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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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von 1211 bis 1212.
Nicht weniger fingen auch die Liven wieder an gegen die Brüder der Ritter-1211
schaft zu kriegen.

b) Einige Zeit dachte ich, es hätte müssen an stat des Namens Rodolf, der Name Vol-
quin
geschrieben und gelesen werden, der nunmehro Ordensmeister der Brüder von der
Ritterschaft Christi war; aber seitdem ich von neuem beym Jahr 1218 n. 6 und 7. ei-
nen Ordensmeister Rodolf, und beym Jahr 1219 n. 2. einen Rodolf von Wenden,
und nachher wieder einen Ordensmeister Volquin antreffe: so komt mirs glaubwürdig
vor, daß dieser Rodolf Viceordensmeister über die im Schlosse Wenden wohnen-
den Ordensbrüder gewesen, und daß er in diesem Amte mit Bertolden von Wenden,
der erst ums Jahr 1215 erschlagen worden, abgewechselt habe.
§. 4.

Weil nun der Bischof Albert das Unkraut vom Weizen scheiden, und
das im Lande entstandene Unheil ausrotten wolte, ehe es überhand nahm, rief er
die Pilger mit dem Ordensmeister und seinen Brüdern zu sich, wie auch die Ri-
gischen
und Liven, so noch bisher getreu und standhaft geblieben. Alle kamen
zusammen, und da sie eine grosse Armee zusammen gebracht, und alle Nothwendig-
keiten mit sich genommen, rückten sie nach Thoreida, belagerten eben das
Schloß des Dabrels, darinne sich die abtrünnigen Liven befunden, und zwar
nicht allein die Liven der Ordensbrüder, sondern auch die Liven des Bischofs
von der andern Seite der Goiwe; deren Oberster und Landesältester Vesike
war. Die Liven fielen aus dem Schlosse aus, auf der hintersten Seite, be-
schädigten einige von der Armee, nahmen ihre Pferde und andere Beute mit sich,
kehrten wieder ins Schloß und sagten: Seyd stark und wehret euch, da-
mit ihr nicht den
Deutschen dienet. Und sie stritten und wehrten sich viele
Tage. Die Deutschen aber warfen mit ihren Patherellen die Werke des
Schlosses um, schmissen viele und grosse Steine in die Vestung, und tödteten
viele Menschen und Vieh. Einige führten einen hohen Schanzthurm auf, den
der Wind in folgender Nacht über den Haufen schmiß, darüber ein groß Geschrey
und Jauchzen im Schlosse entstand. Sie bewiesen ihren Götzen die alten ge-
wöhnlichen Ehrenbezeigungen, schlachteten Thiere, und warfen die geopferten
Hunde und Böcke den Christen zur Schmach aus dem Schlosse heraus, recht
ins Gesichte des Bischofs und der ganzen Armee. Doch alle ihre Arbeit war ei-
tel. Denn es ward ein stärker Blockhaus aufgeführet, ein Thurm aus Holze in
Eil zusammen geschlagen, nach dem Graben geschoben, und das Schloß untermi-
niret. Rußin rief inzwischen oben vom Schlosse den Ordensmeister Berthold
von Wenden, als seinem Draug *), das ist, seinem Kamerad und Freund zu,
nahm seine Sturmhaube vom Kopfe, beugte sich von der Mauer herunter, und
that einen Vortrag vom Frieden und ihrer alten Bekantschaft. Aber eben, da er
noch redete, bekam er unversehens von einem Schützen einen Pfeil in Kopf, daß
er herunter fiel und nachher starb. Also gruben die Deutschen Tag und Nacht
am Walle, und liessen nicht eher ab, bis sie an die Spitze des Schlosses gelangten,
bis der Wall durchschnitten, und der Fal der ganzen Bevestigung schon erwartet
wurde. Wie die Liven sahen, daß die Höhe ihres sehr vesten Schlosses schon zu
Boden sinke; so wurden sie bestürzt und im Gemüthe unruhig, deswegen schickten
ihre Volksältesten Assen c) samt den andern zum Bischof, baten um Verzeihung,
und nicht umgebracht zu werden. Der Bischof aber beredete sie, sich zu dem Sa-
cramente des Glaubens zu wenden, und schickte seine Fahne ins Schloß, die auch
von einigen aufgestecket, von andern aber niedergerissen wurde. Man band
daher den Asso auf die Folter. Der Krieg ging von neuem an, und das letzte
Gefechte ward heftiger und grausamer als das erste. Endlich ergaben sie sich, und

steckten
*) Draug heist in Lettischer und Curischer Sprache ein Freund. Herr Hiärne begehet hier einen Fehler
in der Uebersetzung, da er den Rußin beschuldiget, als habe er Bertholden von Wenden umbringen
wollen.
C c

von 1211 bis 1212.
Nicht weniger fingen auch die Liven wieder an gegen die Bruͤder der Ritter-1211
ſchaft zu kriegen.

b) Einige Zeit dachte ich, es haͤtte muͤſſen an ſtat des Namens Rodolf, der Name Vol-
quin
geſchrieben und geleſen werden, der nunmehro Ordensmeiſter der Bruͤder von der
Ritterſchaft Chriſti war; aber ſeitdem ich von neuem beym Jahr 1218 n. 6 und 7. ei-
nen Ordensmeiſter Rodolf, und beym Jahr 1219 n. 2. einen Rodolf von Wenden,
und nachher wieder einen Ordensmeiſter Volquin antreffe: ſo komt mirs glaubwuͤrdig
vor, daß dieſer Rodolf Viceordensmeiſter uͤber die im Schloſſe Wenden wohnen-
den Ordensbruͤder geweſen, und daß er in dieſem Amte mit Bertolden von Wenden,
der erſt ums Jahr 1215 erſchlagen worden, abgewechſelt habe.
§. 4.

Weil nun der Biſchof Albert das Unkraut vom Weizen ſcheiden, und
das im Lande entſtandene Unheil ausrotten wolte, ehe es uͤberhand nahm, rief er
die Pilger mit dem Ordensmeiſter und ſeinen Bruͤdern zu ſich, wie auch die Ri-
giſchen
und Liven, ſo noch bisher getreu und ſtandhaft geblieben. Alle kamen
zuſammen, und da ſie eine groſſe Armee zuſammen gebracht, und alle Nothwendig-
keiten mit ſich genommen, ruͤckten ſie nach Thoreida, belagerten eben das
Schloß des Dabrels, darinne ſich die abtruͤnnigen Liven befunden, und zwar
nicht allein die Liven der Ordensbruͤder, ſondern auch die Liven des Biſchofs
von der andern Seite der Goiwe; deren Oberſter und Landesaͤlteſter Veſike
war. Die Liven fielen aus dem Schloſſe aus, auf der hinterſten Seite, be-
ſchaͤdigten einige von der Armee, nahmen ihre Pferde und andere Beute mit ſich,
kehrten wieder ins Schloß und ſagten: Seyd ſtark und wehret euch, da-
mit ihr nicht den
Deutſchen dienet. Und ſie ſtritten und wehrten ſich viele
Tage. Die Deutſchen aber warfen mit ihren Patherellen die Werke des
Schloſſes um, ſchmiſſen viele und groſſe Steine in die Veſtung, und toͤdteten
viele Menſchen und Vieh. Einige fuͤhrten einen hohen Schanzthurm auf, den
der Wind in folgender Nacht uͤber den Haufen ſchmiß, daruͤber ein groß Geſchrey
und Jauchzen im Schloſſe entſtand. Sie bewieſen ihren Goͤtzen die alten ge-
woͤhnlichen Ehrenbezeigungen, ſchlachteten Thiere, und warfen die geopferten
Hunde und Boͤcke den Chriſten zur Schmach aus dem Schloſſe heraus, recht
ins Geſichte des Biſchofs und der ganzen Armee. Doch alle ihre Arbeit war ei-
tel. Denn es ward ein ſtaͤrker Blockhaus aufgefuͤhret, ein Thurm aus Holze in
Eil zuſammen geſchlagen, nach dem Graben geſchoben, und das Schloß untermi-
niret. Rußin rief inzwiſchen oben vom Schloſſe den Ordensmeiſter Berthold
von Wenden, als ſeinem Draug *), das iſt, ſeinem Kamerad und Freund zu,
nahm ſeine Sturmhaube vom Kopfe, beugte ſich von der Mauer herunter, und
that einen Vortrag vom Frieden und ihrer alten Bekantſchaft. Aber eben, da er
noch redete, bekam er unverſehens von einem Schuͤtzen einen Pfeil in Kopf, daß
er herunter fiel und nachher ſtarb. Alſo gruben die Deutſchen Tag und Nacht
am Walle, und lieſſen nicht eher ab, bis ſie an die Spitze des Schloſſes gelangten,
bis der Wall durchſchnitten, und der Fal der ganzen Beveſtigung ſchon erwartet
wurde. Wie die Liven ſahen, daß die Hoͤhe ihres ſehr veſten Schloſſes ſchon zu
Boden ſinke; ſo wurden ſie beſtuͤrzt und im Gemuͤthe unruhig, deswegen ſchickten
ihre Volksaͤlteſten Aſſen c) ſamt den andern zum Biſchof, baten um Verzeihung,
und nicht umgebracht zu werden. Der Biſchof aber beredete ſie, ſich zu dem Sa-
cramente des Glaubens zu wenden, und ſchickte ſeine Fahne ins Schloß, die auch
von einigen aufgeſtecket, von andern aber niedergeriſſen wurde. Man band
daher den Aſſo auf die Folter. Der Krieg ging von neuem an, und das letzte
Gefechte ward heftiger und grauſamer als das erſte. Endlich ergaben ſie ſich, und

ſteckten
*) Draug heiſt in Lettiſcher und Curiſcher Sprache ein Freund. Herr Hiaͤrne begehet hier einen Fehler
in der Ueberſetzung, da er den Rußin beſchuldiget, als habe er Bertholden von Wenden umbringen
wollen.
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[101/0133] von 1211 bis 1212. Nicht weniger fingen auch die Liven wieder an gegen die Bruͤder der Ritter- ſchaft zu kriegen. 1211 b⁾ Einige Zeit dachte ich, es haͤtte muͤſſen an ſtat des Namens Rodolf, der Name Vol- quin geſchrieben und geleſen werden, der nunmehro Ordensmeiſter der Bruͤder von der Ritterſchaft Chriſti war; aber ſeitdem ich von neuem beym Jahr 1218 n. 6 und 7. ei- nen Ordensmeiſter Rodolf, und beym Jahr 1219 n. 2. einen Rodolf von Wenden, und nachher wieder einen Ordensmeiſter Volquin antreffe: ſo komt mirs glaubwuͤrdig vor, daß dieſer Rodolf Viceordensmeiſter uͤber die im Schloſſe Wenden wohnen- den Ordensbruͤder geweſen, und daß er in dieſem Amte mit Bertolden von Wenden, der erſt ums Jahr 1215 erſchlagen worden, abgewechſelt habe. §. 4. Weil nun der Biſchof Albert das Unkraut vom Weizen ſcheiden, und das im Lande entſtandene Unheil ausrotten wolte, ehe es uͤberhand nahm, rief er die Pilger mit dem Ordensmeiſter und ſeinen Bruͤdern zu ſich, wie auch die Ri- giſchen und Liven, ſo noch bisher getreu und ſtandhaft geblieben. Alle kamen zuſammen, und da ſie eine groſſe Armee zuſammen gebracht, und alle Nothwendig- keiten mit ſich genommen, ruͤckten ſie nach Thoreida, belagerten eben das Schloß des Dabrels, darinne ſich die abtruͤnnigen Liven befunden, und zwar nicht allein die Liven der Ordensbruͤder, ſondern auch die Liven des Biſchofs von der andern Seite der Goiwe; deren Oberſter und Landesaͤlteſter Veſike war. Die Liven fielen aus dem Schloſſe aus, auf der hinterſten Seite, be- ſchaͤdigten einige von der Armee, nahmen ihre Pferde und andere Beute mit ſich, kehrten wieder ins Schloß und ſagten: Seyd ſtark und wehret euch, da- mit ihr nicht den Deutſchen dienet. Und ſie ſtritten und wehrten ſich viele Tage. Die Deutſchen aber warfen mit ihren Patherellen die Werke des Schloſſes um, ſchmiſſen viele und groſſe Steine in die Veſtung, und toͤdteten viele Menſchen und Vieh. Einige fuͤhrten einen hohen Schanzthurm auf, den der Wind in folgender Nacht uͤber den Haufen ſchmiß, daruͤber ein groß Geſchrey und Jauchzen im Schloſſe entſtand. Sie bewieſen ihren Goͤtzen die alten ge- woͤhnlichen Ehrenbezeigungen, ſchlachteten Thiere, und warfen die geopferten Hunde und Boͤcke den Chriſten zur Schmach aus dem Schloſſe heraus, recht ins Geſichte des Biſchofs und der ganzen Armee. Doch alle ihre Arbeit war ei- tel. Denn es ward ein ſtaͤrker Blockhaus aufgefuͤhret, ein Thurm aus Holze in Eil zuſammen geſchlagen, nach dem Graben geſchoben, und das Schloß untermi- niret. Rußin rief inzwiſchen oben vom Schloſſe den Ordensmeiſter Berthold von Wenden, als ſeinem Draug *), das iſt, ſeinem Kamerad und Freund zu, nahm ſeine Sturmhaube vom Kopfe, beugte ſich von der Mauer herunter, und that einen Vortrag vom Frieden und ihrer alten Bekantſchaft. Aber eben, da er noch redete, bekam er unverſehens von einem Schuͤtzen einen Pfeil in Kopf, daß er herunter fiel und nachher ſtarb. Alſo gruben die Deutſchen Tag und Nacht am Walle, und lieſſen nicht eher ab, bis ſie an die Spitze des Schloſſes gelangten, bis der Wall durchſchnitten, und der Fal der ganzen Beveſtigung ſchon erwartet wurde. Wie die Liven ſahen, daß die Hoͤhe ihres ſehr veſten Schloſſes ſchon zu Boden ſinke; ſo wurden ſie beſtuͤrzt und im Gemuͤthe unruhig, deswegen ſchickten ihre Volksaͤlteſten Aſſen c⁾ ſamt den andern zum Biſchof, baten um Verzeihung, und nicht umgebracht zu werden. Der Biſchof aber beredete ſie, ſich zu dem Sa- cramente des Glaubens zu wenden, und ſchickte ſeine Fahne ins Schloß, die auch von einigen aufgeſtecket, von andern aber niedergeriſſen wurde. Man band daher den Aſſo auf die Folter. Der Krieg ging von neuem an, und das letzte Gefechte ward heftiger und grauſamer als das erſte. Endlich ergaben ſie ſich, und ſteckten *) Draug heiſt in Lettiſcher und Curiſcher Sprache ein Freund. Herr Hiaͤrne begehet hier einen Fehler in der Ueberſetzung, da er den Rußin beſchuldiget, als habe er Bertholden von Wenden umbringen wollen. C c

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/133>, abgerufen am 21.11.2024.