Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

von 1205 bis 1206.
durch angebotene Geschenke nicht bewogen werden, den Deutschen mit jenen ein1205
Unglück zuzubereiten.

a) Der Wogastrom fliesset aus dem innern Theil von Liefland herunter in die Düne,
und fält zwischen Yxkul und Lenewarden in dieselbe.
b) Jch finde, daß Gall oder Kall im Esthnischen eine Lage an der Seite bedeute.
Daher glaube ich, die, so die Düne befahren, haben das Land, so sich an der westli-
chen Seite des Stroms in die Länge hinziehet, Semgal genant, welches einige für
das Ende des Landes erklären. Denn Sem heist Land. Also scheinen auch die Letten
als Bewohner des innern Theils von Liefland Lettgallen genennet zu werden; weil
ihre Wohnplätze längst dem Ledastrom sich erstrecken, der in den Liefländischen
Meerbusen sich ergiesset. Das sage ich aber doch nicht ohne Beysorge zu verstossen,
und bin willig gerne denen nachzugeben, welche dieser Oerter kundiger sind.
§. 4.

Der Herr Bischof, der von des Königs Gesandten zu diesem Gespräch mit
eingeladen war, ertheilte auf Rath seiner Leute an gemeldeten Stephanus diese
Antwort: Es ist bekant, sprach er, daß es eine durchgängige Gewohnheit aller
Länder ist, daß Gesandte, welche ihr Principal bestimmet, zu dem hingehen, oder
ihn aufsuchen, an wen sie geschickt werden. Ein Fürste aber, so demüthig und
leutselig er auch ist, gehet niemals aus seiner Festung den Gesandten entgegen.
Denn es geziemet, fuhr er fort*), solchen und solcher Herren Abgeordneten, uns in
unsrer Stadt zu finden, wo sie von uns so wol als den unsrigen können anständi-
ger empfangen und bequemer bedienet werden. Sie möchten also nur kommen
und für nichts bange seyn, sie solten standesgemäs bewirthet werden. Als der
bestimte Tag kam, erschienen die Liven zum Gespräche an dem Wogenefluß im
Gewehr. Auch die Aeltesten vom Schloß Holme, die Stifter des ganzen Un-
glücks, fuhren zu ihnen hinauf zu Schiffe, landeten bey dem Schloß Ykeskole
an, und riefen diese auch mit sich.

§. 5.

Als die Deutschen die Arglist der Liven in Erwegung zogen, bedankten sie
sich gleich und wolten nicht hinauf. Jene aber blieben auf ihrem Sinn und bespra-
chen sich mit ihren Landsleuten, die Christen aus dem Lande zu schaffen. Jndes-
sen baten zwey von den Neubekehrten in Ykeskola, Kyran**) und Layan, den
Commendanten Conrad inständigst, er möchte ihnen doch verstatten der Liven
Versamlung mit beyzuwohnen, damit sie ihre Hartnäckigkeit wissen, und melden kön-
ten, was jene vor Anschläge gegen die Gläubigen Christi unternehmen. Sie hat-
ten Herz genug, zu dem fürchterlichen Heer der Feinde hinzugehen, indem sie sich
auf ihre zahlreichen Verwandten und Freunde darunter steiften. Conrad hielt
dieses für höchst thöricht, und rieth ihnen, wegen Menge und Bosheit der Liven es
bleiben zu lassen. Doch ließ er sich auf ihr anhaltend Flehen bewegen, und gab
ihnen Urlaub. So bald sie in die Versamlung traten, wurden sie von den Landes-
ältesten beym Leibe genommen, und man wolte sie zwingen, den Glauben an Chri-
stum
abzulegen und von den Deutschen sich los zu sagen. Doch diese waren
beständig in der Liebe GOttes, und bekanten, daß sie den angenommenen Glauben
von ganzem Herzen lieb hätten; bezeugten daneben, daß keine Arten der Marter
vermögend wären, sie von der Liebe und Gemeinschaft der Christen zu trennen
und loszureissen. Daher wurden so gar ihre Anverwandten so grimmig erbittert,
daß nun ihr jetziger Haß stärker war, als die vorige Liebe. Hierauf wurden ihnen,
auf einmüthigen Ausspruch der Liven, Stricke an die Füsse gebunden, und sie mitten
durch die Versamlung geschleifet; da man sie denn erbärmlich quälte c), das Einge-
weide heraus riß, und Beine und Arme aus einander renkete. Wir haben keinen
Zweifel daran, daß sie mit den heiligen Märtyrern für ihr so wichtiges Marterthum
das ewige Leben werden empfangen haben.

c) Hier
*) Für inquam list das Revelsche Manuscript namque.
**) Für Kyranus list das Revelsche Manuscript Hircanus.
M 2

von 1205 bis 1206.
durch angebotene Geſchenke nicht bewogen werden, den Deutſchen mit jenen ein1205
Ungluͤck zuzubereiten.

a) Der Wogaſtrom flieſſet aus dem innern Theil von Liefland herunter in die Duͤne,
und faͤlt zwiſchen Yxkul und Lenewarden in dieſelbe.
b) Jch finde, daß Gall oder Kall im Eſthniſchen eine Lage an der Seite bedeute.
Daher glaube ich, die, ſo die Duͤne befahren, haben das Land, ſo ſich an der weſtli-
chen Seite des Stroms in die Laͤnge hinziehet, Semgal genant, welches einige fuͤr
das Ende des Landes erklaͤren. Denn Sem heiſt Land. Alſo ſcheinen auch die Letten
als Bewohner des innern Theils von Liefland Lettgallen genennet zu werden; weil
ihre Wohnplaͤtze laͤngſt dem Ledaſtrom ſich erſtrecken, der in den Lieflaͤndiſchen
Meerbuſen ſich ergieſſet. Das ſage ich aber doch nicht ohne Beyſorge zu verſtoſſen,
und bin willig gerne denen nachzugeben, welche dieſer Oerter kundiger ſind.
§. 4.

Der Herr Biſchof, der von des Koͤnigs Geſandten zu dieſem Geſpraͤch mit
eingeladen war, ertheilte auf Rath ſeiner Leute an gemeldeten Stephanus dieſe
Antwort: Es iſt bekant, ſprach er, daß es eine durchgaͤngige Gewohnheit aller
Laͤnder iſt, daß Geſandte, welche ihr Principal beſtimmet, zu dem hingehen, oder
ihn aufſuchen, an wen ſie geſchickt werden. Ein Fuͤrſte aber, ſo demuͤthig und
leutſelig er auch iſt, gehet niemals aus ſeiner Feſtung den Geſandten entgegen.
Denn es geziemet, fuhr er fort*), ſolchen und ſolcher Herren Abgeordneten, uns in
unſrer Stadt zu finden, wo ſie von uns ſo wol als den unſrigen koͤnnen anſtaͤndi-
ger empfangen und bequemer bedienet werden. Sie moͤchten alſo nur kommen
und fuͤr nichts bange ſeyn, ſie ſolten ſtandesgemaͤs bewirthet werden. Als der
beſtimte Tag kam, erſchienen die Liven zum Geſpraͤche an dem Wogenefluß im
Gewehr. Auch die Aelteſten vom Schloß Holme, die Stifter des ganzen Un-
gluͤcks, fuhren zu ihnen hinauf zu Schiffe, landeten bey dem Schloß Ykeskole
an, und riefen dieſe auch mit ſich.

§. 5.

Als die Deutſchen die Argliſt der Liven in Erwegung zogen, bedankten ſie
ſich gleich und wolten nicht hinauf. Jene aber blieben auf ihrem Sinn und beſpra-
chen ſich mit ihren Landsleuten, die Chriſten aus dem Lande zu ſchaffen. Jndeſ-
ſen baten zwey von den Neubekehrten in Ykeskola, Kyran**) und Layan, den
Commendanten Conrad inſtaͤndigſt, er moͤchte ihnen doch verſtatten der Liven
Verſamlung mit beyzuwohnen, damit ſie ihre Hartnaͤckigkeit wiſſen, und melden koͤn-
ten, was jene vor Anſchlaͤge gegen die Glaͤubigen Chriſti unternehmen. Sie hat-
ten Herz genug, zu dem fuͤrchterlichen Heer der Feinde hinzugehen, indem ſie ſich
auf ihre zahlreichen Verwandten und Freunde darunter ſteiften. Conrad hielt
dieſes fuͤr hoͤchſt thoͤricht, und rieth ihnen, wegen Menge und Bosheit der Liven es
bleiben zu laſſen. Doch ließ er ſich auf ihr anhaltend Flehen bewegen, und gab
ihnen Urlaub. So bald ſie in die Verſamlung traten, wurden ſie von den Landes-
aͤlteſten beym Leibe genommen, und man wolte ſie zwingen, den Glauben an Chri-
ſtum
abzulegen und von den Deutſchen ſich los zu ſagen. Doch dieſe waren
beſtaͤndig in der Liebe GOttes, und bekanten, daß ſie den angenommenen Glauben
von ganzem Herzen lieb haͤtten; bezeugten daneben, daß keine Arten der Marter
vermoͤgend waͤren, ſie von der Liebe und Gemeinſchaft der Chriſten zu trennen
und loszureiſſen. Daher wurden ſo gar ihre Anverwandten ſo grimmig erbittert,
daß nun ihr jetziger Haß ſtaͤrker war, als die vorige Liebe. Hierauf wurden ihnen,
auf einmuͤthigen Ausſpruch der Liven, Stricke an die Fuͤſſe gebunden, und ſie mitten
durch die Verſamlung geſchleifet; da man ſie denn erbaͤrmlich quaͤlte c), das Einge-
weide heraus riß, und Beine und Arme aus einander renkete. Wir haben keinen
Zweifel daran, daß ſie mit den heiligen Maͤrtyrern fuͤr ihr ſo wichtiges Marterthum
das ewige Leben werden empfangen haben.

c) Hier
*) Fuͤr inquam liſt das Revelſche Manuſcript namque.
**) Fuͤr Kyranus liſt das Revelſche Manuſcript Hircanus.
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0079" n="47"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von 1205 bis 1206.</hi></fw><lb/>
durch angebotene Ge&#x017F;chenke nicht bewogen werden, den <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chen</hi> mit jenen ein<note place="right">1205</note><lb/>
Unglu&#x0364;ck zuzubereiten.</p><lb/>
              <note place="end" n="a)">Der <hi rendition="#fr">Woga&#x017F;trom</hi> flie&#x017F;&#x017F;et aus dem innern Theil von <hi rendition="#fr">Liefland</hi> herunter in die <hi rendition="#fr">Du&#x0364;ne,</hi><lb/>
und fa&#x0364;lt zwi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Yxkul</hi> und <hi rendition="#fr">Lenewarden</hi> in die&#x017F;elbe.</note><lb/>
              <note place="end" n="b)">Jch finde, daß <hi rendition="#fr">Gall</hi> oder <hi rendition="#fr">Kall</hi> im <hi rendition="#fr">E&#x017F;thni&#x017F;chen</hi> eine Lage an der Seite bedeute.<lb/>
Daher glaube ich, die, &#x017F;o die <hi rendition="#fr">Du&#x0364;ne</hi> befahren, haben das Land, &#x017F;o &#x017F;ich an der we&#x017F;tli-<lb/>
chen Seite des Stroms in die La&#x0364;nge hinziehet, <hi rendition="#fr">Semgal</hi> genant, welches einige fu&#x0364;r<lb/>
das Ende des Landes erkla&#x0364;ren. Denn <hi rendition="#fr">Sem</hi> hei&#x017F;t Land. Al&#x017F;o &#x017F;cheinen auch die <hi rendition="#fr">Letten</hi><lb/>
als Bewohner des innern Theils von <hi rendition="#fr">Liefland Lettgallen</hi> genennet zu werden; weil<lb/>
ihre Wohnpla&#x0364;tze la&#x0364;ng&#x017F;t dem <hi rendition="#fr">Leda&#x017F;trom</hi> &#x017F;ich er&#x017F;trecken, der in den <hi rendition="#fr">Liefla&#x0364;ndi&#x017F;chen</hi><lb/>
Meerbu&#x017F;en &#x017F;ich ergie&#x017F;&#x017F;et. Das &#x017F;age ich aber doch nicht ohne Bey&#x017F;orge zu ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und bin willig gerne denen nachzugeben, welche die&#x017F;er Oerter kundiger &#x017F;ind.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 4.</head><lb/>
              <p>Der Herr Bi&#x017F;chof, der von des Ko&#x0364;nigs Ge&#x017F;andten zu die&#x017F;em Ge&#x017F;pra&#x0364;ch mit<lb/>
eingeladen war, ertheilte auf Rath &#x017F;einer Leute an gemeldeten <hi rendition="#fr">Stephanus</hi> die&#x017F;e<lb/>
Antwort: Es i&#x017F;t bekant, &#x017F;prach er, daß es eine durchga&#x0364;ngige Gewohnheit aller<lb/>
La&#x0364;nder i&#x017F;t, daß Ge&#x017F;andte, welche ihr Principal be&#x017F;timmet, zu dem hingehen, oder<lb/>
ihn auf&#x017F;uchen, an wen &#x017F;ie ge&#x017F;chickt werden. Ein Fu&#x0364;r&#x017F;te aber, &#x017F;o demu&#x0364;thig und<lb/>
leut&#x017F;elig er auch i&#x017F;t, gehet niemals aus &#x017F;einer Fe&#x017F;tung den Ge&#x017F;andten entgegen.<lb/>
Denn es geziemet, fuhr er fort<note place="foot" n="*)">Fu&#x0364;r <hi rendition="#aq">inquam</hi> li&#x017F;t das <hi rendition="#fr">Revel&#x017F;che</hi> Manu&#x017F;cript <hi rendition="#aq">namque.</hi></note>, &#x017F;olchen und &#x017F;olcher Herren Abgeordneten, uns in<lb/>
un&#x017F;rer Stadt zu finden, wo &#x017F;ie von uns &#x017F;o wol als den un&#x017F;rigen ko&#x0364;nnen an&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
ger empfangen und bequemer bedienet werden. Sie mo&#x0364;chten al&#x017F;o nur kommen<lb/>
und fu&#x0364;r nichts bange &#x017F;eyn, &#x017F;ie &#x017F;olten &#x017F;tandesgema&#x0364;s bewirthet werden. Als der<lb/>
be&#x017F;timte Tag kam, er&#x017F;chienen die <hi rendition="#fr">Liven</hi> zum Ge&#x017F;pra&#x0364;che an dem <hi rendition="#fr">Wogenefluß</hi> im<lb/>
Gewehr. Auch die Aelte&#x017F;ten vom Schloß <hi rendition="#fr">Holme,</hi> die Stifter des ganzen Un-<lb/>
glu&#x0364;cks, fuhren zu ihnen hinauf zu Schiffe, landeten bey dem Schloß <hi rendition="#fr">Ykeskole</hi><lb/>
an, und riefen die&#x017F;e auch mit &#x017F;ich.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 5.</head><lb/>
              <p>Als die <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chen</hi> die Argli&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Liven</hi> in Erwegung zogen, bedankten &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich gleich und wolten nicht hinauf. Jene aber blieben auf ihrem Sinn und be&#x017F;pra-<lb/>
chen &#x017F;ich mit ihren Landsleuten, die <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;ten</hi> aus dem Lande zu &#x017F;chaffen. Jnde&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en baten zwey von den Neubekehrten in <hi rendition="#fr">Ykeskola, Kyran</hi><note place="foot" n="**)">Fu&#x0364;r <hi rendition="#aq">Kyranus</hi> li&#x017F;t das <hi rendition="#fr">Revel&#x017F;che</hi> Manu&#x017F;cript <hi rendition="#aq">Hircanus.</hi></note> und <hi rendition="#fr">Layan,</hi> den<lb/>
Commendanten <hi rendition="#fr">Conrad</hi> in&#x017F;ta&#x0364;ndig&#x017F;t, er mo&#x0364;chte ihnen doch ver&#x017F;tatten der <hi rendition="#fr">Liven</hi><lb/>
Ver&#x017F;amlung mit beyzuwohnen, damit &#x017F;ie ihre Hartna&#x0364;ckigkeit wi&#x017F;&#x017F;en, und melden ko&#x0364;n-<lb/>
ten, was jene vor An&#x017F;chla&#x0364;ge gegen die Gla&#x0364;ubigen <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;ti</hi> unternehmen. Sie hat-<lb/>
ten Herz genug, zu dem fu&#x0364;rchterlichen Heer der Feinde hinzugehen, indem &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
auf ihre zahlreichen Verwandten und Freunde darunter &#x017F;teiften. <hi rendition="#fr">Conrad</hi> hielt<lb/>
die&#x017F;es fu&#x0364;r ho&#x0364;ch&#x017F;t tho&#x0364;richt, und rieth ihnen, wegen Menge und Bosheit der <hi rendition="#fr">Liven</hi> es<lb/>
bleiben zu la&#x017F;&#x017F;en. Doch ließ er &#x017F;ich auf ihr anhaltend Flehen bewegen, und gab<lb/>
ihnen Urlaub. So bald &#x017F;ie in die Ver&#x017F;amlung traten, wurden &#x017F;ie von den Landes-<lb/>
a&#x0364;lte&#x017F;ten beym Leibe genommen, und man wolte &#x017F;ie zwingen, den Glauben an <hi rendition="#fr">Chri-<lb/>
&#x017F;tum</hi> abzulegen und von den <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chen</hi> &#x017F;ich los zu &#x017F;agen. Doch die&#x017F;e waren<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig in der Liebe GOttes, und bekanten, daß &#x017F;ie den angenommenen Glauben<lb/>
von ganzem Herzen lieb ha&#x0364;tten; bezeugten daneben, daß keine Arten der Marter<lb/>
vermo&#x0364;gend wa&#x0364;ren, &#x017F;ie von der Liebe und Gemein&#x017F;chaft der <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;ten</hi> zu trennen<lb/>
und loszurei&#x017F;&#x017F;en. Daher wurden &#x017F;o gar ihre Anverwandten &#x017F;o grimmig erbittert,<lb/>
daß nun ihr jetziger Haß &#x017F;ta&#x0364;rker war, als die vorige Liebe. Hierauf wurden ihnen,<lb/>
auf einmu&#x0364;thigen Aus&#x017F;pruch der <hi rendition="#fr">Liven,</hi> Stricke an die Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gebunden, und &#x017F;ie mitten<lb/>
durch die Ver&#x017F;amlung ge&#x017F;chleifet; da man &#x017F;ie denn erba&#x0364;rmlich qua&#x0364;lte <note place="end" n="c)"/>, das Einge-<lb/>
weide heraus riß, und Beine und Arme aus einander renkete. Wir haben keinen<lb/>
Zweifel daran, daß &#x017F;ie mit den heiligen Ma&#x0364;rtyrern fu&#x0364;r ihr &#x017F;o wichtiges Marterthum<lb/>
das ewige Leben werden empfangen haben.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">M 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">c)</hi></hi> Hier</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0079] von 1205 bis 1206. durch angebotene Geſchenke nicht bewogen werden, den Deutſchen mit jenen ein Ungluͤck zuzubereiten. 1205 a⁾ Der Wogaſtrom flieſſet aus dem innern Theil von Liefland herunter in die Duͤne, und faͤlt zwiſchen Yxkul und Lenewarden in dieſelbe. b⁾ Jch finde, daß Gall oder Kall im Eſthniſchen eine Lage an der Seite bedeute. Daher glaube ich, die, ſo die Duͤne befahren, haben das Land, ſo ſich an der weſtli- chen Seite des Stroms in die Laͤnge hinziehet, Semgal genant, welches einige fuͤr das Ende des Landes erklaͤren. Denn Sem heiſt Land. Alſo ſcheinen auch die Letten als Bewohner des innern Theils von Liefland Lettgallen genennet zu werden; weil ihre Wohnplaͤtze laͤngſt dem Ledaſtrom ſich erſtrecken, der in den Lieflaͤndiſchen Meerbuſen ſich ergieſſet. Das ſage ich aber doch nicht ohne Beyſorge zu verſtoſſen, und bin willig gerne denen nachzugeben, welche dieſer Oerter kundiger ſind. §. 4. Der Herr Biſchof, der von des Koͤnigs Geſandten zu dieſem Geſpraͤch mit eingeladen war, ertheilte auf Rath ſeiner Leute an gemeldeten Stephanus dieſe Antwort: Es iſt bekant, ſprach er, daß es eine durchgaͤngige Gewohnheit aller Laͤnder iſt, daß Geſandte, welche ihr Principal beſtimmet, zu dem hingehen, oder ihn aufſuchen, an wen ſie geſchickt werden. Ein Fuͤrſte aber, ſo demuͤthig und leutſelig er auch iſt, gehet niemals aus ſeiner Feſtung den Geſandten entgegen. Denn es geziemet, fuhr er fort *), ſolchen und ſolcher Herren Abgeordneten, uns in unſrer Stadt zu finden, wo ſie von uns ſo wol als den unſrigen koͤnnen anſtaͤndi- ger empfangen und bequemer bedienet werden. Sie moͤchten alſo nur kommen und fuͤr nichts bange ſeyn, ſie ſolten ſtandesgemaͤs bewirthet werden. Als der beſtimte Tag kam, erſchienen die Liven zum Geſpraͤche an dem Wogenefluß im Gewehr. Auch die Aelteſten vom Schloß Holme, die Stifter des ganzen Un- gluͤcks, fuhren zu ihnen hinauf zu Schiffe, landeten bey dem Schloß Ykeskole an, und riefen dieſe auch mit ſich. §. 5. Als die Deutſchen die Argliſt der Liven in Erwegung zogen, bedankten ſie ſich gleich und wolten nicht hinauf. Jene aber blieben auf ihrem Sinn und beſpra- chen ſich mit ihren Landsleuten, die Chriſten aus dem Lande zu ſchaffen. Jndeſ- ſen baten zwey von den Neubekehrten in Ykeskola, Kyran **) und Layan, den Commendanten Conrad inſtaͤndigſt, er moͤchte ihnen doch verſtatten der Liven Verſamlung mit beyzuwohnen, damit ſie ihre Hartnaͤckigkeit wiſſen, und melden koͤn- ten, was jene vor Anſchlaͤge gegen die Glaͤubigen Chriſti unternehmen. Sie hat- ten Herz genug, zu dem fuͤrchterlichen Heer der Feinde hinzugehen, indem ſie ſich auf ihre zahlreichen Verwandten und Freunde darunter ſteiften. Conrad hielt dieſes fuͤr hoͤchſt thoͤricht, und rieth ihnen, wegen Menge und Bosheit der Liven es bleiben zu laſſen. Doch ließ er ſich auf ihr anhaltend Flehen bewegen, und gab ihnen Urlaub. So bald ſie in die Verſamlung traten, wurden ſie von den Landes- aͤlteſten beym Leibe genommen, und man wolte ſie zwingen, den Glauben an Chri- ſtum abzulegen und von den Deutſchen ſich los zu ſagen. Doch dieſe waren beſtaͤndig in der Liebe GOttes, und bekanten, daß ſie den angenommenen Glauben von ganzem Herzen lieb haͤtten; bezeugten daneben, daß keine Arten der Marter vermoͤgend waͤren, ſie von der Liebe und Gemeinſchaft der Chriſten zu trennen und loszureiſſen. Daher wurden ſo gar ihre Anverwandten ſo grimmig erbittert, daß nun ihr jetziger Haß ſtaͤrker war, als die vorige Liebe. Hierauf wurden ihnen, auf einmuͤthigen Ausſpruch der Liven, Stricke an die Fuͤſſe gebunden, und ſie mitten durch die Verſamlung geſchleifet; da man ſie denn erbaͤrmlich quaͤlte c⁾ , das Einge- weide heraus riß, und Beine und Arme aus einander renkete. Wir haben keinen Zweifel daran, daß ſie mit den heiligen Maͤrtyrern fuͤr ihr ſo wichtiges Marterthum das ewige Leben werden empfangen haben. c) Hier *) Fuͤr inquam liſt das Revelſche Manuſcript namque. **) Fuͤr Kyranus liſt das Revelſche Manuſcript Hircanus. M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/79
Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/79>, abgerufen am 21.11.2024.