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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1184 bis 1196.
l) Einige Liven waren von einem mehr als Egyptischen Aberglauben eingenommen, und1198
meinten, die Götter wüchsen aus den Bäumen. Siehe beym Jahre 1206 n. 14.
Daher wunderten sie sich, wenn sie dergleichen Bäume von den christlichen Priestern
umhauen sahen, daß kein Blut darnach gelaufen. Siehe beym Jahre 1219 n. 5.
Aus solcher Leute Munde, die dergleichen mit angesehen, berichtet Oliverius Histor. terr.
sanct. n.
65, daß die Liven, Esthen und Preussen, die heidnischen Gottheiten vereh-
ret, die Dryaden, Hamadryaden, Oreaden, Napeen, Numiden, Satyren
und Faunen. Denn sie hoften, fähret er fort, auf ihre Hayne, die keine Axt zu be-
schädigen sich unternehmen dürfte, wo sie Brunnen, Hügel, Felsen und Thäler ehr-
ten, als ob einige Kraft und Segen in ihnen gefunden werden könne.
§. 9.

Nach Verlauf eines Monats brachen sie den Frieden, griffen die geistlichen
Brüder, handthierten sie übel, gingen auf ihre Güter los, und nahmen sie die-
bischer und gewaltsamer Weise weg. Sie entführten auch die Pferde, daß die
Aecker ungebauet liegen blieben. Dahero hat die Kirche bey nahe 200 Märty-
rer eingebüsset*). Deswegen flohe die Geistlichkeit von Ykeskole nach Holm,
und wuste nicht, welchem Glücke oder Orte sie sich überlassen solte.

§. 10.

Auf die nächste Fastenzeit m) versamleten sich alle Liven, und beschlos-
sen, daß, welcher Pfaffe nach Ostern noch im Lande bliebe, am Leben ge-
strafet werden solte. Dahero zogen die Geistlichen nach Sachsen, so wol
aus Furcht vorm Tode, als auch einen Hirten zu suchen. Die Liven nahmen
auch Abrede, alle Kaufleute, die da geblieben waren, todtzuschlagen. Die Kauf-
leute aber gaben an deren Aelteste Geschenke, und erhielten also ihr Leben.

m) Diejenige nemlich, die auf Bertolds Tod gleich folget, und ins Jahr Christi 1199,
der gemeinen Rechnung nach, fält. Denn obgleich Albert schon im vorigen Jahre an
Bertolds Stelle gekommen; so langte er doch in Liefland nicht eher an, als im Som-
mer 1199. Unser Auctor hat also hier alles zusammen anbringen wollen, was die from-
men Priester nach Bertolds Tode bis auf Alberts Ankunst in Liefland, unter diesen
Wilden ausgestanden haben.


Ge-
*) [Jm Lateinischen stehet zwar, unde fere usque ad ducentos martyres ecclesia est damnificata, kan
aber kaum richtig seyn: indem sowol von wirklicher Hinrichtung nichts vorkomt, sondern erst §. 10 be-
schlossen wird, auch weiter unten Anno 1199 §. 2 noch Brüder in Ykeskole den neuen Bischof em-
pfangen, als auch derselben Anzahl, da die Heiden alle wieder abgesprungen, nicht so groß kan gewesen
seyn. Daher die Folgerung unde, so sich auf den verhinderten Feldbau beziehet, fast wahrschemlich
macht, daß gestanden habe, ad ducentas metretas, so ein Gemäß zum Getreide ist: daß also die Ein-
künfts der Kirchen dadurch gelitten haben.]
F
von 1184 bis 1196.
l) Einige Liven waren von einem mehr als Egyptiſchen Aberglauben eingenommen, und1198
meinten, die Goͤtter wuͤchſen aus den Baͤumen. Siehe beym Jahre 1206 n. 14.
Daher wunderten ſie ſich, wenn ſie dergleichen Baͤume von den chriſtlichen Prieſtern
umhauen ſahen, daß kein Blut darnach gelaufen. Siehe beym Jahre 1219 n. 5.
Aus ſolcher Leute Munde, die dergleichen mit angeſehen, berichtet Oliverius Hiſtor. terr.
ſanct. n.
65, daß die Liven, Eſthen und Preuſſen, die heidniſchen Gottheiten vereh-
ret, die Dryaden, Hamadryaden, Oreaden, Napeen, Numiden, Satyren
und Faunen. Denn ſie hoften, faͤhret er fort, auf ihre Hayne, die keine Axt zu be-
ſchaͤdigen ſich unternehmen duͤrfte, wo ſie Brunnen, Huͤgel, Felſen und Thaͤler ehr-
ten, als ob einige Kraft und Segen in ihnen gefunden werden koͤnne.
§. 9.

Nach Verlauf eines Monats brachen ſie den Frieden, griffen die geiſtlichen
Bruͤder, handthierten ſie uͤbel, gingen auf ihre Guͤter los, und nahmen ſie die-
biſcher und gewaltſamer Weiſe weg. Sie entfuͤhrten auch die Pferde, daß die
Aecker ungebauet liegen blieben. Dahero hat die Kirche bey nahe 200 Maͤrty-
rer eingebuͤſſet*). Deswegen flohe die Geiſtlichkeit von Ykeskole nach Holm,
und wuſte nicht, welchem Gluͤcke oder Orte ſie ſich uͤberlaſſen ſolte.

§. 10.

Auf die naͤchſte Faſtenzeit m) verſamleten ſich alle Liven, und beſchloſ-
ſen, daß, welcher Pfaffe nach Oſtern noch im Lande bliebe, am Leben ge-
ſtrafet werden ſolte. Dahero zogen die Geiſtlichen nach Sachſen, ſo wol
aus Furcht vorm Tode, als auch einen Hirten zu ſuchen. Die Liven nahmen
auch Abrede, alle Kaufleute, die da geblieben waren, todtzuſchlagen. Die Kauf-
leute aber gaben an deren Aelteſte Geſchenke, und erhielten alſo ihr Leben.

m) Diejenige nemlich, die auf Bertolds Tod gleich folget, und ins Jahr Chriſti 1199,
der gemeinen Rechnung nach, faͤlt. Denn obgleich Albert ſchon im vorigen Jahre an
Bertolds Stelle gekommen; ſo langte er doch in Liefland nicht eher an, als im Som-
mer 1199. Unſer Auctor hat alſo hier alles zuſammen anbringen wollen, was die from-
men Prieſter nach Bertolds Tode bis auf Alberts Ankunſt in Liefland, unter dieſen
Wilden ausgeſtanden haben.


Ge-
*) [Jm Lateiniſchen ſtehet zwar, unde fere usque ad ducentos martyres eccleſia eſt damnificata, kan
aber kaum richtig ſeyn: indem ſowol von wirklicher Hinrichtung nichts vorkomt, ſondern erſt §. 10 be-
ſchloſſen wird, auch weiter unten Anno 1199 §. 2 noch Bruͤder in Ykeskole den neuen Biſchof em-
pfangen, als auch derſelben Anzahl, da die Heiden alle wieder abgeſprungen, nicht ſo groß kan geweſen
ſeyn. Daher die Folgerung unde, ſo ſich auf den verhinderten Feldbau beziehet, faſt wahrſchemlich
macht, daß geſtanden habe, ad ducentas metretas, ſo ein Gemaͤß zum Getreide iſt: daß alſo die Ein-
kuͤnfts der Kirchen dadurch gelitten haben.]
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[21/0053] von 1184 bis 1196. l⁾ Einige Liven waren von einem mehr als Egyptiſchen Aberglauben eingenommen, und meinten, die Goͤtter wuͤchſen aus den Baͤumen. Siehe beym Jahre 1206 n. 14. Daher wunderten ſie ſich, wenn ſie dergleichen Baͤume von den chriſtlichen Prieſtern umhauen ſahen, daß kein Blut darnach gelaufen. Siehe beym Jahre 1219 n. 5. Aus ſolcher Leute Munde, die dergleichen mit angeſehen, berichtet Oliverius Hiſtor. terr. ſanct. n. 65, daß die Liven, Eſthen und Preuſſen, die heidniſchen Gottheiten vereh- ret, die Dryaden, Hamadryaden, Oreaden, Napeen, Numiden, Satyren und Faunen. Denn ſie hoften, faͤhret er fort, auf ihre Hayne, die keine Axt zu be- ſchaͤdigen ſich unternehmen duͤrfte, wo ſie Brunnen, Huͤgel, Felſen und Thaͤler ehr- ten, als ob einige Kraft und Segen in ihnen gefunden werden koͤnne. §. 9. Nach Verlauf eines Monats brachen ſie den Frieden, griffen die geiſtlichen Bruͤder, handthierten ſie uͤbel, gingen auf ihre Guͤter los, und nahmen ſie die- biſcher und gewaltſamer Weiſe weg. Sie entfuͤhrten auch die Pferde, daß die Aecker ungebauet liegen blieben. Dahero hat die Kirche bey nahe 200 Maͤrty- rer eingebuͤſſet *). Deswegen flohe die Geiſtlichkeit von Ykeskole nach Holm, und wuſte nicht, welchem Gluͤcke oder Orte ſie ſich uͤberlaſſen ſolte. §. 10. Auf die naͤchſte Faſtenzeit m⁾ verſamleten ſich alle Liven, und beſchloſ- ſen, daß, welcher Pfaffe nach Oſtern noch im Lande bliebe, am Leben ge- ſtrafet werden ſolte. Dahero zogen die Geiſtlichen nach Sachſen, ſo wol aus Furcht vorm Tode, als auch einen Hirten zu ſuchen. Die Liven nahmen auch Abrede, alle Kaufleute, die da geblieben waren, todtzuſchlagen. Die Kauf- leute aber gaben an deren Aelteſte Geſchenke, und erhielten alſo ihr Leben. m⁾ Diejenige nemlich, die auf Bertolds Tod gleich folget, und ins Jahr Chriſti 1199, der gemeinen Rechnung nach, faͤlt. Denn obgleich Albert ſchon im vorigen Jahre an Bertolds Stelle gekommen; ſo langte er doch in Liefland nicht eher an, als im Som- mer 1199. Unſer Auctor hat alſo hier alles zuſammen anbringen wollen, was die from- men Prieſter nach Bertolds Tode bis auf Alberts Ankunſt in Liefland, unter dieſen Wilden ausgeſtanden haben. Ge- *) [Jm Lateiniſchen ſtehet zwar, unde fere usque ad ducentos martyres eccleſia eſt damnificata, kan aber kaum richtig ſeyn: indem ſowol von wirklicher Hinrichtung nichts vorkomt, ſondern erſt §. 10 be- ſchloſſen wird, auch weiter unten Anno 1199 §. 2 noch Bruͤder in Ykeskole den neuen Biſchof em- pfangen, als auch derſelben Anzahl, da die Heiden alle wieder abgeſprungen, nicht ſo groß kan geweſen ſeyn. Daher die Folgerung unde, ſo ſich auf den verhinderten Feldbau beziehet, faſt wahrſchemlich macht, daß geſtanden habe, ad ducentas metretas, ſo ein Gemaͤß zum Getreide iſt: daß alſo die Ein- kuͤnfts der Kirchen dadurch gelitten haben.] F

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/53>, abgerufen am 30.12.2024.