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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1218 bis 1219.
worden, wie etwan ein Schutzgott (auf der Comödie) aus der Maschine fält. Doch1218
wil ich nicht entgegen seyn, wenn man lieber den Ursprung und Grund der Begebenheit
auf die Fahne des Fürstens der Slaven deute. Denn der hat an der geleisteten Hülfe
den vornehmsten Antheil gehabt. Oder wenn man sonst eine gleichfals natürliche Erklä-
rung annimt, dabey eben nicht nöthig ist, daß GOtt dabey sey, oder das, was wir zu
erst sagten.
h) Von Wesselinen, dem Substistuten des Esthnischen Bischofs, ist eine schöne Stelle
bey Alberichen p. 456, die wir unten beybringen wollen, not. x).
§. 3.

Als der Bischof mit seinen Pilgern wieder in Liefland sich einfand, kamen
die Semgallen von Mesoyten i) zu ihm, und ersuchten um Hülfe gegen die
Litthauer. Der Bischof antwortete: Wenn ihr euch taufen lassen und den
christlichen Gesetzen unterwerfen wollet; so wollen wir euch Hülfe leisten, und
euch in unsere Brüdergemeine aufnehmen.
Sie erwiederten hingegen: Wir
getrauen uns nicht, wegen der Wuth anderer Semgallen und Litthauer
uns taufen zu lassen, wo du nicht deine Männer zu uns in unsere Burg
schickest, und uns vor ihren Anfällen vertheidigest; diese können nachher bey
uns bleiben, das Sacrament der heiligen Taufe uns reichen, und in den Ge-
setzen des Christenthums uns unterrichten.
Jhr Vorschlag gefiel dem Bischof
und zugleich den Rigischen wohl, die auch ihre Leute mit ihnen schickten, das Ja-
wort der andern zu erfragen, so zu Hause geblieben. Sie kamen aber zu zweyen
und mehrern malen, und begehrten immer dasselbe. Zuletzt machte sich der Bi-
schof mit dem Herzoge von Sachsen, mit etlichen andern Pilgern, samt dem
Probst Unserer Lieben Frauen k) und seinen Leuten auf, zog nach Semgallen,
lagerte sich in aller Stille bey dem Schlosse Mesoythen, und berief die Sem-
gallen
aus dieser Provinz vor sich. Diese waren ihrer Zusage nach redlich gehor-
sam und erschienen alle, nahmen die Lehre des Evangelii an, liessen sich taufen, et-
wan dreyhundert Mann ohne Weiber und Kinder, da denn eine grosse Freude über
ihre Bekehrung entstand. Nachher legte der Bischof auf ihre Bitte seine Männer
zu ihnen in die Burg Mesothen, mit einigen Fremden und andern, schickte auch
einige ab, von Riga die Nothwendigkeiten auf Strusen herbey zu fahren. Er
selbst kehrte mit dem Herzog und andern wieder nach Riga.

i) Mesoyten oder Mesoten, ist heutiges Tages ein Dorf an der Musse, gleich über
Mietau, der Hauptstadt in Semgallien.
k) Johannes, dem Probste an der Stiftskirche in Riga, die der Mutter GOttes,
Maria, gewidmet war.
§. 4.

Hierauf bekam Westhard, ein Landesältester über andere Semgallen, aus
der benachbarten Provinz, so Thernetene hieß, die Bekehrung derer von Me-
sothen
zu wissen; brachte deswegen eine Armee aus allen seinen Ländern auf, un-
terbrach den Frieden, kam ans Schloß, und fochte mit den Deutschen den gan-
zen Tag. Sie trugen einen grossen Holzhaufen zusammen und steckten ihn an, kon-
ten aber der Burg damit nichts anhaben, doch stritten sie ungemein tapfer. West-
hards
Schwestersohn ward mit einem Pfeil erschossen. Westhard selbst ward
über diesen Anblick so betrübt, daß er mit seiner Armee vor dem Schlosse gleich ab-
rückte. Jnzwischen erfuhr er, daß andere Deutschen auf der Mussa mit einem
Fahrzeuge angekommen, denen er eiligst entgegen ging, sie an einem engen Passe
antraf, wo der Strom nicht alzutief war, von ihnen etwan dreyßig Mann oder et-
liche mehr gefangen nahm und sie todt machte. Die andern kamen nach Riga zu-
rück. Unter diesen war Segehard, ein Priester Cistercienserordens, der von
Dünemünde nach diesem Schlosse geschicket war, um dem Bischof Bernhard
aufzuwarten, zu dessen bischöflichem Sitze man diesen Ort einsweils bestimmet

hat-
O o 2
von 1218 bis 1219.
worden, wie etwan ein Schutzgott (auf der Comoͤdie) aus der Maſchine faͤlt. Doch1218
wil ich nicht entgegen ſeyn, wenn man lieber den Urſprung und Grund der Begebenheit
auf die Fahne des Fuͤrſtens der Slaven deute. Denn der hat an der geleiſteten Huͤlfe
den vornehmſten Antheil gehabt. Oder wenn man ſonſt eine gleichfals natuͤrliche Erklaͤ-
rung annimt, dabey eben nicht noͤthig iſt, daß GOtt dabey ſey, oder das, was wir zu
erſt ſagten.
h) Von Weſſelinen, dem Subſtiſtuten des Eſthniſchen Biſchofs, iſt eine ſchoͤne Stelle
bey Alberichen p. 456, die wir unten beybringen wollen, not. x).
§. 3.

Als der Biſchof mit ſeinen Pilgern wieder in Liefland ſich einfand, kamen
die Semgallen von Meſoyten i) zu ihm, und erſuchten um Huͤlfe gegen die
Litthauer. Der Biſchof antwortete: Wenn ihr euch taufen laſſen und den
chriſtlichen Geſetzen unterwerfen wollet; ſo wollen wir euch Huͤlfe leiſten, und
euch in unſere Bruͤdergemeine aufnehmen.
Sie erwiederten hingegen: Wir
getrauen uns nicht, wegen der Wuth anderer Semgallen und Litthauer
uns taufen zu laſſen, wo du nicht deine Maͤnner zu uns in unſere Burg
ſchickeſt, und uns vor ihren Anfaͤllen vertheidigeſt; dieſe koͤnnen nachher bey
uns bleiben, das Sacrament der heiligen Taufe uns reichen, und in den Ge-
ſetzen des Chriſtenthums uns unterrichten.
Jhr Vorſchlag gefiel dem Biſchof
und zugleich den Rigiſchen wohl, die auch ihre Leute mit ihnen ſchickten, das Ja-
wort der andern zu erfragen, ſo zu Hauſe geblieben. Sie kamen aber zu zweyen
und mehrern malen, und begehrten immer daſſelbe. Zuletzt machte ſich der Bi-
ſchof mit dem Herzoge von Sachſen, mit etlichen andern Pilgern, ſamt dem
Probſt Unſerer Lieben Frauen k) und ſeinen Leuten auf, zog nach Semgallen,
lagerte ſich in aller Stille bey dem Schloſſe Meſoythen, und berief die Sem-
gallen
aus dieſer Provinz vor ſich. Dieſe waren ihrer Zuſage nach redlich gehor-
ſam und erſchienen alle, nahmen die Lehre des Evangelii an, lieſſen ſich taufen, et-
wan dreyhundert Mann ohne Weiber und Kinder, da denn eine groſſe Freude uͤber
ihre Bekehrung entſtand. Nachher legte der Biſchof auf ihre Bitte ſeine Maͤnner
zu ihnen in die Burg Meſothen, mit einigen Fremden und andern, ſchickte auch
einige ab, von Riga die Nothwendigkeiten auf Struſen herbey zu fahren. Er
ſelbſt kehrte mit dem Herzog und andern wieder nach Riga.

i) Meſoyten oder Meſoten, iſt heutiges Tages ein Dorf an der Muſſe, gleich uͤber
Mietau, der Hauptſtadt in Semgallien.
k) Johannes, dem Probſte an der Stiftskirche in Riga, die der Mutter GOttes,
Maria, gewidmet war.
§. 4.

Hierauf bekam Weſthard, ein Landesaͤlteſter uͤber andere Semgallen, aus
der benachbarten Provinz, ſo Thernetene hieß, die Bekehrung derer von Me-
ſothen
zu wiſſen; brachte deswegen eine Armee aus allen ſeinen Laͤndern auf, un-
terbrach den Frieden, kam ans Schloß, und fochte mit den Deutſchen den gan-
zen Tag. Sie trugen einen groſſen Holzhaufen zuſammen und ſteckten ihn an, kon-
ten aber der Burg damit nichts anhaben, doch ſtritten ſie ungemein tapfer. Weſt-
hards
Schweſterſohn ward mit einem Pfeil erſchoſſen. Weſthard ſelbſt ward
uͤber dieſen Anblick ſo betruͤbt, daß er mit ſeiner Armee vor dem Schloſſe gleich ab-
ruͤckte. Jnzwiſchen erfuhr er, daß andere Deutſchen auf der Muſſa mit einem
Fahrzeuge angekommen, denen er eiligſt entgegen ging, ſie an einem engen Paſſe
antraf, wo der Strom nicht alzutief war, von ihnen etwan dreyßig Mann oder et-
liche mehr gefangen nahm und ſie todt machte. Die andern kamen nach Riga zu-
ruͤck. Unter dieſen war Segehard, ein Prieſter Ciſtercienſerordens, der von
Duͤnemuͤnde nach dieſem Schloſſe geſchicket war, um dem Biſchof Bernhard
aufzuwarten, zu deſſen biſchoͤflichem Sitze man dieſen Ort einsweils beſtimmet

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O o 2
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[147/0179] von 1218 bis 1219. g⁾ worden, wie etwan ein Schutzgott (auf der Comoͤdie) aus der Maſchine faͤlt. Doch wil ich nicht entgegen ſeyn, wenn man lieber den Urſprung und Grund der Begebenheit auf die Fahne des Fuͤrſtens der Slaven deute. Denn der hat an der geleiſteten Huͤlfe den vornehmſten Antheil gehabt. Oder wenn man ſonſt eine gleichfals natuͤrliche Erklaͤ- rung annimt, dabey eben nicht noͤthig iſt, daß GOtt dabey ſey, oder das, was wir zu erſt ſagten. h⁾ Von Weſſelinen, dem Subſtiſtuten des Eſthniſchen Biſchofs, iſt eine ſchoͤne Stelle bey Alberichen p. 456, die wir unten beybringen wollen, not. x). §. 3. Als der Biſchof mit ſeinen Pilgern wieder in Liefland ſich einfand, kamen die Semgallen von Meſoyten i⁾ zu ihm, und erſuchten um Huͤlfe gegen die Litthauer. Der Biſchof antwortete: Wenn ihr euch taufen laſſen und den chriſtlichen Geſetzen unterwerfen wollet; ſo wollen wir euch Huͤlfe leiſten, und euch in unſere Bruͤdergemeine aufnehmen. Sie erwiederten hingegen: Wir getrauen uns nicht, wegen der Wuth anderer Semgallen und Litthauer uns taufen zu laſſen, wo du nicht deine Maͤnner zu uns in unſere Burg ſchickeſt, und uns vor ihren Anfaͤllen vertheidigeſt; dieſe koͤnnen nachher bey uns bleiben, das Sacrament der heiligen Taufe uns reichen, und in den Ge- ſetzen des Chriſtenthums uns unterrichten. Jhr Vorſchlag gefiel dem Biſchof und zugleich den Rigiſchen wohl, die auch ihre Leute mit ihnen ſchickten, das Ja- wort der andern zu erfragen, ſo zu Hauſe geblieben. Sie kamen aber zu zweyen und mehrern malen, und begehrten immer daſſelbe. Zuletzt machte ſich der Bi- ſchof mit dem Herzoge von Sachſen, mit etlichen andern Pilgern, ſamt dem Probſt Unſerer Lieben Frauen k⁾ und ſeinen Leuten auf, zog nach Semgallen, lagerte ſich in aller Stille bey dem Schloſſe Meſoythen, und berief die Sem- gallen aus dieſer Provinz vor ſich. Dieſe waren ihrer Zuſage nach redlich gehor- ſam und erſchienen alle, nahmen die Lehre des Evangelii an, lieſſen ſich taufen, et- wan dreyhundert Mann ohne Weiber und Kinder, da denn eine groſſe Freude uͤber ihre Bekehrung entſtand. Nachher legte der Biſchof auf ihre Bitte ſeine Maͤnner zu ihnen in die Burg Meſothen, mit einigen Fremden und andern, ſchickte auch einige ab, von Riga die Nothwendigkeiten auf Struſen herbey zu fahren. Er ſelbſt kehrte mit dem Herzog und andern wieder nach Riga. i⁾ Meſoyten oder Meſoten, iſt heutiges Tages ein Dorf an der Muſſe, gleich uͤber Mietau, der Hauptſtadt in Semgallien. k⁾ Johannes, dem Probſte an der Stiftskirche in Riga, die der Mutter GOttes, Maria, gewidmet war. §. 4. Hierauf bekam Weſthard, ein Landesaͤlteſter uͤber andere Semgallen, aus der benachbarten Provinz, ſo Thernetene hieß, die Bekehrung derer von Me- ſothen zu wiſſen; brachte deswegen eine Armee aus allen ſeinen Laͤndern auf, un- terbrach den Frieden, kam ans Schloß, und fochte mit den Deutſchen den gan- zen Tag. Sie trugen einen groſſen Holzhaufen zuſammen und ſteckten ihn an, kon- ten aber der Burg damit nichts anhaben, doch ſtritten ſie ungemein tapfer. Weſt- hards Schweſterſohn ward mit einem Pfeil erſchoſſen. Weſthard ſelbſt ward uͤber dieſen Anblick ſo betruͤbt, daß er mit ſeiner Armee vor dem Schloſſe gleich ab- ruͤckte. Jnzwiſchen erfuhr er, daß andere Deutſchen auf der Muſſa mit einem Fahrzeuge angekommen, denen er eiligſt entgegen ging, ſie an einem engen Paſſe antraf, wo der Strom nicht alzutief war, von ihnen etwan dreyßig Mann oder et- liche mehr gefangen nahm und ſie todt machte. Die andern kamen nach Riga zu- ruͤck. Unter dieſen war Segehard, ein Prieſter Ciſtercienſerordens, der von Duͤnemuͤnde nach dieſem Schloſſe geſchicket war, um dem Biſchof Bernhard aufzuwarten, zu deſſen biſchoͤflichem Sitze man dieſen Ort einsweils beſtimmet hat- O o 2

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/179>, abgerufen am 21.11.2024.