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Leutwein, Lorenz Friedrich: Einladungsschrift bey dem feyerlichen Redeakt welcher den 19ten April in allhiesigem Gymnasio von dreyen Zöglingen welche Akademien beziehen wollen gehalten werden soll. Schwäbisch Hall, 1797.

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stalten, wenn sie nicht benutzt werden? Was nutzt es, daß wir in neuern
Zeiten, auf die Bildung, Aufklärung des künftigen Bürgers hin arbeiten,
wann dieser Unterricht nicht angenommen, oder nur angefangen, nie aber
vollendet wird? Zu einem vollkommenen Bürger, den man aufgeklärt nen-
nen kann, gehören Kenntnisse verschiedener Art, mehr als in den deutschen
Schulen, und untersten Classen zu erhalten sind, in der Religion, der wichtig-
sten Angelegenheit des Menschen - muß er, was die Lehrsätze derselben betrifft,
wenigstens klare Begriffe erhalten - er muß in der Rechenkunst, einer je-
dem Menschen ganz unentbehrlichen Kunst, geübt seyn - etwas von der
Naturgeschichte und Naturlehre verstehen - einige Fertigkeit im Zeichnen,
und in der Geschicklichkeit seine Gedanken niederzuschreiben erhalten - haben
ja selbst die ersten wirklich praktischen Grundsätze der Mathese, der Geome-
trie, Mechanik, Architektur, besonders gefasst - und in der Geschichte und
Erdbeschreibung das allernöthigste erlernt haben - und das, was ich schon
früher hätte anführen sollen, wo nicht schön, doch wenigstens verständlich
schreiben können. Wie kann aber de Jüngling alle diese Kenntnisse so ge-
schwind, und noch als Kind, fassen? So fragen nur die, welche mit der
verbesserten Methode des Unterrichts nicht bekannt sind. Ist es dem Staat
so nützlich, so nöthig, aufgeklärte Bürger zu haben? Eine Frage, die wohl
keiner Beantwortung bedarf. Allerdings hat der Staat darauf zu sehen,
daß solche Anstalten getroffen werden, daß der Unterricht auf Schulen, wel-
cher auf seinen Befehl und Unterstützung gegeben wird, auch wirklich frucht-
bar und nützlich wird. Sollten bey denen wirklich getroffenen Anstalten,
Eltern nicht ihr äußerstes thun, da sie sehen, wie für die Aufklärung gesorgt
wird! bedacht nehmen, daß ihre Kinder auch wirklich heller im Verstande
werden, und diejenige Kenntnisse sich zulegen, die ihnen so mannigfaltigen
Vortheil gewähren können! Oder was können wohl Eltern ihren Kindern
nützlichers verschaffen, als einen aufgeklärten Verstand, der sie als Menschen
beglückt, als Professionisten unterstützt? Indem aber der größere Theil
Jünglinge dem Unterricht entzogen wird, ehe auch derselbe nur die ersten
Anfangsgründe gefasst hat: so kann wohl auch nicht mehr Aufklärung in de-

nen

stalten, wenn sie nicht benutzt werden? Was nutzt es, daß wir in neuern
Zeiten, auf die Bildung, Aufklärung des künftigen Bürgers hin arbeiten,
wann dieser Unterricht nicht angenommen, oder nur angefangen, nie aber
vollendet wird? Zu einem vollkommenen Bürger, den man aufgeklärt nen-
nen kann, gehören Kenntnisse verschiedener Art, mehr als in den deutschen
Schulen, und untersten Classen zu erhalten sind, in der Religion, der wichtig-
sten Angelegenheit des Menschen – muß er, was die Lehrsätze derselben betrifft,
wenigstens klare Begriffe erhalten – er muß in der Rechenkunst, einer je-
dem Menschen ganz unentbehrlichen Kunst, geübt seyn – etwas von der
Naturgeschichte und Naturlehre verstehen – einige Fertigkeit im Zeichnen,
und in der Geschicklichkeit seine Gedanken niederzuschreiben erhalten – haben
ja selbst die ersten wirklich praktischen Grundsätze der Mathese, der Geome-
trie, Mechanik, Architektur, besonders gefasst – und in der Geschichte und
Erdbeschreibung das allernöthigste erlernt haben – und das, was ich schon
früher hätte anführen sollen, wo nicht schön, doch wenigstens verständlich
schreiben können. Wie kann aber de Jüngling alle diese Kenntnisse so ge-
schwind, und noch als Kind, fassen? So fragen nur die, welche mit der
verbesserten Methode des Unterrichts nicht bekannt sind. Ist es dem Staat
so nützlich, so nöthig, aufgeklärte Bürger zu haben? Eine Frage, die wohl
keiner Beantwortung bedarf. Allerdings hat der Staat darauf zu sehen,
daß solche Anstalten getroffen werden, daß der Unterricht auf Schulen, wel-
cher auf seinen Befehl und Unterstützung gegeben wird, auch wirklich frucht-
bar und nützlich wird. Sollten bey denen wirklich getroffenen Anstalten,
Eltern nicht ihr äußerstes thun, da sie sehen, wie für die Aufklärung gesorgt
wird! bedacht nehmen, daß ihre Kinder auch wirklich heller im Verstande
werden, und diejenige Kenntnisse sich zulegen, die ihnen so mannigfaltigen
Vortheil gewähren können! Oder was können wohl Eltern ihren Kindern
nützlichers verschaffen, als einen aufgeklärten Verstand, der sie als Menschen
beglückt, als Professionisten unterstützt? Indem aber der größere Theil
Jünglinge dem Unterricht entzogen wird, ehe auch derselbe nur die ersten
Anfangsgründe gefasst hat: so kann wohl auch nicht mehr Aufklärung in de-

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[6/0006] stalten, wenn sie nicht benutzt werden? Was nutzt es, daß wir in neuern Zeiten, auf die Bildung, Aufklärung des künftigen Bürgers hin arbeiten, wann dieser Unterricht nicht angenommen, oder nur angefangen, nie aber vollendet wird? Zu einem vollkommenen Bürger, den man aufgeklärt nen- nen kann, gehören Kenntnisse verschiedener Art, mehr als in den deutschen Schulen, und untersten Classen zu erhalten sind, in der Religion, der wichtig- sten Angelegenheit des Menschen – muß er, was die Lehrsätze derselben betrifft, wenigstens klare Begriffe erhalten – er muß in der Rechenkunst, einer je- dem Menschen ganz unentbehrlichen Kunst, geübt seyn – etwas von der Naturgeschichte und Naturlehre verstehen – einige Fertigkeit im Zeichnen, und in der Geschicklichkeit seine Gedanken niederzuschreiben erhalten – haben ja selbst die ersten wirklich praktischen Grundsätze der Mathese, der Geome- trie, Mechanik, Architektur, besonders gefasst – und in der Geschichte und Erdbeschreibung das allernöthigste erlernt haben – und das, was ich schon früher hätte anführen sollen, wo nicht schön, doch wenigstens verständlich schreiben können. Wie kann aber de Jüngling alle diese Kenntnisse so ge- schwind, und noch als Kind, fassen? So fragen nur die, welche mit der verbesserten Methode des Unterrichts nicht bekannt sind. Ist es dem Staat so nützlich, so nöthig, aufgeklärte Bürger zu haben? Eine Frage, die wohl keiner Beantwortung bedarf. Allerdings hat der Staat darauf zu sehen, daß solche Anstalten getroffen werden, daß der Unterricht auf Schulen, wel- cher auf seinen Befehl und Unterstützung gegeben wird, auch wirklich frucht- bar und nützlich wird. Sollten bey denen wirklich getroffenen Anstalten, Eltern nicht ihr äußerstes thun, da sie sehen, wie für die Aufklärung gesorgt wird! bedacht nehmen, daß ihre Kinder auch wirklich heller im Verstande werden, und diejenige Kenntnisse sich zulegen, die ihnen so mannigfaltigen Vortheil gewähren können! Oder was können wohl Eltern ihren Kindern nützlichers verschaffen, als einen aufgeklärten Verstand, der sie als Menschen beglückt, als Professionisten unterstützt? Indem aber der größere Theil Jünglinge dem Unterricht entzogen wird, ehe auch derselbe nur die ersten Anfangsgründe gefasst hat: so kann wohl auch nicht mehr Aufklärung in de- nen

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Zitationshilfe: Leutwein, Lorenz Friedrich: Einladungsschrift bey dem feyerlichen Redeakt welcher den 19ten April in allhiesigem Gymnasio von dreyen Zöglingen welche Akademien beziehen wollen gehalten werden soll. Schwäbisch Hall, 1797, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leutwein_einladungsschrift_1797/6>, abgerufen am 27.04.2024.