Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.XXIII. Die junge Schwalbe. Was macht ihr da? fragte eine Schwalbe die ge- Das ist klug, sagte die Schwalbe; das will ich O laß den irrdischen Ameisen diese kleine Klug- XXIV. Me-
XXIII. Die junge Schwalbe. Was macht ihr da? fragte eine Schwalbe die ge- Das iſt klug, ſagte die Schwalbe; das will ich O laß den irrdiſchen Ameiſen dieſe kleine Klug- XXIV. Me-
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XXIII.
Die junge Schwalbe.
Was macht ihr da? fragte eine Schwalbe die ge-
ſchaͤftigen Ameiſen. Wir ſammeln Vorrath auf den
Winter; war die geſchwinde Antwort.
Das iſt klug, ſagte die Schwalbe; das will ich
auch thun. Und ſogleich fing ſie an, eine Menge
todter Spinnen und Fliegen in ihr Neſt zu tragen.
Aber wozu ſoll das? fragte endlich ihre Mutter.
„Wozu? Vorrath auf den boͤſen Winter, liebe
„Mutter; ſammle doch auch! Die Ameiſen haben
„mich dieſe Vorſicht gelehrt.‟
O laß den irrdiſchen Ameiſen dieſe kleine Klug-
heit, verſetzte die Alte; was ſich fuͤr ſie ſchickt, ſchickt
ſich nicht fuͤr beſsere Schwalben. Uns hat die guͤ-
tige Natur ein holdres Schickſal beſtimmt. Wenn
der reiche Sommer ſich endet, ziehen wir von hin-
nen; auf dieſer Reiſe entſchlafen wir allgemach, und
da empfangen uns warme Suͤmpfe, wo wir ohne
Beduͤrfniſſe raſten, bis uns ein neuer Fruͤhling zu
einem neuen Leben erwecket.
XXIV. Me-
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Zitationshilfe: | Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/47>, abgerufen am 04.03.2025. |