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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Geschichte des dritten Bischof Alberts, zehntes Jahr,
1207gen und also nachgehends unter alle Esthen und herumliegende Völker; weil
GOtt mitwirkte, der allein alle Reiche bezwungen.

§. 4.

Nach diesem brachen die Litthauer mit einer starken Heeresmacht in Sem-
gallien
ein, und fingen an alles todt zu schlagen und zu verheeren, was sie antra-
fen. Doch die Semgallier laurten ihnen unterwegens auf, hieben die Wälder
aus, und machten fast alle auf dem Rückzuge nieder. Sie schickten auch von de-
ren Beute den Rigischen, ihren erlittenen vorigen vielen Schaden etwas zu ersetzen,
ansehnliche Geschenke zu.

§. 5.

Zu derselben Zeit schickte GOtt seiner Kirche zur Tröstung viele Ordensleute,
nach der Düne: Florenz Cassen*), einen Abt Cistercienser Ordens: Ro-
bert Gilbanen,
einen Cölnischen Kanonicus, Conrad Kolben, von Bre-
men,
mit etlichen andern; davon einige in dem Kloster Dünemünde, etliche
mit den Brüdern der Ritterschaft den heiligen Ordenshabit erwähleten c), etliche
zur Arbeit des Predigens schritten: über aller deren Ankunft die noch kleine Ge-
meine sehr erfreuet und gestärket ward, und nach den betrübten Kriegen GOtt
dankte, der immerdar die Seinigen in allerley Anfechtungen zu trösten nicht auf-
höret.

c) Also haben auch die Schwerdtbrüder der Manier der übrigen geistlichen Ritterorden es
nachgemacht, und Priester gehalten, die im Orden stunden, und nach dessen Regel le-
ben musten.
§. 6.

Und es begab sich, da schon ganz Liefland und Letthigallien getauft war,
daß die Landesältesten von den Letten, Ruscin aus dem Schloß Soteele**),
Waridote von Antine, Taliald von Beverin, wie auch Bertold, Brü-
der der Ritterschaft von Wenden d) ihre Boten an die Esthen nach Ungannien
schickten, Recht zu begehren über alle von ihnen zugefügte Beleidigungen. Denn
die Letten waren vor Annehmung des Glaubens geringschätzig und veracht e),
und standen von den Liven und Esthen viel Unrecht aus; daher sie über die An-
kunft der Priester sich desto mehr freueten, weil sie alle nach der Taufe gleiches
Recht und gleichen Frieden zugleich genossen. Die Esthen kehrten sich an den
Vortrag der Abgeordneten wenig, thaten auch keine Genugthuung, sondern sand-
ten mit denselben ihre Boten nach Letthigallien. Und da die Brüder der Rit-
terschaft nun in Wenden schon seßhaft waren, schickten sie Bertolden, als den
vornehmsten unter ihnen zum Vergleich der Letten mit den Esthen. Es kam
auch von Seiten des Bischofs der Priester Heinrich und noch mehrere Letten.
Also fingen sie an sich zu besprechen, was zum Frieden und zur Gerechtigkeit abzie-
lete. Allein die Abgeordneten der Esthen verachteten sowol den Frieden mit den
Letten, als wegerten sich auch, das ihnen unrechtmäßig entwandte zurück zu liefern,
daher widersprachen sie den Letten in allen Stücken, droheten sich feindlicher
Weise***) mit ihren sehr spitzigen Lanzen, und gingen aus einander, ohne daß man
über einem Formular des Friedens hätte können eins werden. Nachdem indessen etli-
che Kaufleute und Deutsche aus Gothland dazu kamen, machte sich Waridote
mit andern Landesältesten der Letten auf, gingen nach Riga, und suchten demü-
thig um Hülfe an, wider der Esthen Gewaltthätigkeit. Die Rigischen nun
erwegten, wie ihnen ebenfals Unrecht geschehen, und wie vormals ihren Kaufleu-
ten sehr viele Güter von denen Unganniern abgenommen worden, gaben also

diesem
*) Bey diesen Männern fehlen mir alle die Zunamen.
**) Jch lese Soteske und Hiärne Sotecke, welches Sotack im Dörptschen ist.
***) Für inuicem lese ich inimice.

Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zehntes Jahr,
1207gen und alſo nachgehends unter alle Eſthen und herumliegende Voͤlker; weil
GOtt mitwirkte, der allein alle Reiche bezwungen.

§. 4.

Nach dieſem brachen die Litthauer mit einer ſtarken Heeresmacht in Sem-
gallien
ein, und fingen an alles todt zu ſchlagen und zu verheeren, was ſie antra-
fen. Doch die Semgallier laurten ihnen unterwegens auf, hieben die Waͤlder
aus, und machten faſt alle auf dem Ruͤckzuge nieder. Sie ſchickten auch von de-
ren Beute den Rigiſchen, ihren erlittenen vorigen vielen Schaden etwas zu erſetzen,
anſehnliche Geſchenke zu.

§. 5.

Zu derſelben Zeit ſchickte GOtt ſeiner Kirche zur Troͤſtung viele Ordensleute,
nach der Duͤne: Florenz Caſſen*), einen Abt Ciſtercienſer Ordens: Ro-
bert Gilbanen,
einen Coͤlniſchen Kanonicus, Conrad Kolben, von Bre-
men,
mit etlichen andern; davon einige in dem Kloſter Duͤnemuͤnde, etliche
mit den Bruͤdern der Ritterſchaft den heiligen Ordenshabit erwaͤhleten c), etliche
zur Arbeit des Predigens ſchritten: uͤber aller deren Ankunft die noch kleine Ge-
meine ſehr erfreuet und geſtaͤrket ward, und nach den betruͤbten Kriegen GOtt
dankte, der immerdar die Seinigen in allerley Anfechtungen zu troͤſten nicht auf-
hoͤret.

c) Alſo haben auch die Schwerdtbruͤder der Manier der uͤbrigen geiſtlichen Ritterorden es
nachgemacht, und Prieſter gehalten, die im Orden ſtunden, und nach deſſen Regel le-
ben muſten.
§. 6.

Und es begab ſich, da ſchon ganz Liefland und Letthigallien getauft war,
daß die Landesaͤlteſten von den Letten, Ruſcin aus dem Schloß Soteele**),
Waridote von Antine, Taliald von Beverin, wie auch Bertold, Bruͤ-
der der Ritterſchaft von Wenden d) ihre Boten an die Eſthen nach Ungannien
ſchickten, Recht zu begehren uͤber alle von ihnen zugefuͤgte Beleidigungen. Denn
die Letten waren vor Annehmung des Glaubens geringſchaͤtzig und veracht e),
und ſtanden von den Liven und Eſthen viel Unrecht aus; daher ſie uͤber die An-
kunft der Prieſter ſich deſto mehr freueten, weil ſie alle nach der Taufe gleiches
Recht und gleichen Frieden zugleich genoſſen. Die Eſthen kehrten ſich an den
Vortrag der Abgeordneten wenig, thaten auch keine Genugthuung, ſondern ſand-
ten mit denſelben ihre Boten nach Letthigallien. Und da die Bruͤder der Rit-
terſchaft nun in Wenden ſchon ſeßhaft waren, ſchickten ſie Bertolden, als den
vornehmſten unter ihnen zum Vergleich der Letten mit den Eſthen. Es kam
auch von Seiten des Biſchofs der Prieſter Heinrich und noch mehrere Letten.
Alſo fingen ſie an ſich zu beſprechen, was zum Frieden und zur Gerechtigkeit abzie-
lete. Allein die Abgeordneten der Eſthen verachteten ſowol den Frieden mit den
Letten, als wegerten ſich auch, das ihnen unrechtmaͤßig entwandte zuruͤck zu liefern,
daher widerſprachen ſie den Letten in allen Stuͤcken, droheten ſich feindlicher
Weiſe***) mit ihren ſehr ſpitzigen Lanzen, und gingen aus einander, ohne daß man
uͤber einem Formular des Friedens haͤtte koͤnnen eins werden. Nachdem indeſſen etli-
che Kaufleute und Deutſche aus Gothland dazu kamen, machte ſich Waridote
mit andern Landesaͤlteſten der Letten auf, gingen nach Riga, und ſuchten demuͤ-
thig um Huͤlfe an, wider der Eſthen Gewaltthaͤtigkeit. Die Rigiſchen nun
erwegten, wie ihnen ebenfals Unrecht geſchehen, und wie vormals ihren Kaufleu-
ten ſehr viele Guͤter von denen Unganniern abgenommen worden, gaben alſo

dieſem
*) Bey dieſen Maͤnnern fehlen mir alle die Zunamen.
**) Jch leſe Soteske und Hiaͤrne Sotecke, welches Sotack im Doͤrptſchen iſt.
***) Fuͤr inuicem leſe ich inimice.
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[68/0100] Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, zehntes Jahr, gen und alſo nachgehends unter alle Eſthen und herumliegende Voͤlker; weil GOtt mitwirkte, der allein alle Reiche bezwungen. 1207 §. 4. Nach dieſem brachen die Litthauer mit einer ſtarken Heeresmacht in Sem- gallien ein, und fingen an alles todt zu ſchlagen und zu verheeren, was ſie antra- fen. Doch die Semgallier laurten ihnen unterwegens auf, hieben die Waͤlder aus, und machten faſt alle auf dem Ruͤckzuge nieder. Sie ſchickten auch von de- ren Beute den Rigiſchen, ihren erlittenen vorigen vielen Schaden etwas zu erſetzen, anſehnliche Geſchenke zu. §. 5. Zu derſelben Zeit ſchickte GOtt ſeiner Kirche zur Troͤſtung viele Ordensleute, nach der Duͤne: Florenz Caſſen *), einen Abt Ciſtercienſer Ordens: Ro- bert Gilbanen, einen Coͤlniſchen Kanonicus, Conrad Kolben, von Bre- men, mit etlichen andern; davon einige in dem Kloſter Duͤnemuͤnde, etliche mit den Bruͤdern der Ritterſchaft den heiligen Ordenshabit erwaͤhleten c⁾ , etliche zur Arbeit des Predigens ſchritten: uͤber aller deren Ankunft die noch kleine Ge- meine ſehr erfreuet und geſtaͤrket ward, und nach den betruͤbten Kriegen GOtt dankte, der immerdar die Seinigen in allerley Anfechtungen zu troͤſten nicht auf- hoͤret. c⁾ Alſo haben auch die Schwerdtbruͤder der Manier der uͤbrigen geiſtlichen Ritterorden es nachgemacht, und Prieſter gehalten, die im Orden ſtunden, und nach deſſen Regel le- ben muſten. §. 6. Und es begab ſich, da ſchon ganz Liefland und Letthigallien getauft war, daß die Landesaͤlteſten von den Letten, Ruſcin aus dem Schloß Soteele **), Waridote von Antine, Taliald von Beverin, wie auch Bertold, Bruͤ- der der Ritterſchaft von Wenden d⁾ ihre Boten an die Eſthen nach Ungannien ſchickten, Recht zu begehren uͤber alle von ihnen zugefuͤgte Beleidigungen. Denn die Letten waren vor Annehmung des Glaubens geringſchaͤtzig und veracht e⁾ , und ſtanden von den Liven und Eſthen viel Unrecht aus; daher ſie uͤber die An- kunft der Prieſter ſich deſto mehr freueten, weil ſie alle nach der Taufe gleiches Recht und gleichen Frieden zugleich genoſſen. Die Eſthen kehrten ſich an den Vortrag der Abgeordneten wenig, thaten auch keine Genugthuung, ſondern ſand- ten mit denſelben ihre Boten nach Letthigallien. Und da die Bruͤder der Rit- terſchaft nun in Wenden ſchon ſeßhaft waren, ſchickten ſie Bertolden, als den vornehmſten unter ihnen zum Vergleich der Letten mit den Eſthen. Es kam auch von Seiten des Biſchofs der Prieſter Heinrich und noch mehrere Letten. Alſo fingen ſie an ſich zu beſprechen, was zum Frieden und zur Gerechtigkeit abzie- lete. Allein die Abgeordneten der Eſthen verachteten ſowol den Frieden mit den Letten, als wegerten ſich auch, das ihnen unrechtmaͤßig entwandte zuruͤck zu liefern, daher widerſprachen ſie den Letten in allen Stuͤcken, droheten ſich feindlicher Weiſe ***) mit ihren ſehr ſpitzigen Lanzen, und gingen aus einander, ohne daß man uͤber einem Formular des Friedens haͤtte koͤnnen eins werden. Nachdem indeſſen etli- che Kaufleute und Deutſche aus Gothland dazu kamen, machte ſich Waridote mit andern Landesaͤlteſten der Letten auf, gingen nach Riga, und ſuchten demuͤ- thig um Huͤlfe an, wider der Eſthen Gewaltthaͤtigkeit. Die Rigiſchen nun erwegten, wie ihnen ebenfals Unrecht geſchehen, und wie vormals ihren Kaufleu- ten ſehr viele Guͤter von denen Unganniern abgenommen worden, gaben alſo dieſem *) Bey dieſen Maͤnnern fehlen mir alle die Zunamen. **) Jch leſe Soteske und Hiaͤrne Sotecke, welches Sotack im Doͤrptſchen iſt. ***) Fuͤr inuicem leſe ich inimice.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/100>, abgerufen am 21.11.2024.