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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Geschichte des dritten Bischof Alberts, sieben und zwanzigstes Jahr,
§. 5.
1224

Er hatte aber noch Verlangen, auch andern Neubekehrten zuzusprechen, und
besuchte die Liven auf Holme. Nachdem er daselbst die Messe gelesen, und den
Samen der heiligen Lehre ausgestreuet: begab er sich nach Ykeskole, wo er das
Gedächtniß der ersten heiligen Bischöfe feyerte, und diese Liven in dem Dienst
GOttes stärkte. Nachher mahnete er die Liven in Lenewarden und in Asche-
rade
gleichfals von der Abgötterey ab, und unterrichtete sie fleißig in dem Dienst
des einigen GOttes. Endlich ertheilte er ebenmäßig die Vermahnungen heiliger
Lehre in Kukenoyse sowol den Deutschen als Russen, Letten und Selen
die bey einander wohnten, nach aller Treue, und warnete nur immer die Deut-
schen,
daß sie ihren Unterthanen mit harten Auflagen und unrechtmäßigem Ein-
treiben *) nichts zu nahe thäten, sondern von dem Glauben an Christum sie eifrig
belehrten, christliche Gewohnheiten einführten, die heidnischen Gebräuche abschaf-
ten, und sowol mit ihrem guten Exempel als mit Worten sie erbauen möchten.

§. 6.

Als der Gesandte des apostolischen Stuhls wieder nach Riga zurück gezogen
war: so machten sich die Deutschen in Odempe auf, und zwar zur Herbstzeit
mit ihrem ganzen Gefolge, um die Aeltesten von Wirland zusammen zu fordern,
gingen auch nach Wirland, nahmen alle Schlösser darinne weg, trieben die
Dänen heraus und sagten, das Land wäre durch die Fahne Unserer Lieben Frauen
gleich anfänglich zum christlichen Glauben gebracht worden. Sie fingen an in al-
len Provinzen und Schlössern Wirlands den Meister zu spielen. Auf eingelau-
fenen Bericht aber beschied der Herr Gesandte diese Deutschen vor sich, und
zwang sie bey Strafe des Kirchenbannes, das Land in den Schutz des Pabsts zu
übertragen; schickte auch gleich seine Expressen an die Dänen nach Revel, und
nöthigte sie ebenfals das Land, wie auch die andern Länder, über welche die Deut-
schen
mit den Dänen zerfallen waren, in seine Hände zu übergeben. Die Dä-
nen
getraueten sich nicht wider den Stachel zu lecken, sondern versprachen dem
Römischen Hofe treulich zu gehorchen. Sie übertrugen also Wirland, Ger-
wen, Harrien
und die Wyk in die Hände der Boten des Herrn Gesandten,
Wilhelms, Bischofs von Modena, schickten die Briefschaften darüber mit ih-
rem Jnsiegel nach Riga, und bestätigten die Schenkung. Hierauf fertigte der
Gesandte seine Männer, Pilger und Priester nach Wirland ab, gab allen Deut-
schen
und Dänen ihren Abschied, und behielt diese Länder in seiner Gewalt.

§. 7.

Nach dem Fest der Erscheinung Christi aber, da wegen des Schnees und
Frostes in diesen kalten Ländern der beste Weg zum reisen ist, zog der Herr Bi-
schof von Modena, päbstlicher Gesandter, mit Geistlichen und Knechten weg,
nahm den Bischof Lambert i) von Semgallen, und den Rigischen Probst
Johannes, wie auch Rigische Bürger und etliche Ordensbrüder mit andern
mehr mit sich, ging durch Liefland, kam in Lettland an, und aus Lettland
nach Saccala, obgleich in grosser Schwachheit seines Leibes. Jn Viliende
oder Vellnio ruhte er zwey Tage aus, zog nachher nach Gerwen, und alle Ein-
wohner in Gerwen kamen ihm im Dorfe Karethen entgegen, denen er das
Wort GOttes mit Freudigkeit verkündigte, sie im katholischen Glauben unterrich-
tete, und sie in die Hände des Römischen Pabstes samlete. Er reiste hierauf
nach dem ersten Schlosse in Wirland, so Agelinde hieß, ward daselbst sehr
freudig und mit Ehren empfangen, ließ die Leute alle zusammen kommen, ertheilte

ihnen
*) Für exactionibus in debitis eorum, ist hier angenommen worden, exactionibus indebitis eorum,
daß indebitis zu exactionibus gehöre, wie duris grauaminibus; sonst ist der Verstand dunkel.
Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſieben und zwanzigſtes Jahr,
§. 5.
1224

Er hatte aber noch Verlangen, auch andern Neubekehrten zuzuſprechen, und
beſuchte die Liven auf Holme. Nachdem er daſelbſt die Meſſe geleſen, und den
Samen der heiligen Lehre ausgeſtreuet: begab er ſich nach Ykeskole, wo er das
Gedaͤchtniß der erſten heiligen Biſchoͤfe feyerte, und dieſe Liven in dem Dienſt
GOttes ſtaͤrkte. Nachher mahnete er die Liven in Lenewarden und in Aſche-
rade
gleichfals von der Abgoͤtterey ab, und unterrichtete ſie fleißig in dem Dienſt
des einigen GOttes. Endlich ertheilte er ebenmaͤßig die Vermahnungen heiliger
Lehre in Kukenoyſe ſowol den Deutſchen als Ruſſen, Letten und Selen
die bey einander wohnten, nach aller Treue, und warnete nur immer die Deut-
ſchen,
daß ſie ihren Unterthanen mit harten Auflagen und unrechtmaͤßigem Ein-
treiben *) nichts zu nahe thaͤten, ſondern von dem Glauben an Chriſtum ſie eifrig
belehrten, chriſtliche Gewohnheiten einfuͤhrten, die heidniſchen Gebraͤuche abſchaf-
ten, und ſowol mit ihrem guten Exempel als mit Worten ſie erbauen moͤchten.

§. 6.

Als der Geſandte des apoſtoliſchen Stuhls wieder nach Riga zuruͤck gezogen
war: ſo machten ſich die Deutſchen in Odempe auf, und zwar zur Herbſtzeit
mit ihrem ganzen Gefolge, um die Aelteſten von Wirland zuſammen zu fordern,
gingen auch nach Wirland, nahmen alle Schloͤſſer darinne weg, trieben die
Daͤnen heraus und ſagten, das Land waͤre durch die Fahne Unſerer Lieben Frauen
gleich anfaͤnglich zum chriſtlichen Glauben gebracht worden. Sie fingen an in al-
len Provinzen und Schloͤſſern Wirlands den Meiſter zu ſpielen. Auf eingelau-
fenen Bericht aber beſchied der Herr Geſandte dieſe Deutſchen vor ſich, und
zwang ſie bey Strafe des Kirchenbannes, das Land in den Schutz des Pabſts zu
uͤbertragen; ſchickte auch gleich ſeine Expreſſen an die Daͤnen nach Revel, und
noͤthigte ſie ebenfals das Land, wie auch die andern Laͤnder, uͤber welche die Deut-
ſchen
mit den Daͤnen zerfallen waren, in ſeine Haͤnde zu uͤbergeben. Die Daͤ-
nen
getraueten ſich nicht wider den Stachel zu lecken, ſondern verſprachen dem
Roͤmiſchen Hofe treulich zu gehorchen. Sie uͤbertrugen alſo Wirland, Ger-
wen, Harrien
und die Wyk in die Haͤnde der Boten des Herrn Geſandten,
Wilhelms, Biſchofs von Modena, ſchickten die Briefſchaften daruͤber mit ih-
rem Jnſiegel nach Riga, und beſtaͤtigten die Schenkung. Hierauf fertigte der
Geſandte ſeine Maͤnner, Pilger und Prieſter nach Wirland ab, gab allen Deut-
ſchen
und Daͤnen ihren Abſchied, und behielt dieſe Laͤnder in ſeiner Gewalt.

§. 7.

Nach dem Feſt der Erſcheinung Chriſti aber, da wegen des Schnees und
Froſtes in dieſen kalten Laͤndern der beſte Weg zum reiſen iſt, zog der Herr Bi-
ſchof von Modena, paͤbſtlicher Geſandter, mit Geiſtlichen und Knechten weg,
nahm den Biſchof Lambert i) von Semgallen, und den Rigiſchen Probſt
Johannes, wie auch Rigiſche Buͤrger und etliche Ordensbruͤder mit andern
mehr mit ſich, ging durch Liefland, kam in Lettland an, und aus Lettland
nach Saccala, obgleich in groſſer Schwachheit ſeines Leibes. Jn Viliende
oder Vellnio ruhte er zwey Tage aus, zog nachher nach Gerwen, und alle Ein-
wohner in Gerwen kamen ihm im Dorfe Karethen entgegen, denen er das
Wort GOttes mit Freudigkeit verkuͤndigte, ſie im katholiſchen Glauben unterrich-
tete, und ſie in die Haͤnde des Roͤmiſchen Pabſtes ſamlete. Er reiſte hierauf
nach dem erſten Schloſſe in Wirland, ſo Agelinde hieß, ward daſelbſt ſehr
freudig und mit Ehren empfangen, ließ die Leute alle zuſammen kommen, ertheilte

ihnen
*) Fuͤr exactionibus in debitis eorum, iſt hier angenommen worden, exactionibus indebitis eorum,
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[206/0238] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſieben und zwanzigſtes Jahr, §. 5. Er hatte aber noch Verlangen, auch andern Neubekehrten zuzuſprechen, und beſuchte die Liven auf Holme. Nachdem er daſelbſt die Meſſe geleſen, und den Samen der heiligen Lehre ausgeſtreuet: begab er ſich nach Ykeskole, wo er das Gedaͤchtniß der erſten heiligen Biſchoͤfe feyerte, und dieſe Liven in dem Dienſt GOttes ſtaͤrkte. Nachher mahnete er die Liven in Lenewarden und in Aſche- rade gleichfals von der Abgoͤtterey ab, und unterrichtete ſie fleißig in dem Dienſt des einigen GOttes. Endlich ertheilte er ebenmaͤßig die Vermahnungen heiliger Lehre in Kukenoyſe ſowol den Deutſchen als Ruſſen, Letten und Selen die bey einander wohnten, nach aller Treue, und warnete nur immer die Deut- ſchen, daß ſie ihren Unterthanen mit harten Auflagen und unrechtmaͤßigem Ein- treiben *) nichts zu nahe thaͤten, ſondern von dem Glauben an Chriſtum ſie eifrig belehrten, chriſtliche Gewohnheiten einfuͤhrten, die heidniſchen Gebraͤuche abſchaf- ten, und ſowol mit ihrem guten Exempel als mit Worten ſie erbauen moͤchten. §. 6. Als der Geſandte des apoſtoliſchen Stuhls wieder nach Riga zuruͤck gezogen war: ſo machten ſich die Deutſchen in Odempe auf, und zwar zur Herbſtzeit mit ihrem ganzen Gefolge, um die Aelteſten von Wirland zuſammen zu fordern, gingen auch nach Wirland, nahmen alle Schloͤſſer darinne weg, trieben die Daͤnen heraus und ſagten, das Land waͤre durch die Fahne Unſerer Lieben Frauen gleich anfaͤnglich zum chriſtlichen Glauben gebracht worden. Sie fingen an in al- len Provinzen und Schloͤſſern Wirlands den Meiſter zu ſpielen. Auf eingelau- fenen Bericht aber beſchied der Herr Geſandte dieſe Deutſchen vor ſich, und zwang ſie bey Strafe des Kirchenbannes, das Land in den Schutz des Pabſts zu uͤbertragen; ſchickte auch gleich ſeine Expreſſen an die Daͤnen nach Revel, und noͤthigte ſie ebenfals das Land, wie auch die andern Laͤnder, uͤber welche die Deut- ſchen mit den Daͤnen zerfallen waren, in ſeine Haͤnde zu uͤbergeben. Die Daͤ- nen getraueten ſich nicht wider den Stachel zu lecken, ſondern verſprachen dem Roͤmiſchen Hofe treulich zu gehorchen. Sie uͤbertrugen alſo Wirland, Ger- wen, Harrien und die Wyk in die Haͤnde der Boten des Herrn Geſandten, Wilhelms, Biſchofs von Modena, ſchickten die Briefſchaften daruͤber mit ih- rem Jnſiegel nach Riga, und beſtaͤtigten die Schenkung. Hierauf fertigte der Geſandte ſeine Maͤnner, Pilger und Prieſter nach Wirland ab, gab allen Deut- ſchen und Daͤnen ihren Abſchied, und behielt dieſe Laͤnder in ſeiner Gewalt. §. 7. Nach dem Feſt der Erſcheinung Chriſti aber, da wegen des Schnees und Froſtes in dieſen kalten Laͤndern der beſte Weg zum reiſen iſt, zog der Herr Bi- ſchof von Modena, paͤbſtlicher Geſandter, mit Geiſtlichen und Knechten weg, nahm den Biſchof Lambert i⁾ von Semgallen, und den Rigiſchen Probſt Johannes, wie auch Rigiſche Buͤrger und etliche Ordensbruͤder mit andern mehr mit ſich, ging durch Liefland, kam in Lettland an, und aus Lettland nach Saccala, obgleich in groſſer Schwachheit ſeines Leibes. Jn Viliende oder Vellnio ruhte er zwey Tage aus, zog nachher nach Gerwen, und alle Ein- wohner in Gerwen kamen ihm im Dorfe Karethen entgegen, denen er das Wort GOttes mit Freudigkeit verkuͤndigte, ſie im katholiſchen Glauben unterrich- tete, und ſie in die Haͤnde des Roͤmiſchen Pabſtes ſamlete. Er reiſte hierauf nach dem erſten Schloſſe in Wirland, ſo Agelinde hieß, ward daſelbſt ſehr freudig und mit Ehren empfangen, ließ die Leute alle zuſammen kommen, ertheilte ihnen *) Fuͤr exactionibus in debitis eorum, iſt hier angenommen worden, exactionibus indebitis eorum, daß indebitis zu exactionibus gehoͤre, wie duris grauaminibus; ſonſt iſt der Verſtand dunkel.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/238>, abgerufen am 21.11.2024.