beſtandtheilen beſitzt!
Dieſe Intenſität der Wirkung oder des Widerſtandes er- hält das belebte Blatt durch das Sonnenlicht, deſſen Ein- fluß in chemiſchen Actionen mit der eines hohen Wärme- grades (einer ſchwachen Glühhitze) vergleichbar iſt und ver- glichen wird.
In der Nacht zeigt ſich in der lebendigen Pflanze ein entgegengeſetzter Proceß, wir ſehen, daß ſich die Beſtand- theile der Blätter und grünen Theile mit dem Sauerſtoff der Luft verbinden, eine Fähigkeit, die ihnen im Lichte ab- ging.
Man kann hieraus keinen andern Schluß ziehen, als daß die Intenſität der Lebenskraft mit der Abnahme des Lichts
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Die Bewegungserſcheinungen
II.
In der belebten Pflanze überwiegt die Intenſität der Le-
benskraft bei weitem die chemiſche Action des Sauerſtoffs.
Wir wiſſen mit der größten Beſtimmtheit, daß der Sauer-
ſtoff durch den Einfluß der Lebenskraft von Elementen ab-
geſchieden wird, zu denen er die ſtärkſte Affinität beſitzt; daß
er in Gasform austritt, ohne die geringſte Einwirkung auf
die Beſtandtheile der Säfte auszuüben.
Wie groß muß in der That der Widerſtand erſcheinen,
den die Lebenskraft dem terpentinöl- oder gerbſäurehalti-
gen Blatte verleiht, wenn wir die Verwandtſchaft in Be-
tracht ziehen, welche der Sauerſtoff zu dieſen Beſtandtheilen
beſitzt!
Dieſe Intenſität der Wirkung oder des Widerſtandes er-
hält das belebte Blatt durch das Sonnenlicht, deſſen Ein-
fluß in chemiſchen Actionen mit der eines hohen Wärme-
grades (einer ſchwachen Glühhitze) vergleichbar iſt und ver-
glichen wird.
In der Nacht zeigt ſich in der lebendigen Pflanze ein
entgegengeſetzter Proceß, wir ſehen, daß ſich die Beſtand-
theile der Blätter und grünen Theile mit dem Sauerſtoff
der Luft verbinden, eine Fähigkeit, die ihnen im Lichte ab-
ging.
Man kann hieraus keinen andern Schluß ziehen, als daß
die Intenſität der Lebenskraft mit der Abnahme des Lichts
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/262>, abgerufen am 21.02.2025.
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