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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1220 bis 1221.
[Spaltenumbruch]

les in allen neunzig weniger einen aus-
machten; die heidnischen Litthauer
aber sechs hundert betrugen: so waren sie
zwar vor der Vielheit bange, doch setzten
sie ihre ganze Hofnung auf den HErrn,
und gingen beherzt auf sie los. Die Lit-
thauer
sahen sie auf sich anrücken, und
stelten ihre Macht gegen über. Sie postir-
ten auch zwey hundert ihrer besten Reu-
ter an einen besondern Ort, den flüchti-
gen Deutschen nachzujagen; der ganze
übrige Schwarm hingegen solte sich den
Deutschen in Weg legen. Die Deut-
schen
konten sich wegen Schwäche ihrer
eignen Leute mit ihnen nicht schlagen, es
fochte aber derjenige, der ehmals gemacht
hat, daß einer Tausend jagte, und zwey
zehn Tausend in die Flucht schlugen. Jn
diesem erhoben sie zuversichtlich ihre Fah-
ne, und gingen drauf los. Sie wag-
ten also die Schlacht; und es fielen
fangs so wol von den als jenen, und
weil der Weg des nahe gelegenen
Waldes halber enge war, so kamen die
Deutschen zuerst zum Treffen, die Let-
ten
aber alle folgten gleich nach und
schrien auf Deutsch, wie man es ihnen
an die Hand gegeben hatte, sie solten an-
packen, niederreissen und todtschlagen.
Durch dieses vielfache Geschrey wurden
die Litthauer alzu schüchtern, und sahen,
sich, weil sie meinten, daß noch viele
Deutschen nachkommen dürften, ei-
lends nach der Flucht um. Es fiel auch
ihr tapferster Heerführer, und von den
andern über hundert. Die übrigen wur-
fen ihr Gewehr weg, und liefen nach dem
Busche. Die Deutschen aber samle-
ten alle ihre Beute, und was sie nicht mit
fortbringen konten, das branten sie auf.
Sie erhaschten auch bey vierzig Pferde,
die sie mit wegnahmen, und lobten GOtt,
der für sie gestritten hatte. Von den
Deutschen blieben drey auf der Stelle,
deren Seelen in Christo ruhen müssen
in Friede. Amen! Diejenigen Lit-
thauer
aber, so nach dem Gebüsche ent-
ronnen, weil es sehr späte im Herbste
war, versoffen wegen der beschwerlichen
Paßage des Dünestroms entweder in
der Düne, oder erhenkten sich in diesen
Wäldern, damit sie nicht in ihr Land
kehren konten, deswegen, weil sie das
Land der heiligen Jungfrau geplündert

[Spaltenumbruch]

per omnia uno minus quam nonagin-1220
ta; paganorum vero Letthonum sexcen-
ti: multitudinem eorum formidan-
tes quidem, sed spem totam pone-
bant in Domino, et audacter ad eos
appropinquant. Letthones quoque vi-
dentes eos ad se venientes, ordinant
exercitum suum ex aduerso, et ducen-
tos meliores ex equitibus suis seorsim
statuentes, ut ipsi persequantur Teuto-
nicos
fugientes; ceteri vero omnes in
magna turba veniant obuiam Teuto-
nicis.
Et non poterant Teutonici
propter paucitatem suorum pugna-
re cum eis, sed pugnauit ille, qui
quondam fecit, ut unus persequeretur
mille, et duo fugarent decem millia.
In quo confidenter elato vexillo pro-
pinquant ad eos: et committentes
proelium ceciderunt primo tam ex il-
lis, tam ex istis, et cum esset via
stricta propter adjacentem siluam,
Teutonici primo venerunt ad proelium,
et Letthi omnes sequebantur, claman-
tes, sicut edocti erant, lingua Teutonico-
rum,
ut caperent, raperent, interficerent.
Quo clamore multiplici nimium ex-
territi Letthones, et putantes multos
sequi sibi Teutonicos, celeriter con-
uersi sunt in fugam, et cecidit fortis-
simus eorum Dux et ex aliis supra
centum, et ceteri abjectis armis suis
fugerunt per siluas. Et collegerunt
Teutonici, omnia spolia eorum, et quae
secum ferre non poterant, igne com-
busserunt, et ex equis eorum com-
prehendentes circiter quadragintas se-
cum deduxerunt, Deum collaudantes,
qui pro eis pugnauit. Ex Teutonicis
tres ibidem sunt interfecti, quorum
animae in Christo requiescant in pace!
Amen. Letthones, qui euaserant per
siluas, cum esset jam tempore hiema-
li, prae difficultate transitus Dunae aut
submersi sunt in Duna, aut se ipsis
in siluis suspenderunt, ne redirent in
terram suam, eo quod terram beatae
Virginis despoliauerant; cujus filius

hatten,
X x 2
von 1220 bis 1221.
[Spaltenumbruch]

les in allen neunzig weniger einen aus-
machten; die heidniſchen Litthauer
aber ſechs hundert betrugen: ſo waren ſie
zwar vor der Vielheit bange, doch ſetzten
ſie ihre ganze Hofnung auf den HErrn,
und gingen beherzt auf ſie los. Die Lit-
thauer
ſahen ſie auf ſich anruͤcken, und
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ten auch zwey hundert ihrer beſten Reu-
ter an einen beſondern Ort, den fluͤchti-
gen Deutſchen nachzujagen; der ganze
uͤbrige Schwarm hingegen ſolte ſich den
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ſchen
konten ſich wegen Schwaͤche ihrer
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ne, und gingen drauf los. Sie wag-
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Waldes halber enge war, ſo kamen die
Deutſchen zuerſt zum Treffen, die Let-
ten
aber alle folgten gleich nach und
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die Litthauer alzu ſchuͤchtern, und ſahen,
ſich, weil ſie meinten, daß noch viele
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lends nach der Flucht um. Es fiel auch
ihr tapferſter Heerfuͤhrer, und von den
andern uͤber hundert. Die uͤbrigen wur-
fen ihr Gewehr weg, und liefen nach dem
Buſche. Die Deutſchen aber ſamle-
ten alle ihre Beute, und was ſie nicht mit
fortbringen konten, das branten ſie auf.
Sie erhaſchten auch bey vierzig Pferde,
die ſie mit wegnahmen, und lobten GOtt,
der fuͤr ſie geſtritten hatte. Von den
Deutſchen blieben drey auf der Stelle,
deren Seelen in Chriſto ruhen muͤſſen
in Friede. Amen! Diejenigen Lit-
thauer
aber, ſo nach dem Gebuͤſche ent-
ronnen, weil es ſehr ſpaͤte im Herbſte
war, verſoffen wegen der beſchwerlichen
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der Duͤne, oder erhenkten ſich in dieſen
Waͤldern, damit ſie nicht in ihr Land
kehren konten, deswegen, weil ſie das
Land der heiligen Jungfrau gepluͤndert

[Spaltenumbruch]

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ta; paganorum vero Letthonum ſexcen-
ti: multitudinem eorum formidan-
tes quidem, ſed ſpem totam pone-
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exercitum ſuum ex aduerſo, et ducen-
tos meliores ex equitibus ſuis ſeorſim
ſtatuentes, ut ipſi perſequantur Teuto-
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fugientes; ceteri vero omnes in
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propter paucitatem ſuorum pugna-
re cum eis, ſed pugnauit ille, qui
quondam fecit, ut unus perſequeretur
mille, et duo fugarent decem millia.
In quo confidenter elato vexillo pro-
pinquant ad eos: et committentes
prœlium ceciderunt primo tam ex il-
lis, tam ex iſtis, et cum eſſet via
ſtricta propter adjacentem ſiluam,
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et Letthi omnes ſequebantur, claman-
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rum,
ut caperent, raperent, interficerent.
Quo clamore multiplici nimium ex-
territi Letthones, et putantes multos
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uerſi ſunt in fugam, et cecidit fortiſ-
ſimus eorum Dux et ex aliis ſupra
centum, et ceteri abjectis armis ſuis
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Teutonici, omnia ſpolia eorum, et quæ
ſecum ferre non poterant, igne com-
buſſerunt, et ex equis eorum com-
prehendentes circiter quadragintas ſe-
cum deduxerunt, Deum collaudantes,
qui pro eis pugnauit. Ex Teutonicis
tres ibidem ſunt interfecti, quorum
animæ in Chriſto requieſcant in pace!
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ſiluas, cum eſſet jam tempore hiema-
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[175/0207] von 1220 bis 1221. les in allen neunzig weniger einen aus- machten; die heidniſchen Litthauer aber ſechs hundert betrugen: ſo waren ſie zwar vor der Vielheit bange, doch ſetzten ſie ihre ganze Hofnung auf den HErrn, und gingen beherzt auf ſie los. Die Lit- thauer ſahen ſie auf ſich anruͤcken, und ſtelten ihre Macht gegen uͤber. Sie poſtir- ten auch zwey hundert ihrer beſten Reu- ter an einen beſondern Ort, den fluͤchti- gen Deutſchen nachzujagen; der ganze uͤbrige Schwarm hingegen ſolte ſich den Deutſchen in Weg legen. Die Deut- ſchen konten ſich wegen Schwaͤche ihrer eignen Leute mit ihnen nicht ſchlagen, es fochte aber derjenige, der ehmals gemacht hat, daß einer Tauſend jagte, und zwey zehn Tauſend in die Flucht ſchlugen. Jn dieſem erhoben ſie zuverſichtlich ihre Fah- ne, und gingen drauf los. Sie wag- ten alſo die Schlacht; und es fielen fangs ſo wol von den als jenen, und weil der Weg des nahe gelegenen Waldes halber enge war, ſo kamen die Deutſchen zuerſt zum Treffen, die Let- ten aber alle folgten gleich nach und ſchrien auf Deutſch, wie man es ihnen an die Hand gegeben hatte, ſie ſolten an- packen, niederreiſſen und todtſchlagen. Durch dieſes vielfache Geſchrey wurden die Litthauer alzu ſchuͤchtern, und ſahen, ſich, weil ſie meinten, daß noch viele Deutſchen nachkommen duͤrften, ei- lends nach der Flucht um. Es fiel auch ihr tapferſter Heerfuͤhrer, und von den andern uͤber hundert. Die uͤbrigen wur- fen ihr Gewehr weg, und liefen nach dem Buſche. Die Deutſchen aber ſamle- ten alle ihre Beute, und was ſie nicht mit fortbringen konten, das branten ſie auf. Sie erhaſchten auch bey vierzig Pferde, die ſie mit wegnahmen, und lobten GOtt, der fuͤr ſie geſtritten hatte. Von den Deutſchen blieben drey auf der Stelle, deren Seelen in Chriſto ruhen muͤſſen in Friede. Amen! Diejenigen Lit- thauer aber, ſo nach dem Gebuͤſche ent- ronnen, weil es ſehr ſpaͤte im Herbſte war, verſoffen wegen der beſchwerlichen Paßage des Duͤneſtroms entweder in der Duͤne, oder erhenkten ſich in dieſen Waͤldern, damit ſie nicht in ihr Land kehren konten, deswegen, weil ſie das Land der heiligen Jungfrau gepluͤndert per omnia uno minus quam nonagin- ta; paganorum vero Letthonum ſexcen- ti: multitudinem eorum formidan- tes quidem, ſed ſpem totam pone- bant in Domino, et audacter ad eos appropinquant. Letthones quoque vi- dentes eos ad ſe venientes, ordinant exercitum ſuum ex aduerſo, et ducen- tos meliores ex equitibus ſuis ſeorſim ſtatuentes, ut ipſi perſequantur Teuto- nicos fugientes; ceteri vero omnes in magna turba veniant obuiam Teuto- nicis. Et non poterant Teutonici propter paucitatem ſuorum pugna- re cum eis, ſed pugnauit ille, qui quondam fecit, ut unus perſequeretur mille, et duo fugarent decem millia. In quo confidenter elato vexillo pro- pinquant ad eos: et committentes prœlium ceciderunt primo tam ex il- lis, tam ex iſtis, et cum eſſet via ſtricta propter adjacentem ſiluam, Teutonici primo venerunt ad prœlium, et Letthi omnes ſequebantur, claman- tes, ſicut edocti erant, lingua Teutonico- rum, ut caperent, raperent, interficerent. Quo clamore multiplici nimium ex- territi Letthones, et putantes multos ſequi ſibi Teutonicos, celeriter con- uerſi ſunt in fugam, et cecidit fortiſ- ſimus eorum Dux et ex aliis ſupra centum, et ceteri abjectis armis ſuis fugerunt per ſiluas. Et collegerunt Teutonici, omnia ſpolia eorum, et quæ ſecum ferre non poterant, igne com- buſſerunt, et ex equis eorum com- prehendentes circiter quadragintas ſe- cum deduxerunt, Deum collaudantes, qui pro eis pugnauit. Ex Teutonicis tres ibidem ſunt interfecti, quorum animæ in Chriſto requieſcant in pace! Amen. Letthones, qui euaſerant per ſiluas, cum eſſet jam tempore hiema- li, præ difficultate tranſitus Dunæ aut ſubmerſi ſunt in Duna, aut ſe ipſis in ſiluis ſuſpenderunt, ne redirent in terram ſuam, eo quod terram beatæ Virginis deſpoliauerant; cujus filius hatten, 1220 X x 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/207>, abgerufen am 30.12.2024.