Es ist erwähnt worden, daß der Traubensaft beim Zutritt der Luft in Gährung geräth, und daß die Zersetzung des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure bis zu seinem Verschwinden fort- schreitet, ohne daß die Luft weitern Antheil an dieser Meta- morphose nimmt.
Neben dem Alkohol und der Kohlensäure beobachtet man als ein anderes Product der Gährung des Saftes eine gelbliche oder graue unauflösliche Substanz, welche reich ist an Stickstoff; es ist dieß der Körper, welcher die Fähigkeit besitzt, in frischem Zuckerwasser wieder Gährung hervorzubringen, das sogenannte Ferment.
Wir wissen, daß der Alkohol und die Kohlensäure den Elemen- ten des Zuckers und das Ferment den stickstoffhaltigen Bestandthei- len des Saftes seinen Ursprung verdankt. Diese stickstoffhaltigen Bestandtheile haben den Namen Kleber oder vegetabilisches Ei- weiß erhalten.
Nach den Versuchen von Saussure entwickelt frischer unrei- ner Kleber nach 5 Wochen sein 28faches Volumen Gas, wel- ches zu 3/4 aus Kohlensäure und zu 1/4 aus reinem kohlenfreien Wasserstoffgase besteht; es bilden sich dabei Ammoniaksalze mehrerer organischen Säuren. Bei der Fäulniß des Klebers wird also Wasser zersetzt, dessen Sauerstoff in Verbindung tritt, während sein Wasserstoff in Freiheit gesetzt wird; das letztere geschieht nur in Zersetzungsprocessen der energischsten Art; Ferment oder eine ihm ähnliche Materie wird hierbei nicht
Wein- und Biergährung.
Wein- und Biergährung.
Es iſt erwähnt worden, daß der Traubenſaft beim Zutritt der Luft in Gährung geräth, und daß die Zerſetzung des Zuckers in Alkohol und Kohlenſäure bis zu ſeinem Verſchwinden fort- ſchreitet, ohne daß die Luft weitern Antheil an dieſer Meta- morphoſe nimmt.
Neben dem Alkohol und der Kohlenſäure beobachtet man als ein anderes Product der Gährung des Saftes eine gelbliche oder graue unauflösliche Subſtanz, welche reich iſt an Stickſtoff; es iſt dieß der Körper, welcher die Fähigkeit beſitzt, in friſchem Zuckerwaſſer wieder Gährung hervorzubringen, das ſogenannte Ferment.
Wir wiſſen, daß der Alkohol und die Kohlenſäure den Elemen- ten des Zuckers und das Ferment den ſtickſtoffhaltigen Beſtandthei- len des Saftes ſeinen Urſprung verdankt. Dieſe ſtickſtoffhaltigen Beſtandtheile haben den Namen Kleber oder vegetabiliſches Ei- weiß erhalten.
Nach den Verſuchen von Sauſſure entwickelt friſcher unrei- ner Kleber nach 5 Wochen ſein 28faches Volumen Gas, wel- ches zu ¾ aus Kohlenſäure und zu ¼ aus reinem kohlenfreien Waſſerſtoffgaſe beſteht; es bilden ſich dabei Ammoniakſalze mehrerer organiſchen Säuren. Bei der Fäulniß des Klebers wird alſo Waſſer zerſetzt, deſſen Sauerſtoff in Verbindung tritt, während ſein Waſſerſtoff in Freiheit geſetzt wird; das letztere geſchieht nur in Zerſetzungsproceſſen der energiſchſten Art; Ferment oder eine ihm ähnliche Materie wird hierbei nicht
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Wein- und Biergährung.
Wein- und Biergährung.
Es iſt erwähnt worden, daß der Traubenſaft beim Zutritt
der Luft in Gährung geräth, und daß die Zerſetzung des Zuckers
in Alkohol und Kohlenſäure bis zu ſeinem Verſchwinden fort-
ſchreitet, ohne daß die Luft weitern Antheil an dieſer Meta-
morphoſe nimmt.
Neben dem Alkohol und der Kohlenſäure beobachtet man als ein
anderes Product der Gährung des Saftes eine gelbliche oder
graue unauflösliche Subſtanz, welche reich iſt an Stickſtoff; es
iſt dieß der Körper, welcher die Fähigkeit beſitzt, in friſchem
Zuckerwaſſer wieder Gährung hervorzubringen, das ſogenannte
Ferment.
Wir wiſſen, daß der Alkohol und die Kohlenſäure den Elemen-
ten des Zuckers und das Ferment den ſtickſtoffhaltigen Beſtandthei-
len des Saftes ſeinen Urſprung verdankt. Dieſe ſtickſtoffhaltigen
Beſtandtheile haben den Namen Kleber oder vegetabiliſches Ei-
weiß erhalten.
Nach den Verſuchen von Sauſſure entwickelt friſcher unrei-
ner Kleber nach 5 Wochen ſein 28faches Volumen Gas, wel-
ches zu ¾ aus Kohlenſäure und zu ¼ aus reinem kohlenfreien
Waſſerſtoffgaſe beſteht; es bilden ſich dabei Ammoniakſalze
mehrerer organiſchen Säuren. Bei der Fäulniß des Klebers
wird alſo Waſſer zerſetzt, deſſen Sauerſtoff in Verbindung tritt,
während ſein Waſſerſtoff in Freiheit geſetzt wird; das letztere
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/276>, abgerufen am 22.02.2025.
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