Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.Elfter Brief. Karlsbad, im August 1869. Ich stellte Ihnen neulich die Behauptung auf, die Emancipation der Frauen zu Arbeit und Erwerb sei das sicherste Mittel zur Beförderung der Ehe, sie ist aber eben so und noch weit mehr ein erhebendes Element für die große Zahl jener Frauenzimmer, welche in unserer Staatsgesellschaft immer unverheirathet bleiben werden. Man hat das alte Sprüchwort: "Viel Töchter sind kein Gelächter!" und dieses Sprüchwort ist innerhalb der nicht begüterten gebildeten Familien des Mittelstandes nur zu wahr. Man denkt es sich lange nicht genug aus, welchen Einfluß es auf die Töchter in solchen eben nur wenig begüterten Häusern üben muß, wenn sie von der einen Seite unablässig von dem "einzig naturgemäßen Beruf der Frau" sprechen hören, und wenn sie auf der anderen Seite sehen, wie ihr Dasein, ihr Unterhalt und vollends der Gedanke an ihre einstige Versorgung nicht nur ihren Eltern, sondern ihren Brüdern, ja, selbst der ganzen Familie ein Gegenstand schwerer, unablässiger Sorge ist; und wie herzlich zufrieden und erfreut man Elfter Brief. Karlsbad, im August 1869. Ich stellte Ihnen neulich die Behauptung auf, die Emancipation der Frauen zu Arbeit und Erwerb sei das sicherste Mittel zur Beförderung der Ehe, sie ist aber eben so und noch weit mehr ein erhebendes Element für die große Zahl jener Frauenzimmer, welche in unserer Staatsgesellschaft immer unverheirathet bleiben werden. Man hat das alte Sprüchwort: »Viel Töchter sind kein Gelächter!« und dieses Sprüchwort ist innerhalb der nicht begüterten gebildeten Familien des Mittelstandes nur zu wahr. Man denkt es sich lange nicht genug aus, welchen Einfluß es auf die Töchter in solchen eben nur wenig begüterten Häusern üben muß, wenn sie von der einen Seite unablässig von dem »einzig naturgemäßen Beruf der Frau« sprechen hören, und wenn sie auf der anderen Seite sehen, wie ihr Dasein, ihr Unterhalt und vollends der Gedanke an ihre einstige Versorgung nicht nur ihren Eltern, sondern ihren Brüdern, ja, selbst der ganzen Familie ein Gegenstand schwerer, unablässiger Sorge ist; und wie herzlich zufrieden und erfreut man <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0120" n="[110]"/> <div n="1"> <head>Elfter Brief.<lb/></head> <p> <hi rendition="#right"><hi rendition="#g">Karlsbad</hi>, im August 1869.</hi> </p> <p>Ich stellte Ihnen neulich die Behauptung auf, die Emancipation der Frauen zu Arbeit und Erwerb sei das sicherste Mittel zur Beförderung der Ehe, sie ist aber eben so und noch weit mehr ein erhebendes Element für die große Zahl jener Frauenzimmer, welche in unserer Staatsgesellschaft immer unverheirathet bleiben werden.</p> <p>Man hat das alte Sprüchwort: »Viel Töchter sind kein Gelächter!« und dieses Sprüchwort ist innerhalb der nicht begüterten gebildeten Familien des Mittelstandes nur zu wahr. Man denkt es sich lange nicht genug aus, welchen Einfluß es auf die Töchter in solchen eben nur wenig begüterten Häusern üben muß, wenn sie von der einen Seite unablässig von dem »einzig naturgemäßen Beruf der Frau« sprechen hören, und wenn sie auf der anderen Seite sehen, wie ihr Dasein, ihr Unterhalt und vollends der Gedanke an ihre einstige Versorgung nicht nur ihren Eltern, sondern ihren Brüdern, ja, selbst der ganzen Familie ein Gegenstand schwerer, unablässiger Sorge ist; und wie herzlich zufrieden und erfreut man </p> </div> </body> </text> </TEI> [[110]/0120]
Elfter Brief.
Karlsbad, im August 1869.
Ich stellte Ihnen neulich die Behauptung auf, die Emancipation der Frauen zu Arbeit und Erwerb sei das sicherste Mittel zur Beförderung der Ehe, sie ist aber eben so und noch weit mehr ein erhebendes Element für die große Zahl jener Frauenzimmer, welche in unserer Staatsgesellschaft immer unverheirathet bleiben werden.
Man hat das alte Sprüchwort: »Viel Töchter sind kein Gelächter!« und dieses Sprüchwort ist innerhalb der nicht begüterten gebildeten Familien des Mittelstandes nur zu wahr. Man denkt es sich lange nicht genug aus, welchen Einfluß es auf die Töchter in solchen eben nur wenig begüterten Häusern üben muß, wenn sie von der einen Seite unablässig von dem »einzig naturgemäßen Beruf der Frau« sprechen hören, und wenn sie auf der anderen Seite sehen, wie ihr Dasein, ihr Unterhalt und vollends der Gedanke an ihre einstige Versorgung nicht nur ihren Eltern, sondern ihren Brüdern, ja, selbst der ganzen Familie ein Gegenstand schwerer, unablässiger Sorge ist; und wie herzlich zufrieden und erfreut man
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